Weleda Logistikzentrum, Schwäbisch Gmünd, Stampflehm, Holzbau, Michelgroup, Weleda Cradle Campus
#greenbuilding

Industriebau trifft Klimaschutz

Dass sich ein Industriebau keiner metallisch-nüchternen Zweckmäßigkeit verschreiben muss, zeigt das neue Weleda Logistikzentrum. Der Bau aus Stampflehm und Holz legt die Latte in Sachen Nachhaltigkeit hoch. Auf Rekordhöhe.

Seinen Namen verdankt der schweizerisch-deutsche Naturkosmetik- und Arzneimittelkonzern der germanischen Seherin Veleda. Er ist ein Hinweis auf den übersinnlichen Touch der anthroposophischen Medizin, auf denen die Produkte von Weleda basieren. Das Unternehmen wurde 1921 unter Mitwirkung des Waldorf-Pädagogen Rudolf Steiner gegründet und entwickelte sich von einem Nischensegment zu einem der Marktführer bei zertifizierter Naturkosmetik in Europa. 

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Das vollautomatische Hochregallager des neuen Weleda Logistikzentrums in Schwäbisch Gmünd besteht durchwegs aus heimischen Hölzern.

In Zahlen heißt das: 2023 erzielte das Unternehmen einen Jahresumsatz von über 420 Millionen Euro. Von den insgesamt knapp 2.500 Menschen, die Weleda weltweit beschäftigt, sind rund 1.000 am größten Standort in Schwäbisch Gmünd, einer malerischen Kleinstadt im Osten Baden-Württembergs, angesiedelt. 

Hochregallager aus Fichtenholz

Um die Logistik der deutschen Niederlassung effizienter und nachhaltiger zu gestalten, entschied man sich vor einigen Jahren für einen neuen Standort im Industriegebiet Gügling Nord. Seit kurzem ist der Weleda Cradle Campus, wie sich die Anlage nennt, in vollem Betrieb. Neben einem Verwaltungssitz und einem Funktionsgebäude umfasst der Campus auch ein vollautomatisches Hochregallager für 17.200 Paletten. 

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Anstatt der üblichen Stahlgerüste, wie man sie etwa vom Versandriesen Amazon kennt, türmen sich hier Regale aus Holz, 30 Meter hoch, so weit das Auge reicht. Rund 5.800 Kubikmeter an heimischen Hölzern, darunter Fichte und Weißtanne, wurden verbaut. Das macht nicht nur einen enormen olfaktorischen Unterschied – das Holz verströmt in so hoher Dichte einen intensiven Geruch –, sondern schlägt auch bei den vermiedenen Emissionen ordentlich zu Buche. 

Vom Aushub zur Stampflehmwand

Während Stahl bei der Herstellung eine Menge CO2 in die Atmosphäre bläst, speichert das Holz CO2 in Form von Kohlenstoff, das die Bäume beim Wachsen der Atmosphäre entziehen. Man muss kein Experte sein, um das Potenzial zur Dekarbonisierung zur erkennen, das der Holzbau in der Industriearchitektur birgt. Dass das Logistikzentrum zudem von Stampflehmwänden eingefasst wird, reduziert den ökologischen Fußabdruck des Gebäudes auf ein Minimum.

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Die Stampflehmwände wurden aus dem Aushub der Baugrube gefertigt.

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Für ein Projekt von dieser Art und Größenordnung war die Lehmbauweise bislang nicht erprobt.

Die Basis der acht Meter hohen Lehmwände bildete nämlich der Aushub der Baugrube, der vor Ort mit einer lokalen Gesteinskörnung versehen wurde. Um zur richtigen Mischung zu gelangen, waren zahlreiche Versuche nötig. Obwohl die Lehmbauweise seit Jahrtausenden auf der ganzen Welt im Einsatz ist, war sie für das Architekturbüro Michelgroup aus Ulm Neuland und außerdem für ein Projekt von dieser Art und Größenordnung nicht erprobt. 

Wie übertragen wir eine Technik, die sonst eher bei archäologischen Restaurationen oder im privaten Wohnungsbau zum Einsatz kommt, auf eine Industrie-Großbaustelle? All das war Neuland und erforderte Pioniergeist.

Nico Santuario, Architekt

„Zu Beginn hatten wir viele Fragen“, berichtet Architekt Nico Santuario, der mit seiner Kollegin Tina Bauer für das Bauvorhaben verantwortlich ist. „Mit welchen Handwerkern setzen wir den Lehmbau um? Wie kommen wir an das nötige Material? Und wie übertragen wir eine Technik, die sonst eher im Rahmen von archäologischen Restaurationen üblich ist oder im privaten Wohnungsbau zum Einsatz kommt, auf eine Industrie-Großbaustelle? All das war Neuland und erforderte Pioniergeist.“

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Über eine Brücke ist das Logistikzentrum mit dem Verwaltungsgebäude verbunden.

Größter Stampflehmbau Deutschlands

Das Interesse an einer der größten Lehmbaustellen Europas war enorm. Zahlreiche freiwillige Helferinnen und Helfer aus dem In- und Ausland arbeiteten mit und verhalfen diesem Pionierprojekt in einem gemeinsamen Kraftakt zum Erfolg. Mit einer Größe von 82 mal 38 Meter handelt es sich laut Weleda um den größten zusammenhängenden Stampflehmbau Deutschlands.

Kennt man Logistik-Bauten sonst eher als fensterlose Blechkisten, ist das hier ein Ort, an dem man wirklich gerne arbeiten möchte.

Tina Müller, CEO von Weleda

Lehm ist nicht nur das Paradebeispiel eines kreislauffähigen Baustoffs, es sorgt auch für einen natürlichen Ausgleich von Temperatur und Feuchtigkeit. Auch wenn man aus Sicherheitsgründen Platz für eine Lüftungsanlage eingeplant hat, will man ganz ohne Klimaanlage und Heizung auskommen. Trotz der streng geregelten Lagerung von Arzneimitteln hat man sich auf dieses Experiment eingelassen. 

Ein Ort für Menschen

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) belohnte das wagemutige Projekt mit einem Vorzertifikat in Platin, dem Oscar unter den Nachhaltigkeitsbescheinigungen. Und auch sonst wurde das Logistikzentrum vielfach prämiert. Nicht zuletzt, weil man hier nicht nur einen Ort für Waren, sondern auch einen Ort für Menschen geschaffen hat. 

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Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) belohnte das wagemutige Projekt mit einem Vorzertifikat in Platin.

„Kennt man Logistik-Bauten sonst eher als fensterlose Blechkisten, ist das hier ein Ort, an dem man wirklich gerne arbeiten möchte. Mir hat es besonders die hohe Fensterfront mit Blick auf die Schwäbische Alb angetan“, verrät Tina Müller, CEO von Weleda und eine der erfolgreichsten Managerinnen Deutschlands. 

Abgesehen von der nachhaltigen Errichtung des Weleda Cradle Campus setzt man auch bei der Gebäudeversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbare Energieträger, nämlich Erdwärme und Solarstrom. Dass sich die Investitionskosten von rund 90 Millionen Euro rentieren, davon ist Müller überzeugt: „Der Logistik-Campus ist für Weleda eine große Investition. Etwa 20-30 Prozent höhere Baukosten veranschlagte das nach hohen Nachhaltigkeitsstandards konzipierte Gebäude gegenüber konventionellen Logistikgebäuden. Eine Investition, die sich nach 20 Jahren amortisiert.“

Nachhaltigkeit und Wachstum sind also kein Widerspruch, wenn man langfristig plant und für die Zukunft baut.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Michelgroup/Marco Licht, Holzbau Amann, Kaufmann Bausysteme, ZRS Architekten Ingenieure, Elias Hassos

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