Wo die Maya wieder aufleben
Wer im Dschungel bauen will, sollte sich seiner Verantwortung für die Umwelt besonders bewusst sein. Wie man sowohl mit Geschichte als auch Ressourcen sensibel umgeht, beweisen nun die Architekten des Kan Tulum in Mexiko.
Vor ziemlich genau zehn Jahren erlangte der steinalte Maya-Kalender Jahrtausende nach dem Ende der mexikanischen Hochkultur überraschende Aktualität: Er endete nämlich im Jahr 2012. Daraus leiteten Esoteriker, Weltverschwörer und Star-Regisseure das mögliche Ende der Welt ab. Wir wissen: Da hat man sich ganz offensichtlich geirrt. Aber: Die Symbolik der Maya rückte in den Fokus – und das intensive Zusammenleben mit Mutter Erde.
Kan als Symbol für eine Vision
Eben an dieses wollen die Architekten Sam Gordon und Alejandro Dumas ganz bewusst erinnern, wenn sie ihr gerade fertiggestelltes Projekt im mexikanischen Tulum „Kan Tulum“ taufen. Das Kan-Symbol ist eben dem berühmten Kalender entlehnt. Es steht für das innere Feuer. Es meint alle Arten von Wachstum – menschliche Evolution, Selbstwachstum, spirituelle Entwicklung. Zudem steht es für Sonne, Zeit, Wissen, Verführung und Weisheit.
Damit wollen die zwei Architekten auf Anhieb postulieren, was ihnen bei der Konzeption des Kan Tulum Hideways inmitten des mexikanischen Dschungels besonders wichtig war: der Umgang mit der Natur, mit Mutter Erde, also. Sie sagen: „Die Entwicklung von Immobilien in einem Dschungel bringt eine große Verantwortung mit sich. Wir versuchten also, die Gebäude in die natürliche Umgebung bestmöglich zu integrieren, ohne diese wirklich zu beeinflussen.“
Kan Tulum: Nest der Nachhaltigkeit
Aber worum ging es bei Kan Tulum genau? Die Auftraggebergesellschaft SkyRun Vacation wollte ein Dschungel-Ressort mit 42 Einheiten im Baumhausstil erschaffen, das Luxus und Nachhaltigkeit in noch nie dagewesenem Ausmaß kombinieren sollte. Gordon und Dumas sagen dazu: „Das erklärte Ziel war es, zu beweisen, dass wir als Menschen im Einklang mit der Natur und der Umwelt leben und gleichzeitig alle Luxuserwartungen an High-End-Residenzen oder Hotels übertreffen können.“
Um dies auch wirklich erreichen zu können, galt es freilich von Beginn an alle Eventualitäten bestmöglich zu evaluieren und jede noch so kleine ökologische Möglichkeit auszuschöpfen. Deshalb begann man noch vor der Planung damit, das zur Verfügung stehende Gelände exakt zu kartieren. Jeder Baum wurde erfasst, um schlussendlich Filetstückchen zu destillieren, die über eine besonders geringe Baumdichte verfügten.
Die Vermessung des Dschungels
Diese wurden dann genau vermessen, um auf ihnen schließlich die einzelnen Objekte zu planen. Sinn der Sache: So wenig Bestand abholzen zu müssen, wie nur möglich. Doch selbst wenn man nur geringe Flächen in einem sensiblen Gebiet wie dem Dschungel verbaut, hat das größere Auswirkungen auf die Umgebung, als man vielleicht glauben möchte, betonen die Architekten.
Wasser, Marsch!
„Durch Fundamente werden die Abflussmuster von Regenwasser verändert“, wissen sie. Das kann großräumige Folgen haben. Daher entschied man sich, die Objekte von Kan Tulum erst gar nicht auf klassischen Fundamenten zu errichten. Stattdessen nutzte man das Know-how von Stelzenbauten, wie man sie eher an Küsten kennt, um die Baumhaustürme über dem Erdboden schweben zu lassen. Eine statische Meisterleistung, zumal man nicht auf besonders stabile Baumaterialien zurückgreifen konnte – sondern vorwiegend auf Holz aus der Region. Wie etwa Bambus!
Gerade was dieses eher weiche Material betrifft, bediente man sich einerseits einer alten Flechttechnik der Maya – und andererseits modernster Baumethoden. Die beiden Verantwortlichen beschreiben die Sache in ihrer Projektbeschreibung so: „Um die Außenhaut von Kan möglichst stabil errichten zu können, wurden die einzelnen Bambusverstrebungen nach alter Tradition miteinander verwoben. Um aber gleichzeitig die Tageslicht-Durchflutung und Querlüftungen zu optimieren, um die Innenraumtemperatur auf natürliche Art zu senken, bedienten wir uns einer biologischen thermischen Barriere.“
Grünzeug als Moskitoschutz
Das bedeutet konkret: Es wurden eigene Rankenpflanzen gesetzt, die an der Bambushaut emporklettern. Dies sorgt einerseits für eine natürliche Optik, gleichzeitig aber eben für eine stets um einige Grad kühlere Innen- als Außentemperatur. Zudem wirkt das dichte Blattwerk wie ein Moskitonetz.
Negative CO2-Bilanz
Doch diese Maßnahmen reichten den Architekten nicht aus, um ihr Ziel der Nachhaltigkeit als erreicht anzusehen. Vielmehr wollte man Kan am Ende mit einem negativen CO2-Fußabdruck versehen haben. Das gelang schließlich durch die Integration eines zentrales Energiesystems, das man eigens für Kan Tulum entwickelte.
„Bei diesem wird ein hoher Prozentsatz der Klimaanlagen durch mehr als 140 Photovoltaik-Zellen betrieben“, erklären die Designer. Und sie rechnen vor: Durch diese ausgeklügelte Technik werden jedes Jahr mehr als 80 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entnommen. Zitat: „Daraus ergib sich ein negativer Emissionseffekt, der weit über die Auswirkungen unserer Immobilien hinausgeht!“
Die kompromisslos natürliche Herangehensweise der Architekten hat die Auftraggeber von Kan jedenfalls begeistert. Weitere 18 Einheiten sollen nächstes Jahr in ähnlichem Stil errichtet werden. Außerdem eine unterirdische Weinhöhle, ein Amphitheater und ein Fitnessstudio. Seit wenigen Wochen können die im Baumhausstil erbauten Unterkünfte bezogen werden. Wer noch etwas Spielgeld übrig hat: Die kleinste Wohneinheit kostet 187.000 Euro. Doch der Großteil der errichteten Suiten ist so oder so pro Nacht buchbar. Und zwar 👉hier.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Kan Tulum