Futuristischer Badetempel
Kengo Kuma beschert dem Kopenhagener Hafenviertel eine neue Attraktion. Das Water Culture House auf der einstigen Papierinsel ist ein Badehaus für Jung und Alt, das das Zeug zur Architekturikone hat.
Auf Papirøen wurden früher riesige Rollen Papier von Frachtschiffen angeliefert und in großen Hallen gelagert. Aus dieser Zeit hat die Papierinsel in Kopenhagen ihren Namen. Bis vor einigen Jahren war sie allerdings besser bekannt als Streetfood-Mekka, nachdem in die einstigen Lagerhallen die besten Fressbuden der Stadt eingezogen waren. Daneben gab es ein buntes Programm an Ausstellungen, Konzerten und Flohmärkten. Eine Zwischennutzung, die das in Kopenhagen ansässige Architekturbüro Cobe im Rahmen des Masterplans vorgesehen hatte. Papirøen war so erfolgreich, dass sie zur viertgrößten Sehenswürdigkeit der dänischen Hauptstadt avancierte.
Urbanes Wohnzimmer am Wasser
Mittlerweile sind die Buden umgesiedelt und die baufälligen Hallen abgerissen. Stattdessen erheben sich hier nun die Umrisse der neuen Paper Island. Vorlage für die Gestaltung lieferten den Architekten von Cobe die historischen Warehouses von Holmen und Christianshavn. Ihr ausgegebenes Ziel für das neue Inselquartier: ein städtisches Wohnzimmer am Wasser.
Neben schicken Eigentumswohnungen soll es hier auch sozialen Wohnbau und ein Hotel geben. Der öffentliche Raum wird abwechslungsreich und grün gestaltet und soll allen Kopenhagenern zur Naherholung dienen. „Kleine Nischen und Pocket Parks, hölzerne Piers für Boote, eine breite Hafenpromenade und ein öffentliches Schwimmbad schaffen eine Kapazität für tausende Menschen, die diesen urbanen Wohnraum am Hafen genießen können“, so die Architekten über den Masterplan.
Baustart für das Water Culture House
Für dieses öffentliche Schwimmbad, einen weiteren Baustein im Masterplan, wurde nun die Baugenehmigung erteilt. Dieser futuristische Badetempel stammt aus der Feder des japanischen Architekturbüros Kengo Kuma, das den Wettbewerb für sich entscheiden konnte. Unterstützt werden sie vor Ort von den Architekturbüros Cornelius Vöge und Vilhelm Lauritzen sowie dem Ingenieurbüro Søren Jensen.
Unser Fokus beim Design liegt darin, eine Erfahrung zu kreieren und kein Objekt, das für sich allein steht.
Yuki Ikeguchi, Architekt bei Kengo Kuma and Associates
Die pyramidenartigen Kubaturen des Water Culture House lehnen sich an den Masterplan von Cobe an und ordnen sich harmonisch ins Gesamtgefüge ein. Doch es wäre nicht Kengo Kuma, hätte der Entwurf nicht eine unübersehbare Eigenständigkeit.
Ein Reload für den Backstein
Kumas Markenzeichen, sich an lokalen Handwerkstraditionen zu orientieren, stößt hier auf fruchtbaren Boden. Der in Dänemark traditionell eingesetzte Backstein findet sich in Kopenhagen ganz selbstverständlich in der zeitgenössischen Architektur wieder. Hier, auf der neu erbauten Paper Island, wurde er zum Baustoff Nummer eins erhoben.
In unserem Entwurf erkunden wir das Potential, das die kleinstrukturierte Textur des Backsteins in der großen Dimension der Architektur haben kann.
Yuki Ikeguchi, Architekt bei Kengo Kuma and Associates
Die Architekten des Büros Kengo Kuma haben der Ästhetik dieses traditionellen Baustoffes ein Reload verpasst. Durch den Wechsel von Backsteinen und Durchbrüchen schaffen sie eine perforierte, lichtdurchlässige Außenhaut, die einer fein gewebten Textilie ähnelt. „In unserem Entwurf erkunden wir das Potential, das die kleinstrukturierte Textur des Backsteins in der großen Dimension der Architektur haben kann“, heißt es in einem Statement des leitenden Architekten Yuki Ikeguchi.
„Seine kleinen Einheiten erlauben es uns, mit Muster und Tektonik zu spielen und so ein Lichtspiel zu erzeugen, das sich auf der Wasseroberfläche spiegelt.“ In der kalten und dunklen Jahreszeit fungiert die Fassade auch umgekehrt als Filter: Das Licht im Inneren des Bades dringt als warmer, diffuser Schein nach außen.
Die aufgelöste Hafenkante
Das rundum verglaste Erdgeschoss des 5.000 Quadratmeter großen Gebäudes erlaubt Badegästen eine weite Sicht auf das Wasser und den Hafen. „In unserem Design haben wir versucht, die Kante zwischen Wasser und festem Boden aufzuweichen und die Grenze verschwimmen zu lassen“, so Ikeguchi. Dies gelingt, indem die Holzdecks und Infinity-Becken im Außenbereich kaskadenartig zum Wasser hin abfallen. Man weiß nicht: Wo hört das Bad auf, wo fängt das Hafengewässer an?
Die pyramidenartigen Kubaturen, die von außen sichtbar sind, treffen im Inneren auf ihr komplementäres Gegenstück. „Die konisch geformten Dächer entsprechen der Aufteilung der Pools im Erdgeschoss“, heißt es über das Spiel von Positiv und Negativ. Durch das Tageslicht, das von oben auf die Schwimmbecken fällt, werden sie dramatisch in Szene gesetzt.
Allein die Architektur des Gebäudes macht es zu einem Erlebnisbad, ohne dass es dafür Looping-Rutschen braucht. „Unser Fokus beim Design liegt darin, eine Erfahrung zu kreieren und kein Objekt, das für sich allein steht. Landschaft, Kunst und Architektur werden durch das Wasser definiert und geeint.“
Damit könnte das Water Culture House nicht nur zur Freizeit-Attraktion, sondern auch zur neuen Architekturikone der Hafenstadt werden.
Text : Gertraud Gerst
Visualisierungen: Luxigon, Kengo Kuma and Associates