Wo Victoria’s Secret gehütet wird
Crystal Martin Vietnam produziert die heiße Unterwäsche der Marke Victoria’s Secret. Dementsprechend sollten die neuen Büros auch nicht mit Reizen geizen. Das ist den Designern von D&P eindrucksvoll gelungen!
Es waren legendäre Modeschauen. Die bestbezahlten Models der Welt stolzierten einmal im Jahr über einen elendslangen Laufsteg. Bloß mit einem Hauch von Nichts bekleidet. Und mit dem Markenzeichen der weltweit angesehenen Brand „Victoria’s Secret“ ausstaffiert: Kitschigen Engelsflügeln. Allein, die Höhenflüge der berühmten Unterwäsche-Marke fanden in den vergangenen Jahren ein Ende.
Victoria’S Secret definiert sich neu
Die überteuerten Supermodelverträge mussten gekündigt werden. Das Ende der großen Catwalk-Shows. Hinter den Kulissen arbeitet man dem Vernehmen nach gerade daran, die Marke neu zu definieren. Und dazu gehört unter anderem eines: passende Büroräumlichkeiten.
Das Herz von Victoria’s Secret schlägt überraschender Weise allerdings nur von außen betrachtet in Los Angeles. Vielmehr ist die Crystal International Group, das zweitgrößte Textilunternehmen Hongkongs, der Nabel der Lingerie-Welt. Deren Tochterunternehmen Crystal Martin Vietnam (CMVN) wiederum ist dafür verantwortlich, dass die heiße Mode auch produziert wird.
Heißer Office-Stil ist gefragt
Seit 2012 betreibt CMVN eine Fabrik in der Industriezone Quang Chau in Bac Giang in Vietnam. Nun wurde die gesamte Betriebsstätte – in der auch noch andere berühmte Label wie Puma, H&M, Abercrombie & Fitch produziert werden – erneuert. Und dabei war es vor allem wichtig, die Büros auf Vordermann zu bringen …
Klar war: Was den Designstil betrifft, ließen sich die Designer von D&P Associates von CMVNs Hauptprodukt inspirieren. Der legendären Unterwäsche. Offiziell heißt das: „Wir wollten ein Büro in der Fabrik schaffen, das einem starken industriellen Designstil folgt, der von offensichtlichen femininen Akzenten begleitet wird.“
Kein ganz einfaches Unterfangen, galt es doch insgesamt 10.000 Quadratmeter so zu bespielen, dass sie nutzbar sind und dennoch optisch miteinander funktionieren. „Die erste Herausforderung, der wir bei diesem Projekt begegneten, war die Schwierigkeit der Raumplanung hinsichtlich der Orientierung“, so die Innenarchitekten.
LED-Projektionen zur Orientierung
Die Lösung bestand schließlich darin, mit verschiedenen Arten von Trennwänden zu spielen. Von hoch bis niedrig. Von transparent bis lichtdurchlässig. Mit unverwechselbaren Farben, die jedoch allesamt den Feng-Shui-Regeln entsprechen sollten.
„Außerdem haben wir mittels LED-Technologie die Namen der jeweiligen Abteilungen auf dem Boden verlegt“, heißt es in der offiziellen Pressemeldung. Diese Anordnung soll den Menschen, die hier arbeiten, dabei helfen, sich jederzeit leicht zurechtzufinden. Vor allem aber bietet sie gleichzeitig einen visuellen Reiz, dem der Blick gerne folgt.
Um die begrenzte Deckenhöhe des ursprünglichen Fabrikgebäudes zu überbrücken, entschied man sich zudem für eine offene Deckengestaltung. Ein im industriellen Design häufiger Kunstgriff, der aber stets den gleichen Effekt hat: die Räumlichkeiten wirken sogleich offener und luftiger.
Optische Kunstgriffe als bauliches Victoria’s Secret
Heißt: Betonsäulen, Balken und Lüftungsrohre wurden freigelegt und dunkelgrau gestrichen. Auf diese Weise wurde zusätzlich Tiefe geschaffen und dem Raum ein Gefühl von einer zusätzlichen Portion Offenheit verliehen.
Die Designer ergänzen: „Aufgrund der großen Bodenfläche und der ständigen Bewegung von Menschen und Maschinen in der Fabrik haben wir uns zudem für einen Vinylboden aus Betonimitat entschieden. Er hilft dabei, Lärm und Wartungsarbeiten zu begrenzen, der Abnutzung standzuhalten und die erforderlichen rutschhemmenden Eigenschaften zu bieten.“ Gleichzeitig bliebe so das Aussehen eines traditionellen Betonbodens in der Fabrik erhalten.
Um CMVN von anderen typischen Büros im Industriestil abzuheben, etablierten die Profis geschwungene Trennwände und einzigartige, runde Pendelleuchten. Die hellen Pastellfarben für Möbel und Dekoration verfolgen freilich den Anspruch, die weichen, weiblichen Eigenschaften des Kernprodukts des Eigentümers hervorzuheben. Und gleichzeitig einen perfekten Kontrast zu dem starken männlichen Design und der neutralen Farbgebung des Industriestils zu schaffen.
Echtes Grün für mehr Wohlbefinden
Um zum körperlichen Wohlbefinden der Mitarbeiter beizutragen und ihnen das Gefühl zu geben, willkommen zu sein, setzten die Star-Designer auf zusätzliche natürliche Elemente. „Wir haben echt begrünte Wände im Empfangs- und Pausenbereich integriert. Darüber hinaus sollte die Verwendung von Glastrennwänden das Gefühl von offenen Räumen und natürlichem Lichteinfall optimieren“, wird betont. Insbesondere habe man die ursprünglichen Fenster des großen Sitzungssaals in raumhohe Fenster umgewandelt.
So ergibt sich ein Panoramablick auf eben diese umliegenden Grünflächen. Zudem wird der gesamte Raum so mit natürlichem Licht durchflutet. Die Decke des großen Sitzungssaals ist außerdem mit einer intelligenten Barrisol-Leuchte ausgestattet. Diese passt ihre jeweilige Lichttemperatur an die Tageszeit und die Dosis des natürlich einfallenden Lichts an. „Diese hochwertige Lichtquelle schafft eine konstant großartige Atmosphäre für alle Anwesenden“, heißt es.
Höhenflüge, ganz ohne Engelsflügel?
Fazit der ganzen Sache: Wenn die Unterwäsche von Victoria’s Secret in Zukunft ähnlich hochwertig ist, wie das Büro, dem sie entspringt, dann braucht es auch in Zukunft keine superteuren Models, die der Marke mit kitschigen Flügeln Auftrieb geben sollen. Dann fliegt die Brand ganz von alleine.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Hiroyuki Oki