Zaha Hadid: Ihr persönlich letzter Wurf
Nach vier Jahren Bauzeit wurde jetzt der angeblich letzte persönliche Entwurf von Zaha Hadid fertiggestellt: Das Leeza SOHO-Building in Peking. Ein rekordverdächtiger Wurf.
Es gibt wohl kaum einen Bau, dessen Fertigstellung mit so viel Spannung herbeigesehnt wurde wie dieser. Der Grund: Beim Leeza SOHO-Tower in Peking handelt es sich um einen der letzten – oder womöglich sogar den letzten – Entwurf, der direkt Zaha Hadids Kopf entsprungen ist. Die Großmeisterin moderner Architektur ist bekanntlich 2016 überraschend verstorben.
Zaha Hadids letzter Rekord?
Nun ist eben jener Tag gekommen: Der gigantische Wolkenkratzer in Pekings Geschäftsviertel Fengtai ist nach vier Jahren Bauzeit bezugsfertig. Und Hadid gelingt es selbst über ihren Tod hinaus noch, einen vermutlich letzten Rekord in die (Bau-)Welt zu setzen: Der insgesamt 200 Meter hohe Tower verfügt über das aktuell größte Atrium der Welt. Mit 194,15-Metern Höhe übertrumpft es den bisherigen Rekordhalter – das legendäre Burj Al Arab Hotel in Dubai.
Dame Zaha Mohammad Hadid war eine aus dem Irak stammende Architektin, Architekturprofessorin und Designerin britischer Staatsangehörigkeit. Als erste Frau erhielt sie 2004 die bedeutendste Ehrung in der Architektur, den Pritzker-Architektur-Preis.
Doch dieser überdimensionale „Himmelskanal“ ist nicht bloß ob seiner Dimension ein echter Hin(aus)gucker – sondern auch aufgrund seiner Bauweise: Beim Aufstieg verdreht es sich in sich selbst um 45 Grad. So, als würden die beiden Seiten des gigantischen Objekts miteinander tanzen. Doch der dadurch entstehende optische Effekt ist bloß ein Ad-on, vielmehr ging es Hadid bei der Planung darum, auch in den oberen Ebenen des Turms den Blick auf die Lize Road – eine der Hauptstraßen im Westen Pekings – zu ermöglichen.
Genialität aus der Not
Außerdem erzeugt diese Drehung auf beiden Seiten des Turms konvexe Öffnungen, die natürliches Licht in die Innenräume lassen. Besonders spannend an dieser wunderbaren Idee: Zaha Hadid entwickelte sie gemeinsam mit ihrem späteren Nachfolger Patrik Schumacher sozusagen aus der Not heraus! Das „Leeza SOHO“ befindet sich nämlich direkt über einem noch in Bau befindlichen U-Bahn-Knoten, in den gleich fünf Tunnel münden.
Der Hintergedanke von Auftraggeber SOHO China war es dabei freilich, die Untergeschoße des Gebäudes mit direkten U-Bahn-Zugängen versehen zu können. Gleichzeitig stellte es die Star-Architektin und ihr Team allerdings vor statische und gestalterische Probleme. Und die löste man schlussendlich durch die Teilung des Turms in zwei Hälften, die sich in der Höhe ineinanderschlingen und zu einem Ganzen werden.
Offensichtlich selbst glücklich über diese Lösung ließ Patrik Schumacher sogar mit einer sonst eher raren Wortmeldungen aufhorchen: „Das neue Geschäftsviertel ist integraler Bestandteil des multimodalen Stadtplans von Peking, um dem Wachstum Rechnung zu tragen, ohne die bestehenden Infrastrukturnetze im Zentrum der Stadt zu beeinträchtigen“, erklärte er. Und weiter: „Dieser 45-geschossige, 172.800 Quadratmeter große Turm entspricht der Nachfrage kleiner und mittlerer Unternehmen in Peking nach flexiblen und effizienten Büroflächen.“
Modernste Technik an Bord
Denn genau als solcher ist der Bau von Anfang an gedacht gewesen. Deshalb wurden von Beginn an dafür notwendige technische Details mitbedacht. Das Ergebnis: Das Leeza SOHO verfügt über eine komplette 5G-Abdeckung (5G bezeichnet die modernste Mobilfunk-Technoliogie). Außerdem besteht die spektakuläre Glasfassade aus einer Reihe von hintereinander geschalteten Glasscheiben, die zur Unterstützung der Belüftung abgekantet sind. Ziel ist es, dadurch bei den unterschiedlichen Wetterbedingungen in Peking für ein stets angenehmes Raumklima zu sorgen.
Dieser 45-geschossige, 172.800 Quadratmeter große Turm entspricht der Nachfrage kleiner und mittlerer Unternehmen in Peking nach flexiblen und effizienten Büroflächen.
Patrik Schumacher, Architekt und Nachfolger von Zaha Hadid
Um die Umweltfreundlichkeit des Gebäudes zu verbessern, ist der Turm mit einer Wärmerückgewinnung aus Abluft- und Hocheffizienzpumpen, Wassersammelanlagen, Grauwasserspülung und einem isolierenden Gründach mit Photovoltaikmodulen ausgestattet. Darüber hinaus gibt es 2.680 Fahrradstellplätze mit Schließfächern und Duschen sowie Laderäume für Elektro- oder Hybridautos, um die Nutzer zu ermutigen, nachhaltig zu reisen.
Auch in Sachen Umweltschutz war die legendäre Zaha Hadid also ganz offensichtlich ihrer Zeit um eben die Bauzeit eines ganzen Wolkenkratzers voraus.
Text: Johannes Stühlinger
Fotos: Hufton+Crow