Zukunftsmusik „London Centre for Music“
Star-Dirigent Sir Simon Rattle träumt davon. Die City of London Corporation wünscht es herbei. Und das Architekturbüro Diller Scofidio + Renfro hat einen superben Plan dafür entworfen: Das Projekt des prächtigen „London Centre for Music“ klingt nach großer Zukunft – auch wenn es erst noch Hürden überwinden muss.
Eine moderne Konzerthalle, die sich mit den besten der Welt messen kann. Dafür engagiert sich Star-Dirigent Sir Simon Rattle seit Jahren. Auch das Kulturzentrum The Barbican, das London Symphony Orchestra und die Guildhall School of Music & Drama bemühen sich, diesen Traum zu realisieren. Zwar hat die City of London Corporation im Vorfeld bereits rund 2,9 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und weitere Unterstützung in gleicher Höhe zugesagt. Doch noch muss das Projekt des neuen „London Centre for Music“ weiter warten. Denn die Kosten des Neubaus sollen sich auf rund 300 Millionen belaufen und müssen größtenteils privat aufgebracht werden.
Kulturzentrum der Extraklasse
Den Masterplan für das Mega-Projekt gibt es längst. Er stammt vom renommierten Büro Diller Scofidio + Renfro, das unter anderem – gemeinsam mit der Rockwell Group – das spektakuläre New Yorker Kulturzentrum „The Shed“ entwarf. Die Präsentation des Konzepts für das „London Centre for Music“ vor rund einem Jahr erregte viel Aufsehen. Schließlich verspricht das Design der Architekten ein wahrhaft monumentales Bauwerk.
Entstehen soll das neue „London Centre for Music“ da, wo jetzt noch dichter Autoverkehr ums Museum of London kreist: An der südlichen Spitze des Barbican Komplexes, in dem das London Symphony Orchestra logiert. Das Museum selbst soll 2022 in einen bis dahin sanierten Komplex im Stadtteil Smithfield übersiedeln.
Ikonischer Besuchermagnet
Die neue Anlage, der es damit Platz macht, soll zum ikonischen Portal der aufblühenden Kulturzone der City of London Corporation werden. Umgeben von einer Fußgängerzone und einer Plaza soll hier ein Tag und Nacht belebter, glitzernder Kultur-Hotspot Besucher locken.
Der Plan sieht mehrere Amphitheater-Treppen vor, die Teil eines mit dem markanten Highwalk des Barbican Estate verbundenen Wegnetzes sind. Dieses verzweigt sich und führt zu den unterschiedlichen Einheiten des Gebäudes.
Futuristische „Pyramide“ mit Weitblick
Der Prachtbau selbst wirkt wie ein pyramidenförmiger, transparenter Stapel. Ein futuristischer Turm mit Mehrzweckfoyer, Konzerthalle, Ausbildungs- und Zusatz-Räumlichkeiten sowie kommerziellen Etagen.
Als „Krone“ auf der obersten Ebene ist eine intimere Musik-Location vorgesehen. Diese – „The Coda“ genannt – soll wie eine Leuchtturmspitze auf dem Kulturzentrum erstrahlen und mit atemberaubendem Blick über London aufwarten.
Das mehrstöckige Foyer ist von Highwalk und Straßenebene aus durch mehrere Entrees zugänglich. Ein Café und eine Bar, flexible Räume für Forschung, informelle Klassenzimmer und Studios für Veranstaltungen sollen vielfältige Nutzungsmöglichkeiten bieten. Der im Inneren des „London Centre for Music“ scheinbar „schwebende“ Konzertsaal ist von außen weithin sichtbar.
Das Herz des geplanten Zentrums für Musik ist selbstredend die Konzerthalle. Sie soll Platz für bis zu 2.000 Besucher bieten und durch ihr Design ausschließlich über erstklassige Sitze verfügen: Die in der Mitte platzierte Bühne wird kreisförmig von steilen Publikumstribünen umringt. Der Saal ist auf außergewöhnlichen symphonischen Sound ausgerichtet und doch flexibel genug für kreative Arbeit verschiedener Disziplinen und Genres. In die Saalbestuhlung sind akustisch gesteuerte Pods integriert.
Top-Akustik & „Surround“-Sitzreihen
Die Halle soll den berühmtesten Konzertsälen der Welt in nichts nachstehen. Als Akustik-Meister wird mit Yasuhisa Toyota just jener Experte genannt, der auch für die exquisiten Klangerlebnisse der Hamburger Elbphilharmonie verantwortlich zeichnet. Eine öffentliche Galerie mit Blick auf Bühne und Stadt filtert das Tageslicht und bietet Lounge- und Veranstaltungsfläche. Oben findet sich ein kommerzieller Bereich, der von einem Restaurant und einer Außenterrasse mit Blick auf London begrenzt wird.
Für die Zukunft geschaffen
Zwar top-modern, aber keinesfalls „modisch“ müsse das neue „London Centre for Music“ werden, betonte Architektin Elizabeth Diller in einem TV-Interview für 3sat: Der Prachtbau solle schließlich lange bestehen. Deshalb habe man eine variable Infrastruktur konzipiert: Überholte Anlagen können jederzeit ausgetauscht und durch neuere Technik ersetzt werden.
Auch Sir Simon Rattles Wunsch, möglichst viele Menschen an möglichst viele Arten von Musik heranzuführen, wird das Büro Diller Scofidio + Renfro mit seinem Entwurf gerecht: Die Architektur lädt nicht nur Konzertfans, sondern Gäste verschiedenster Präferenzen geradezu dazu ein, den Neubau zu besuchen und dem Haus so einen breiten Publikumsmix zu bescheren.
Heim des London Symphony Orchestra
Betreiber des „London Centre for Music“ soll das Barbican werden. Der Bau ist als neue Heimstätte des London Symphony Orchestra und des „Institute for Social Impact“ der Guildhall School vorgesehen.
Im Gegensatz zum neuen Warschauer Konzerthaus, das der Grazer Architekt Thomas Pucher baut, wird mit dem Bau des Londoner Musikzentrums wohl kaum demnächst begonnen werden.
Hoffnungen und Hürden
Wie es heißt, könnte Sir Simon Rattle hier frühestens 2027 das ersehnte Eröffnungskonzert dirigieren. Sofern mit Finanzierung und nächsten Projektphasen alles wunschgemäß klappt und die geschätzten vier Jahre Bauzeit bis dahin abgeschlossen werden. Die Arbeiten dafür laufen auf Hochtouren. An Engagement und Interesse fehlt es nicht. Allerdings: Bestimmt kein leichtes Unterfangen, in Brexit-Zeiten offene Ohren für Zukunftsmusik zu finden.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Diller Scofidio + Renfro