Zwischen Dort und Nirgendwo stand einst eine Klinik mit einer Tankstelle und einem kleinen Laden. Nun aber schmiegt sich ein außergewöhnlicher Wüsten-Spa aus Stahl und Stein an die tiefroten Sanddünen des Emirats Sharjah, ziemlich genau 60 Minuten außerhalb von Dubai.

Es heißt, allein die Autofahrt dorthin würde für Entspannung sorgen. Falls man sich nach Einöde und Einsamkeit sehnt. Denn kaum ist man aus Dubai raus, gibt’s bloß noch Sand. Dünen. Sand. Dünen. Und: Sand. Wie von einer scharfen Klinge wird diese Monotonie bloß von der holprig asphaltierten Straße durchschnitten. Doch wer diese apokalyptische Mondlandschaft eine gute Stunde lang ertragen kann – und über das nötige Kleingeld verfügt – der darf sich auf einen Wellness-Urlaub der Sonderklasse freuen.

Wüste ohne Wiederkehr

Denn ziemlich genau 60 Minuten außerhalb Dubais liegt nicht etwa die arabische Version eines gruseligen „Hotel California“, sondern vielmehr die exklusive Al Faya Lodge. Ein Luxus-Spa, in dem man schon nach wenigen Stunden gar nicht mehr auschecken mag, wie die Gästebewertungen im Internet verraten.

Aber bevor wir uns der luxuriösen Jetzt-Situation widmen, werfen wir einen Blick in die nur wenige Monate zurückliegende und eher triste Vergangenheit: Es ist Mittag. Die Sonne knallt wie jeden Tag vom Himmel und Jonathan Ashmore, Gründer des Architektur-Studios Anarchitect, inspiziert erstmals den Bauplatz seines neuen Projekts.

Moment der Entscheidung

Glasscherben umrahmen die Rußspuren einer improvisierten Feuerstelle. Nebenan ragt eine alte BP-Zapfsäule verrostet und schief aus dem Wüstensand, zeigt stumm auf alte Gebäudestrukturen. Die verfallenen Mauern eines Lebensmittelladens und einer verlassenen Klinik ragen auf der einen Seite empor, auf der anderen die einer längst verlassenen Tankstelle samt Parkplatz. Es ist jener Moment, in dem Jonathan Ashmore schlagartig klar wird, was er hier in der Wüste bauen würde: Alles, nur kein – wie ursprünglich gedacht – nigelnagelneues Luxushotel.

Wellness in der weiten Wüste
Große Glasfronten, Cortenstahl und Stein – die Al Faya Lodge duckt sich charmant in die Wüste der Vereinigten Arabischen Emirate.

Vielmehr war Ashmore von jenem Tag an wild entschlossen, in die zukünftige Luxus-Herberge eben jene alten Gebäudereste so gut wie möglich zu integrieren. „Viele Leute hätten sie freilich einfach dem Erdboden gleichgemacht“, erinnert er sich. Für ihn jedoch bot dieser Ort genau jene Basis, die er für sein persönliches Konzept der „Al Faya Lodge“ benötigte: „Diese Elemente ermöglichten überhaupt erst dieses Gefühl, das die Lodge heute vermittelt“, sagt er. Und weiter: „Das Gefühl, die Wüste betreten zu haben.“

Neue Wege in der Wüste

Wie er diesen Satz nun genau meint, kann man vermutlich nur verstehen, wenn man sich selbst ein Bild gemacht hat. Was aber Fakt ist: Seine Herangehensweise ist gerade in den Vereinigten Arabischen Emiraten ungewöhnlich. Das betont auch Khawla Al Hashimi vom Unternehmen „Shurooqs Hotels“, der Auftraggeber-Firma des Projekts. „Hier in den Emiraten ist man es gewohnt, alles gleich abzureißen und dann wieder Neues zu bauen“, sagt sie.

Al Faya Lodge hingegen soll als Vorbild für andere ähnliche Vorhaben dienen. Hierbei soll nicht nur demonstriert werden, dass man alte Substanzen wiederverwenden kann, sondern, dass dies auch zum Vorteil gereicht. Sofern man es eben richtig macht, wie Al Hashimi betont: „Dann kann man einem Projekt durch das, was es einmal war, echte Tiefe verleihen. Das Neue mit dem Alten bereichern.“

Wellness in der weiten Wüste

Wellness in der weiten Wüste

Und hier hat man offenbar alles richtig gemacht: Kaum war das kleine Hotel mit seinem Salzwasser-Spa inmitten der tiefroten Wüste fertig, stand es auch schon bei den internationalen Architektur-Awards auf den Nominierungslisten. Etwa bei den renommierten AHEAD Middle East and Africa Awards 2019. Die Art und Weise wie man aus alten Steinen ein modernes Luxus-Hotel zauberte, wurde international gewürdigt.

Wahre Wellness-Oase

Inzwischen ist es aber vor allem die betuchte Gästeschar, die diesem Hideaway, das den Titel Wellness-Oase nicht nur ob seiner Lage wirklich verdient, Blumen streut. Es sei ein Ort, an dem man binnen Minuten auf sich selbst fokussiert wäre, heißt es etwa. Am Fuße des Mount Alvaah schmiegt sich das Gebäude jedenfalls überraschend unaufgeregt in die Dünenlandschaft.

Es bietet einer illustren Runde, die nicht mehr als fünf Schlafzimmer benötigt Platz. Wobei nur die ganze Lodge und nicht bloß einzelne Räume gemietet werden können. Diese sind dafür alle äußerst luxuriös ausgestattet und mit einer gläsernen Oberlicht-Luke versehen, um selbst aus dem Bett einen uneingeschränkten Blick in den Sternenhimmel zu ermöglichen. Wem das nicht reicht, der kann sich übrigens einfach auf sein Zimmerdach flüchten. Jedes ist individuell begehbar und als kleine Dachterrasse adaptiert.

Cortenstahl

Cortenstahl

Cortenstahl

Cortenstahl

Neben der eigentlichen Lodge wurde ein weiteres Gebäude errichtet, in dem nun ein Salzwasser-Freibad sowie unterschiedliche Salz-Spa-Erlebnisse auf den Wüsten-Touristen warten.

Die Wüste als hartes Pflaster

Doch all diese, für die Gäste offensichtlichen, Dinge waren, rückblickend betrachtet, für das Architekten- und Projektteam die einfachsten Übungen. Als weit komplexer entpuppte es sich, die Natur in Schach zu halten. Jonathan Ashmore: „Die Wüstenbedingungen stellen hier im Sommer mit extremer Hitze sowie intensiver und lang anhaltender Sonneneinstrahlung eine echte Herausforderung dar.“

In einer Wüste wie dieser ist ein Bauwerk im Laufe des Jahres zudem nicht nur dem Sonnenlicht, sondern allen Elementen ausgesetzt. Schlagregen. Sandstürme. Und niedrige Temperaturen in der Nacht vereinfachen die Sache freilich nicht.

Die Wüstenbedingungen stellen hier im Sommer mit extremer Hitze sowie intensiver und lang anhaltender Sonneneinstrahlung eine echte Herausforderung darf.

Jonathan Ashmore, Architekt

Eben deshalb legte man von Anfang an ein besonderes Augenmerk auf die Wahl der richtigen Materialien. Und so setzte man schlussendlich auf massive Stein- oder Betonkonstruktionen. Diese bilden eine schwere thermische Masse, die dabei hilft, mit den extremen Temperaturschwankungen fertigzuwerden.

Zaubermittel Cortenstahl

Für die Oberflächen wählte man hingegen vorwiegend Cortenstahl. Außerdem kamen robustes Hartholz und Aluminium zum Einsatz, um dem Design zusätzlich Raffinesse und Präzision zu verleihen. „Das war vor allem für die überhängenden Dächer, die Beschattungselemente und über das Niveau des Sandes erhobene Terrassendecks notwendig“, wie Ashmore betont.

Wellness in der weiten Wüste
Für den Salz-Spa wurde ein komplett neues Gebäude errichtet. Aber auch dieses wurde mit Cortenstahl-Elementen ausstaffiert.

Sein liebster Werkstoff aber ist hier in der Wüste der bereits erwähnte Cortenstahl. Dieses Material funktioniere besonders in der Wüste gut, sagt er. „Weil es den Extremen nicht nur standhält, sondern mit ihnen interagiert.“ Wenn es etwa durch die Stürme mit Salzwasser vom Meer in Berührung kommt, beginnt es zu rosten und bildet so eine schützende Haut vor anderen Einflüssen. Wind und Staub verändern zusätzlich seine Farbe und generieren unzählige Rot-, Orange- und Brauntöne.

Künstliches wird zu Natürlichem

Eben diese subtilen Veränderungen im Farbton sind schlussendlich dafür verantwortlich, dass sich die Al Faya Lodge derart sanft in ihre sandige Umgebung bettet. „Dieser Stahl ist ein von Menschenhand geschaffenes Material, das durch die Natur sehr natürlich wird“, ist Ashmore sichtlich stolz auf sein Konzept. Er meint gar: „Die Al Faya Lodge ist wahrscheinlich mein bisher vollständigstes Projekt, bei dem wir alle Aspekte des Designs umgesetzt haben.“ Jedenfalls aber ist es ein Objekt, das man hier in der Einöde der Wüste nicht erwarten würde.

Und eines, das uns alle daran erinnern darf, ab und an einfach bloß zu tun und nicht zu viel zu denken. Denn wie sagt Jonathan Ashmore so gerne: „Hätte ich mehr darüber nachgedacht, hätte ich die Al Faya Lodge nie gebaut“. Aber wenn er heute darüber spricht, spürt man: Dieser Mann weiß, dass er damals vor den verlassenen Ruinen der alten Gebäude die richtige Entscheidung getroffen hat.

Text: Johannes Stühlinger
Bild: Fernando Guerra

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