Co-Housing neu gedacht
Drei Tonnen Salat und Gemüse pro Jahr sollen am Dach des Holzbau-Projektes We-House in der Hamburger HafenCity angebaut werden. In der Kantine des ausgeklügelten Öko-Hauses können die Mieter zum Selbstkostenpreis essen.
Die Kinder kommen nach der Schule heim und bekommen im hauseigenen Restaurant ein Bio-Essen serviert, das regionaler nicht geht. Das Gemüse stammt nämlich aus dem eigenen hydroponischen Gewächshaus am Dach. Auch die berufstätigen Eltern können sich nach der Arbeit an den gedeckten Tisch setzen, ohne selbst den Kochlöffel zu schwingen. Das spart Energie, Verpackungsmüll und Transportwege. Über eine eigens entwickelte App lassen sich Elektroautos, Gästeapartments und der Besuch in der Sauna buchen.
Ein vorbildlicher ökologischer Fußabdruck
Das We-House entsteht im Hamburger Quartier Baakenhafen, im Entwicklungsgebiet der HafenCity. Es wird in Holzbauweise mit begrünter Fassade, karbonisierter Holzschalung und Photovoltaikanlage errichtet. Allerdings beschränkt sich das Konzept des nachhaltigen Bauens nicht auf den Einsatz von ökologischen Materialien und erneuerbaren Energien. Vielmehr will das Haus die Gemeinschaft stärken und jedem künftigen Bewohner einen vorbildlichen ökologischen Fußabdruck mitliefern.
In konkreten Zahlen heißt das: zwei globale Hektar (gha) pro Nase. Diese Einheit bezeichnet die biologisch produktive Fläche, die notwendig ist, um den Lebensstandard eines Menschen dauerhaft zu ermöglichen. In Deutschland liegt er derzeit durchschnittlich bei 5,3 gha, was das weltweit angepeilte Ziel von 1,6 gha pro Erdenbürger weit verfehlt.
Wohnmodell der Zukunft
Die Archy Nova Projektentwicklung hat mit dem We-House ein Wohnmodell geschaffen, das Lösungsansätze für zahlreiche Probleme unserer Zeit liefern soll. „Wir leben in einer Welt, in der Mieten und Immobilienpreise explodieren. In der die Vereinsamung steigt, und der Verbrauch von Ressourcen zunimmt. In der Gesundes immer noch viel teurer ist, als bedenkliche Produkte“, heißt es im Leitbild von We-House.
Es ist Zeit zu zeigen, dass etwas Neues möglich ist, indem wir die guten Ideen zusammenbringen, die unsere Lebensqualität tatsächlich verbessern.
Archy Nova, Projektentwickler
Gegen all diese negativen Trends möchte die „Marke für Co-Housing des 21. Jahrhunderts“ angehen und baut dabei auf drei Säulen: einem gemeinschaftlichen Angebot, einem innovativen Baukonzept und ganzheitlichem Kreislauf-Denken. „Es ist Zeit zu zeigen, dass etwas Neues möglich ist“, verspricht der Entwickler, „indem wir die guten Ideen zusammenbringen, die unsere Lebensqualität tatsächlich verbessern.“
80 Prozent weniger Primärenergie
Der preisgekrönte Entwurf des Öko-Hauses stammt von Eble Messerschmidt Partner Architekten aus Tübingen. Die eingesetzten emissionsarmen Baustoffe wie Holz sorgen dafür, dass rund 80 Prozent des Primärenergieverbrauchs eingespart werden können. Die verbauten Materialien lassen sich am Ende ihres Lebenszyklus vollständig recyceln.
Für den Fall, dass sich der Wohnbedarf eines We-House-Eigentümers ändert, so kann er in eine andere Wohnung innerhalb des Hauses oder in ein anderes We-House umziehen. „Das ermöglicht unser gemeinschaftliches Eigentumsmodell, das völlig neue Freiheiten eröffnet“, wie es heißt. Das Projekt ist derzeit an fünf Standorten in Deutschland geplant, und soll weiter ausgerollt werden.
Niedrige Betriebskosten
Ein ausgeklügeltes Energie- und Stoffflusskonzept nutzt vorhandene und im Betrieb entstehende Ressourcen. Die Bewässerung des Gewächshauses beispielsweise erfolgt durch aufbereitetes Grau- und Rückspülwasser. Der Warmwasserbedarf des Hauses wird zu 100 Prozent aus Abwärme und Solarstrom gedeckt.
Strom- und Wasserzähler werden überflüssig, da „die Wasserkreisläufe und das Energiekonzept Strom, Wasser und Wärme so günstig machen“, wie die Projektverantwortlichen versichern. Das We-House wirbt mit dauerhaft niedrigen Betriebskosten und nur halb so hohen Versicherungsgebühren, da die Bauweise Rohrleitungsschäden nahezu ausschließe.
Es scheint, als hätte man in dieser makellosen Wohnwelt an wirklich alles gedacht. Wo die Expertise fehlte, haben sich die Entwickler Input von außen geholt, unter anderem bei Bio-Köchen, Dachgärtnern und Umwelt-Professoren.
Text: Gertraud Gerst
Visualisierung: Moka Studio, Hamburg