Peter Haimerl: Wabenhaus, München
#wohnen

Wer nicht wabt, der nicht gewinnt

Im Osten Münchens steht das Wabenhaus – ein Haus aus sechseckigen Wohneinheiten. Inspiriert von der Bauweise der Bienen hat der deutsche Architekt Peter Haimerl ein Wohnbauprojekt ins Leben gerufen, das als wegweisendes Beispiel die Zukunft des urbanen Bauens werden könnte.

Hexagonales Wohnen – das klingt fast ein bisschen nach Science-Fiction und ist tatsächlich noch weit davon entfernt, im Mainstream anzukommen. Aber wenn man sich von der Masse aus Neubauten abheben möchte, muss man eben manchmal um die Ecke denken. Oder, wie in diesem Fall, mit Ecken denken. Gelungen ist das einem, der die deutsche Neubaulandschaft folgendermaßen beschreibt: „Das ist die Kulisse unseres Alltags, eine Collage aus den immer gleichen Elementen. Ein trauriger, urbaner Loop aus Einfallslosigkeit und Langeweile.“

München, Wabenhaus, Entwurf Peter Haimerl
Erste Visualisierung des Wabenhaus-Entwurfs in München.

Mit seiner klaren Haltung plädiert der deutsche Architekt Peter Haimerl für unkonventionelle Lösungen. Bei seinem Vorschlag – Wohnen im Sechseck nach dem Vorbild der Bienenwaben – hat Haimerl buchstäblich außerhalb der Box gedacht. Das Wabenhaus, das laut eigenen Angaben das einzige seiner Art auf der ganzen Welt sein soll, zieht alle Augen auf sich und setzt seit der Fertigstellung vor etwas mehr als einem Jahr futuristische Akzente im Münchner Bezirk Trudering-Riem.

Waben-WG

In seinen Grundzügen besteht das Wabenhaus aus 17 übereinander gelagerten, sechseckigen Röhren. Das bringt einige Vorteile für die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses mit sich. Die hexagonalen Tunnel bilden 30 Cluster-Wohnungen in verschiedeneren Ausprägungen.  Von Zwei-, Drei- und Vier-Zimmer-Wohnungen bis hin zu einer Groß-WG ist dank der innovativen Bauweise alles möglich. Zudem kann der Raum dadurch optimal genutzt werden können, da sich aus den zusätzlichen Ecken eine maximale Raumbreite von sechs Metern in jedem der Cluster ergibt. Darüber hinaus sorgt die Wabenform dafür, dass natürliches Licht besser in die Räume gelangen kann.

Peter Haimerl: Wabenhaus, München
Sechseckige Tunnel bilden 30 Cluster-Wohnungen.

Wohnbereich Wabenhaus, Peter Haimerl
Die Wabenform sorgt für Helligkeit in den Räumen.

Und auch der nachbarschaftliche Gedanke soll bei dem Wohnprojekt nicht zu kurz kommen. Haimerl betrachtet das Wohnhaus als große Wohngemeinschaft. Während die ineinandergreifenden Räume das Gemeinschaftsgefühl fördern sollen, gibt es auch eigene Gemeinschaftsräume sowie eine Gemeinschaftsdachterrasse, die in die Planung integriert wurden.

Schräges Wohnen

Um den Erfolg des Wabenwohnens zu testen, wurde der Prototyp in München noch in klassischer Massivbauweise aus Sichtbeton konstruiert, während mögliche Nachfolgermodelle aus nachhaltigen Materialien wie Holz hergestellt werden sollen. Bezogen wurden die Wabenwohnungen bereits mit einer Grundausstattung an Möblierung, da sich diese aufgrund der Schrägen als komplizierter als in herkömmlichen Räumen herausstellte. Hier würde sogar der bestausgestattete schwedische Möbelriese an seine Grenzen geraten, weshalb dahingehend im Vorhinein Abhilfe geschaffen wurde. Weitere auf die Waben zugeschnittene Möbelstücke finden die Bewohner dann in einem eigens erstellten Katalog.

Wabenhaus, München
Wohnungen und einzelne Räume sind aufgrund der Bauweise nur über Treppen zu erreichen.

Eine zentrale Treppe führt im Inneren zu den Wohnungen. Da auch dort einzelne Räume nur über Stufen erreicht werden können, ist das Haus gänzlich nicht barrierefrei. Um dafür einen Ausgleich zu schaffen, wurden deshalb 15 weitere rollstuhltaugliche Apartments im dazugehörigen „Gartenhaus“ untergebracht. Über eine gemeinsame Brücke werden die Gebäude miteinander verbunden.

Erfolgsverdächtig

Noch vor Ende der Bauarbeiten im Jahr 2022 konnten alle Wohneinheiten des Wabenhauses vergeben werden. Für Haimerl ein deutlicher Beweis, dass definitiv Bedarf an alternativen Wohnformen besteht.

Innenraum Wabenhaus
Alle Wohneinheiten wurden vor Fertigstellung vergeben.

Wohnraum Münchener Wabenhaus
Von Zwei-Zimmer-Wohnungen bis zur Groß-WG ist hier alles möglich.

Und noch mehr deutet darauf hin, dass hexagonales Wohnen künftig eine größere Rolle spielen könnte. Ähnliche Ideen liefert beispielsweise auch das Projekt „Redefining Kapuzinerstraße“ in Linz, das mit dem oberösterreichischen Nachwuchspreis für innovatives Wohnen 2023 gekürt wurde und ebenfalls auf ein sechseckiges Modulsystem baut. Auch Gianluca Santosuosso hat sich im Projekt „The Hive“ vom Bienenstock als Wohnmodell inspirieren lassen. Umgesetzt wurden beide jedoch bislang nicht. Bleibt die Frage, wie lange das Wabenhaus von Peter Haimerl seinen Ruf als das einzige seiner Art verteidigen kann.

Text: Rabea Scheger
Bilder: Edward Beierle, Peter Haimerl

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