Wüstenblume zu vermieten!
Eine einfache Notiz veranlasste Architekt Kendrick Bangs Kellogg dazu, sein Joshua Tree House in die kalifornische Wüste zu pflanzen. Es wurde unabsichtlich zu seinem Meisterwerk. Jetzt kann man darin Urlaub machen.
Sind hier Frank Lloyd Wright, John Lautner, Zaha Hadid und Fred Feuerstein an einem Tisch gesessen und haben wie wild gemeinsam ein Haus geplant? Diese Frage drängt sich auf, wenn man das erste Mal das Joshua Tree Haus sieht. Ein überdimensionales Objekt, das ganz offensichtlich ohne jegliche geometrische Struktur auskommt. Vielmehr sieht es aus, als hätte sich ein gigantischer Dinosaurier in der Wüste für eine ausgedehnte Rast zur Ruhe gebettet. Und dabei seinen Schlund wie ein Tor in eine fantastische Welt geöffnet.
Joshua Tree House als organisches Musterbeispiel
Vermutlich ist das Joshua Tree House das perfekte organische Bauwerk schlechthin. Jedenfalls wird es unter eben diesem Aspekt rückblickend als Meisterwerk des zuständigen Architekten angesehen. Nirgendwo sonst hat der amerikanische Meister-Planer Kendrick Bangs Kellogg seiner Vorliebe für organisch fließende Formen so freien Lauf gelassen wie beim Joshua Tree House. Nirgendwo sonst steht ein vergleichbares Haus, wie hier am nordwestlichen Rande des Joshua Tree-Nationalparks in der kalifornischen Mojave-Wüste.
Das in Anbetracht dieses Bauwerks offensichtlich werdende Gespür für Kurven wurde Kendrick Bangs Kellogg bereits in die Wiege gelegt. Der Cousin seines Großvaters war der berühmte Landschaftsarchitekt Frederick Law Olmsted, der den New Yorker Central Park entworfen hatte. Von seiner Vorliebe für organisch fließende Wege ließ sich später auch sein jüngerer Verwandter leiten.
Privatvillen statt Parkwege
Der heute 84-jährige Kalifornier ist jedoch von den Parkwegen abgewichen und hat sich stattdessen auf die Planung privater Wohnhäuser spezialisiert. Wie eben das Joshua Tree House, bei dem die Fachwelt sagt, hierbei würden Landschaft, Architektur und Interieur zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen.
Wohl deshalb sorgt das Objekt seit inzwischen 30 Jahren immer wieder für Gesprächsstoff in der Fachwelt. Nun wurde es verkauft und man kann sich darin einmieten. Klar, dass das wieder für Aufsehen sorgt.
Eine Notiz als Grundstein
Dabei hat alles ganz harmlos begonnen. Mit einer schlichten handschriftlichen Notiz, die Kellogg an einem ganz normalen Tag im Jahr 1986 in seinem Postkasten fand. „Sehr geehrter Herr Kellogg, meine Frau und ich haben vor kurzem einen sehr interessanten, wenn auch unkonventionellen Bauplatz in der kalifornischen Wüste erworben.“ Gezeichnet: Beverly und Jay Doolittle. Ein bekanntes Künstlerpaar.
Obwohl Kellogg damals mehr als ausgelastet war, ließ ihn diese Nachricht keine Ruhe. Und so beschloss er, die Doolittles kurzerhand besuchen zu fahren. Ein Ereignis, das sich bei dem Paar ganz offensichtlich eingebrannt hat, wie sie heute noch betonen: „Kendrick sprang wie eine Bergziege über die Felsen und suchte nach den passenden Steinen, um darauf bauen zu können“, gaben die zwei kürzlich zu Protokoll. Als richtige Stelle entpuppte sich der untere Hangabschnitt eines von losen Felsbrocken übersäten Hügels, der in einen weiteren, vorgelagerten Hügel übergeht.
Wie ein Vogel im Sturm
Eingekeilt zwischen diesen beiden Gesteinsformationen, ließ Kendrick Bangs Kellogg infolge seine zementgeformte Wüstenblume gedeihen. Ein Objekt, das sich schwer mit Worten beschreiben lässt, da es im Grunde keiner Logik folgt. Vereinfacht ausgedrückt, ließ Kellogg insgesamt 26 Betonsäulen senkrecht in den Himmel ragen und verband diese infolge mit vier bis fünf Meter langen Lamellen, die wie Palmenblätter aussehen.
Standhafte Struktur
Weder das Dach noch die Wände bilden homogene, in sich geschlossene Flächen. Sie sind allesamt aufgefächert, „wie die Flügel eines Vogels, der durch einen Sturm segelt,“ beschrieb die Situation einst ein Fachmagazin. Apropos Naturgewalt: Wie stabil die so fragil wirkende Struktur ist, wurde schon kurz vor der Fertigstellung des Hauses offensichtlich: Das Gebäude überstand 1992 ein heftiges Erdbeben völlig unbeschadet.
Um die 431 Quadratmeter große Wohnhöhle mit möglichst viel natürlichem Licht zu fluten, versiegelte Kellogg sämtliche Lamellen mit unzähligen jeweils einzeln angefertigten Glasfronten. Die setzte er schlussendlich so gefinkelt ein, dass die Wüstensonne durch keine einzige direkt auf den Boden des Hauses fällt. So vermied der Star-Architekt gekonnt eine übermäßige Erhitzung der Innenräume.
Lichtspiele unter der Wüstensonne
Dem Thema Licht schenkte Kellogg generell sehr viel Aufmerksamkeit. Das wird spätestens dann klar, sobald man Joshua Tree House in Zusammenhang mit dem Lauf der Sonne betrachtet. Wenn dann Licht und Schatten an den gebogenen Betonsäulen entlangwandern, scheint das Gebäude regelrecht zu atmen. Ein Effekt, der freilich nicht zufällig entstanden ist, sondern viel Tüftelei bedingt.
Diese Perfektion führte schließlich auch zu einer Bauphase von insgesamt fünf Jahren. Dass die Bauherren so lange warten mussten, um ihre Villa als Hauptwohnsitz zu beziehen, störte sie jedoch nicht. „Wir genossen es, dass vor unseren Augen langsam ein Gesamtkunstwerk entsteht“, sagten sie einmal in einem Interview.
Zu viel der Perfektion
Dennoch: Inzwischen hat das Paar ihre außergewöhnliche Wüstenvilla verkauft. Der Grund dafür steckt nicht bloß sprichwörtlich, sondern buchstäblich in den so perfekten Details: Die Perfektion des Joshua Tree House wurde zunehmend zur Last! Das Gebäude vermochte sich schlichtweg nicht an den wechselnden Lebensstil seiner Bewohner anzupassen. Also wechselte Kelloggs architektonisches Meisterwerk schließlich um kolportierte drei Millionen Euro seinen Besitzer.
Joshua Tree House zu mieten!
In Anbetracht der großen Geschichte, die sich hinter dem Joshua Tree House verbirgt, eine durchaus traurige. Allerdings hat diese auch etwas Gutes: Die neuen Eigentümer entschieden sich, das spektakuläre Objekt gegen ebenso spektakuläres Entgelt zu vermieten! Wer also Lust und Geld hat, kann in der Wüstenblume eine Party feiern oder Urlaub machen. Wir wünschen schon einmal: Viel Spaß!
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Lance Gerber