Innovation mit grüner AURA
Ein Wohngebäude wie ein grüner Hügel, auf dem 140.000 Pflanzen wachsen? Der für innovative Lösungen bekannte polnische Architekt Robert Konieczny macht’s möglich. Und setzt mit dem Projekt AURA in Posen ein Zeichen in Sachen zukunftsfitter Bauweise.
Erst war es ein Haus, das sich mit dem Sonnenstand bewegt. Dann die Verwandlung eines Schlachthofs in ein modernes Kulturzentrum. Völlig unterschiedliche Vorhaben. Und extravagante Klienten-Wünsche, deren Erfüllung eine Menge Hirnschmalz abverlangt. Architekt Robert Konieczny ließ sich davon nicht beirren. Sowohl sein Design des tatsächlich beweglichen Quadrant House als uch die famose Kunstgalerie Plato trugen dem polnischen Architekten international Applaus und Auszeichnungen ein. Und dies nicht zum ersten Mal. Mit AURA wird nun in Posen sein nächstes spannendes Projekt Realität – und soll ein Exempel in Sachen „grünes Wohnen“ setzen.
Für Mensch und Umwelt
Der von Koniecznys Büro KWK Promes designte Wohnbau fasziniert nicht nur durch die 140.000 handverlesenen Gewächse, die die Fassade fast vollständig bedecken werden. Auch seine Form und – vor allem – die Idee hinter dem Konzept für AURA belegen einmal mehr Koniecznys Gespür für kluge, kreative Lösungen: Das Konzept basiert auf dem Grundsatz, das bestehende Ökosystem so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, jedoch so weit wie möglich zu bereichern. So, dass die Nutzer, aber auch Natur und Umwelt zugleich profitieren.
Der Parkcharakter des Umfelds, die Topographie der Umgebung und die dortigen Steilhänge wurden zum Ausgangspunkt des Entwurfs. Der Baukörper der Anlage soll aus der vorhandenen Aufschüttung des Geländes herauswachsen und quasi zu dessen Verlängerung werden. So, dass ein neuer, grüner Hügel entsteht. Dadurch leben die künftigen Nutzer „Tür an Tür“ mit Natur, die direkt auf den Terrassen und Loggien der Wohnungen Raum greift und gedeiht.
Wenn wir für ausreichend Grün sorgen, und zwar in zugänglicher Form, haben wir die Chance, das Gesicht der Städte dauerhaft zu verändern.
Robert Konieczny, Architekt und Gründer des Büros KWK Promes
Das komplexe Fassadensystem ermöglicht nicht nur die Regulierung von Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur im Inneren des Gebäudes, sondern auch in der unmittelbaren Umgebung. Das Grün wird auf einer unabhängigen Aluminium-Stahl-Struktur gestaltet, die direkt an den traditionell verputzten Außenwänden steht. Die Architektur des Neubaus soll die Lebensbedingungen durch günstiges Mikroklima beeinflussen.
Der Plan sieht vor, dass die Pflanzen, die auf dem speziellen Konstrukt wachsen, einen vertikalen Garten bilden. Zwischen diesem Garten und der Fassade wird, so Koniecznys Beschreibung, ein seinerseits spezieller Luftpolster entstehen, der als natürlicher Isolator dient und das Gebäude an heißen Tagen vor Überhitzung schützt.
Weil Pflanzen-Pflege bekanntlich nicht jedermanns Sache ist, wird die Bewässerung des Fassaden-Grüns durch ein automatisches System erfolgen. Und zwar mit auf dem AURA Grundstück gesammeltem Wasser, das zu 90 Prozent aus gefiltertem Regen und Schneeschmelze gewonnen wird. Durch diese Automatisierung wird der Aufwand, den die Bewohner sonst für die Erhaltung der Vegetation auf sich nehmen müssten, auf ein Minimum reduziert. Die Energie fürs dazu nötige System wird durch Photovoltaik-Module auf dem Dach generiert.
Aufwändige Vorarbeit
Um die für den Zweck geeignetsten Gewächse zu wählen, wurden Wissenschafter der Universität Posen in den Entwurfsprozess einbezogen. Und man nahm sich Zeit für die Suche nach Pflanzen, mit deren Hilfe das bestehende Ökosystem tatsächlich unterstützt werden kann.
Grün-Fassade als lebendiges System
Zwei Jahre lang wurde an einem Modell der Fassade (im realen Maßstab) getestet. Natürlich unter Berücksichtigung lokaler Bedingungen, Sonneneinstrahlung und Lebensdauer der Pflanzen. Auf Grundlage der so gewonnenen Erkenntnisse wurden jene einheimischen Arten für AURA ausgewählt, die wechselnder Witterung am besten gewachsen und zugleich pflegeleicht sind. Schließlich soll die spektakuläre Grün-Fassade nach Fertigstellung ein möglichst autarkes System bilden.
Für Robert Konieczny ist Begrünung ein essenzieller Aspekt bei der Planung zukunftsorientierter Projekte: „Wenn wir für ausreichend Grün sorgen, und zwar in zugänglicher Form, wie wir es mit AURA tun, haben wir die Chance, das Gesicht der Städte dauerhaft zu verändern. Anstelle von Hitzeinseln können wir Gebäude schaffen, die die Luftfeuchtigkeit und die Lufttemperatur sowohl im Inneren als auch in ihrer unmittelbaren Umgebung regulieren.“
Schönheit, die Wohlbefinden schafft
Architektur, die dies berücksichtigt, biete mehrfachen Nutzen, betont der Gründer des erfolgreichen Büros KWK Promes: „Sie trägt zur Ästhetik der Gegend bei und hat einen echten Einfluss auf unser Wohlbefinden.“
Viele Ziele, verpackt in ein Design
Ein Konzept, das Konieczny und seinem Team den Sieg im Wettbewerb um das aktuelle Projekt in Posen eintrug. Und eines, das auch Investor Piotr Voelkel rundum überzeugte: „Seit Langem beobachte ich, was Robert Konieczny entwirft, und wie er denkt. Ich suchte nach einer Lösung, die viele Erwartungen an diesen Ort in Einklang bringt: Komfort für die künftigen Nutzer. Harmonie mit der grünen, erholsamen Umgebung. Die Verantwortung für den Zustand des Planeten. Energieeffizienz und damit die Senkung der Betriebskosten. Aber auch einzigartige Architektur, die eine Ikone der Stadt und ein Kunstwerk sein kann.“
Was die Architektur betrifft, hat Voelkel, der auch Miteigentümer des von MVRDV designten, preisgekrönten Bürogebäudes Bałtyk in Posen ist, mit KWK Promes also seinen idealen Partner gefunden. Das Interior Design gestaltet Modelina. Für extravagante Details holte der Investor die junge, für ihre farbenfrohen „Totems“ bekannte Künstlerin Alicja Biała ins Team. Von ihr stammen eine skulpturale Keramik-Lampe für die AURA Lobby sowie ein Relief, das auf die Beziehung zwischen Mensch und Natur verweist.
Kunst mit Umweltschutz-Idealen
Białas Werke stehen in engem Zusammenhang mit Architekt Koniecznys Grundidee, wie die Künstlerin selbst schildert: „Hauptinspiration für die skulpturalen Formen waren lokal vorkommende Pflanzen, von denen viele durch die Zerstörung ihres Lebensraums und den Klimawandel bedroht sind. Für mich sind diese kleinen Pflanzen groß, stolz, markant und immer noch voller Hoffnung.“
Der auch als Kunstsammler, Mäzen und Förderer kultureller Events bekannte Piotr Voelkel hat offensichtlich seine Freude am Projekt: „Früher waren Häuser und Paläste so eingerichtet, dass sie die Interaktion mit der Kunst ermöglichten, um sich von ihr bezaubern und inspirieren zu lassen. In AURA werden Werke der angesehenen Künstler Alicja Biała und Oskar Zięta zu sehen sein. Ich glaube, dass große, herausragende Architektur auch Kunst ist.“
Begehrter Wohntraum AURA
Eine eigene Website für Interessenten, die gern in die unkonventionelle, für Polen bislang wohl einzigartige AURA Anlage einziehen möchten, gibt’s bereits. Und was die Bilder zeigen, verspricht eleganten Wohnkomfort vom Feinsten. Grundrisse und Details zu den insgesamt 55 Apartments unterschiedlicher Größe können eingesehen werden. Einige Einheiten tragen auch schon die Markierung „Verkauft“. Was die Kosten betrifft, wird auf der Website direkt jedoch nichts verraten. Dazu bedarf’s individueller Anfrage.
Dass der grüne Genuss nicht eben billig ausfallen wird, ist anzunehmen. Fix ist allerdings, dass Architekt Robert Konieczny mit AURA ein weiteres, preisverdächtig bemerkenswertes Bauwerk realisiert. Eine schöne, rundum grüne Wohnanlage, die aktuellen Bedürfnissen von Mensch und Umwelt gerecht wird, aber auch künftige im Blick behält.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Littlemoon Studio / Robert Konieczny, KWK Promes