Zementfabrik wird Freizeit-Paradies
Am Flussufer der Millionenstadt Shanghai läuft eine famose Verwandlung: Der Masterplan des Büros MVRDV macht das Gelände einer Zementfabrik mittels erhaltender Umnutzung des Bestands zum einladend bunten „Gate M West Bund Dream Center“ Freizeit- und Kulturviertel.
Was könnte schöner sein, als sich am Wasser vom Großstadt-Trubel zu erholen? Wie sehr derlei die Lebensqualität hebt, hat etwa die Umgestaltung des Kopenhagener Hafenbeckens zum begehrten Freizeit-Treff eindrucksvoll bewiesen. Inzwischen bemüht man sich auch in China darum, bislang industriell genutzte Ufer zu Genusszonen zu machen. Zum Beispiel mit diesen spannenden Projekten: Das Erfolgsbüro MVRDV macht nicht nur eine Öl-Raffinerie in Hangzhou zum nachhaltigen Freizeit-Paradies. Die niederländischen Architekten verwandeln auch das Gelände einer Zementfabrik in Shanghai ins bunte, umweltfreundliche „Gate M West Bund Dream Center“.
Asiatisches Tempo
Verglichen mit manch ähnlichem Projekt in Europa – wie etwa Henning Larsens schönem Plan für die Belfast Waterfront – geht die Umsetzung großer Vorhaben in China erstaunlich rasch voran. Die Arbeiten fürs „Gate M West Bund Dream Center“ auf dem 34.000 Quadratmeter großen Grundstück am Ufer des Huangpu-Flusses laufen bereits. Das Ziel des Auftraggebers Hua Zhi Men Capital: Das Areal der früheren Zementfabrik soll zur attraktiven Freizeitanlage mit Einzelhandel, Kultur und Gastgewerbe werden.
MVRDVs Masterplan erfüllt den Auftrag auf zukunftsweisend kreative Art: Die bestehende Ansammlung von Gebäuden verschiedener Stile und Epochen wird umgestaltet. Vorhandenes wird genutzt. Derzeit beherbergt das Gelände zwei sehr unterschiedliche Komplexe: Eine Handvoll großer, aus der Vergangenheit als Zementfabrik stammender Industriebauten. Und einen Bereich dazwischen, in dem sich unvollendete Bauten aus früheren Renovierungen befinden.
Wunderwerk West Bund Dream Center
Das Architektenteam verwandelt diesen Flickenteppich stillgelegter und unvollständiger Gebäude geschickt in ein zusammenhängendes Ganzes. Und zwar mit einem auf die Bewegung der Menschen ausgerichteten Konzept: Ein Netz von leuchtend orangefarbenen Wegen, Treppen, Rampen und Brücken schafft die Basis für lebendige Atmosphäre.
Südlich des Stadtzentrums von Shanghai gelegen, setzt der Plan des „Gate M West Bund Dream Center“ die Reihe kultureller Projekte fort, die rund um den Fluss am Shanghaier West Bund entstehen.
Alle bestehenden Strukturen werden beibehalten. Bei der Renovierung jüngerer Teile wird behutsam vorgegangen, um möglichst viel des vorhandenen Materials zu nützen und so die CO2-Emissionen der Umgestaltung zu minimieren. Die älteren Trakte werden stärker in den Vordergrund gerückt, um das industrielle Erbe und den Kontrast zwischen Alt und Neu hervorzuheben. Viele der Industriebauten werden zu Kulturräumen, während die neueren Gebäude vor allem für Hotels, Restaurants, Cafés und Geschäfte vorgesehen sind.
Dieses Projekt zeigt, wie viel Wert jede Stadt in ihren bestehenden Strukturen hat, die reif dafür sind, neu erschlossen zu werden.
MVRDV-Gründungspartner Jacob van Rijs
In Anlehnung an die Geschichte dieser Uferzone hat MVRDV Bewegung zum zentralen Prinzip des Entwurfs erhoben. Immerhin war das Gebiet des neuen „Gate M West Bund Dream Center“ früher auf Rohstoff-Transport für die Zementproduktion ausgerichtet. Künftig soll es indes – nicht minder effizient – seinen Besuchern erholsam angenehme Bewegungsfreiheit verschaffen.
Das Gelände ist um wichtige Achsen herum organisiert, die die primären öffentlichen Bereiche bilden. Die wichtigste davon ist ein zentrales Rückgrat, das den Hauptweg von einem Ende des „West Bund Dream Center“ zum anderen bildet.
Viel Angebot auf vielen Ebenen
Bestimmendes Element des Masterplans ist allerdings die Nutzung der verschiedenen Ebenen: Neu gestaltete Dächer, eine Reihe erhöhter Terrassen am Flussufer und ein Netzwerk aus Treppen und Aufzügen ergeben eine dreidimensionale Promenade. Und diese zieht sich – unübersehbar in fröhlichem Orange gehalten – durchs gesamte Gelände.
„Dieses Projekt ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Zeit zwischen der Realisierung eines Gebäudes und seiner Renovierung immer kürzer zu werden scheint“, betont MVRDV-Gründungspartner Jacob van Rijs. Früher habe man nur kulturell bedeutsame Gebäude aus früheren Epochen umgebaut. Beim „Gate M West Bund Dream Center“ jedoch „gestalten wir nicht nur das industrielle Erbe des 20. Jahrhunderts um, sondern auch unvollendete Gebäude aus den letzten Jahren“, schildert der Architekt. Und fügt hinzu: „Das zeigt, wie viel Wert jede Stadt in ihren bestehenden Strukturen hat, die reif dafür sind, von Designern erschlossen zu werden.“
Im Rahmen des Masterplans werden Schmidt Hammer Lassen Architects und das in Shanghai ansässige Architekturbüro Atelier Deshaus den architektonischen Entwurf für die Gebäude in der nördlichen Hälfte des Areals liefern.
Lagerhalle als modernes Herzstück
MVRDV selbst designt, was sich im südlichen Bereich befindet. Und damit auch das zentrale Bauwerk des neuen „Gate M West Bund Dream Center“ Viertels: Ein ehemaliges Lagerhaus, das als „The Dream Center Hall“ firmiert und zum Highlight werden soll. Vor seiner Umwandlung war dieses Gebäude eine imposante, aber skelettartige Struktur. Eine, die aus kaum mehr als zwei Wänden aus Betonrahmen und einem ausgedehnten Stahlbalkendach bestand.
Mit einer minimalistischen Glasfüllung, die das rohe ursprüngliche Gebilde hervorhebt, verwandelt das MVRDV Team dieses Hauptgebäude in ein kombiniertes Freizeit- und Kulturziel. In den unteren Stockwerken wird es Einzelhandel, Cafés und Restaurants beherbergen. In seiner obersten Etage hingegen ist ein großer Ausstellungs- und Veranstaltungsraum geplant, der den voluminösen, stützenfreien Raum optimal nutzt. Und im Zwischengeschoss, das zum Fluss hin ausgerichtet ist, verspricht ein Restaurant mit Außenterrasse famosen Blick über die Stadt.
Mehrdimensionale Genusswelt
Die Lobby der Dream Center Hall ist Teilstück des zentralen Rückgrats des Masterplans. Dieser durchschneidet das mit interessanten Innentreppen versehene Bauwerk von einer Seite zur anderen. Besonders auffälliges Merkmal des Entwurfs: Die in Orange gehaltene und mit ebenso gefärbtem Glas verkleidete Außentreppe, die entlang einer Seite des Gebäudes nach oben führt. Durch Anpassung einer bestehenden Förderbandstruktur geschaffen, verbindet sie sich mit der dreidimensionalen Promenade. Und vernetzt so Plattformen mit Sitzgelegenheiten, Pop-up-Ausstellungen und Läden sowie ein Café auf einem Treppenabsatz.
Für erholsam schönes Grün im „Gate M West Bund Dream Center“ sorgt Field Operation Landschaftsplaner und Gründungspartner James Corner. Ein Fertigstellungsdatum wird noch nicht genannt. Bewohnern der dichten Millionenstadt Shanghai, die zu den größten der Welt zählt, wird das neue Freizeitangebot am Wasser dann allerdings wohl Freude machen.
