Thomas G. Winkler
#greenbuilding

„Wir Developer sind wie die Bienen“

Kaum eine andere Branche war im vergangenen Jahr 2024 dermaßen von Verwerfungen, Turbulenzen und Insolvenzen gebeutelt wie die Immobilienbranche. Die UBM geht mit relativer Stärke ins nächste Jahr. Ein Gespräch mit CEO Thomas G. Winkler über Hintergründe und Zukunftsaussichten.

Seit 15 Jahren gab es nicht mehr so viele Insolvenzen in Österreich wie 2024. Vor allem die Immobilienbranche hat es hart getroffen. Was ist Ihr Resümee des vergangenen Jahres?

Thomas G. Winkler: 2024 hätte für die UBM schlechter laufen können. Es hat eine Reihe von Traditionsunternehmen in Österreich erwischt, allen voran KTM. Andere mussten gerettet werden, wie der Feuerwehrauto-Hersteller Rosenbauer.
 
Die Immobilienbranche befindet sich in einer existenziellen Krise – sowohl in Österreich als auch in Deutschland, unseren beiden Hauptmärkten. Die UBM hat daher 2024 eine klare Priorität gesetzt: Liquidität vor Profitabilität. Und wir schließen 2024 voraussichtlich mit einem Jahres-Höchst beim Cash, der auch klar über dem Jahresende 2023 liegen wird.
 

Mitte 2025 wird nun die KIM-Verordnung kippen, das sorgte für Jubelmeldungen in der Branche. Was sind Ihrer Einschätzung nach die Konsequenzen daraus?
 

Thomas G. Winkler: Die KIM-Verordnung war retrospektiv die falsche Maßnahme zum falschen Zeitpunkt. Ich fürchte, dasselbe trifft nun auf die erhöhte Eigenkapitalunterlegung bei Gewerbekrediten zu. Sie hilft nicht bei zu locker vergebenen Immobilienkrediten der Vergangenheit und bestraft Kreditvergaben für in der Zukunft benötigte Projekte. Eine Transformation in Europa – vom Ziel der CO2-Neutralität von Gebäuden in 2050 rede ich gar nicht – wird ohne die Immobilienbranche nicht stattfinden. Sie wird durch die genannten Maßnahmen aber eher behindert
 

Makroökonomische und geopolitische Einflüsse können wir nicht steuern, müssen uns danach richten. Welche Aspekte haben wir selbst in der Hand, um die Negativspirale abzufangen, um eine positive Marktentwicklung anzustoßen?
 

Thomas G. Winkler: Wir haben die Projektrechnung selbst in der Hand. Projekte rechnen sich nur, wenn die Ankaufkosten/Grundstückspreise massiv sinken und auch die Bau- und Baunebenkosten heruntergehen. Hier sind die Schlagworte: Standardisierung, Modularisierung und Vereinfachung. Beim letzten Punkt brauchen wir für größere Schritte allerdings die Hilfe des Gesetzgebers. Wir brauchen „mehr Milei“ auch bei den Bauvorschriften. Für uns heißt Standardisierung Holzbau, und die Modularisierung hat mit den Badezimmern im LeopoldQuartier begonnen.

LeopoldQuartier
Mit dem LeopoldQuartier errichtet die UBM aktuell Europas erstes Stadtquartier in Holz-Hybrid-Bauweise.

Die UBM hat sich in den vergangenen Jahren als einer der führenden Holzbauer Europas positioniert. Ist die Welt schon reif für den Holzbau oder überwiegen noch immer Ressentiments?

Thomas G. Winkler: Die Welt ist reif, eigentlich überreif, für den Holzbau. Dort, wo es möglich ist, Zement und Stahl durch Holz zu ersetzen, ist es der größte Hebel zur CO2-Einsparung bei der Errichtung von Gebäuden. Der ästhetische Zugewinn bewirkt, dass ein Großteil der namhaften Stararchitekten heute bei Wettbewerben in den Holzbau gehen. Ressentiments bestehen vielleicht weniger als Unwissenheit. Deshalb beantworten wir Fragen wie „Brennt Holz nicht leichter?“ oder „Schimmelt Holz nicht gleich?“ in einer eigenen Holzfibel mit dem herrlichen Titel „Was Sie schon immer über Holzbau wissen wollten“. Es besteht kein Zweifel: Holz ist der Baustoff des 21. Jahrhunderts.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Vorteile des Holzbaus?

Thomas G. Winkler: In beliebiger Reihenfolge die fünf wichtigsten Vorteile:

  • schneller
  • nachhaltiger
  • leichter
  • ästhetischer
  • weniger arbeitsintensiv

Zeit kostet Geld – in Form von Zinsen. Weniger Baustelle und mehr Fabrik hilft der Qualität, ist eine Antwort auf den Fachkräftemangel und beschränkt die Belastungen, die jede Baustelle für Anrainer und Umwelt darstellt. Ein Kubikmeter Holz speichert eine Tonne CO2. Ein Kubikmeter Beton setzt rund 600 bis 800 Kilogramm CO2 frei. Urbane Nachverdichtung ist ohne Holzbauweise schwer vorstellbar.

Mit Trump, dem Ukrainekrieg und Putin scheint es, als würden Themen wie Umweltschutz, Klimaschutz und ESG plötzlich auf das Abstellgleis gestellt. Wie sehen Sie das?

Thomas G. Winkler: Glauben wir ernsthaft, als Gesellschaft unseren Planeten einfach aufgeben zu können? Außerdem ist Umwelt- und Klimaschutz eine riesige Geschäftschance. Was sich ändern wird, weil es sich ändern muss, sind die Dinge, die weit über das Ziel hinausschießen. Das heißt: mehr CO2-Bepreisung, weniger Lieferkettengesetze bzw. mehr Markt, weniger Bürokratie. Umweltschutz ist vital, weil er sich rechnet und nicht, weil er vorgeschrieben wird. Deshalb wurden die Finanzströme auch, aus meiner Sicht irreversibel, in Richtung Nachhaltigkeit umgelenkt.

Wo werden wir, die Branche von heute in einem oder in zwei Jahren stehen? Wie ist Ihre Prognose?

Thomas G. Winkler:Survive in 2025“ und, auch wenn es sich nicht reimt, „Benefit in 2026“. Die Branche befindet sich in einem gigantischen Umbruch. Leider mussten wir uns an einen Meteoriteneinschlag und nicht an eine kommende Eiszeit adaptieren. Die Kollateralschäden sind fast so groß wie die Verunsicherung. Aber am Ende braucht eine Gesellschaft mit wachsenden Großstädten und höherer Produktivität mehr Wohnraum und attraktivere Büro- sowie Labor- und Werkstattflächen. Diese entstehen aber nur, wenn sie die Development-Branche weiterhin zur Verfügung stellt. Ein bisschen ist es wie mit den Bienen: Ohne Bienen keine Bestäubung, ohne Bestäubung kein funktionierendes Ökosystem. Und davon wollen wir wohl alle nicht ausgehen …

Interview: Johannes Stühlinger
Fotos: Squarebytes & Philipp Horak

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