Telosa
#stadtplanung

Von der Kunst eine Stadt zu erschaffen

Wenn es nach dem US-Milliardär Marc Lore geht, werden schon bald fünf Millionen Menschen in einer neuen Stadt namens Telosa wohnen, die beweist, dass man nachhaltig leben kann. Und, dass Eigentum wenig Rolle spielt. Als Partner an seiner Seite: der visionäre Architekt Bjarke Ingels von BIG.

Vielleicht ist es tatsächlich so, dass Menschen mit richtig viel Geld glauben, zu wissen, wie die Welt besser wäre. Manche versuchen dies auch in die Tat umzusetzen. Denken wir nur kurz an Elon Musk mit seiner Elektroauto-Vision Tesla. Oder an Richard Branson, der mit dem Hyperloop ebenso revolutionäre Transportideen verfolgt.

Telosa als Beispiel für die perfekte Stadt

US-Milliardär Marc Lore jedoch denkt nicht daran, die Welt direkt zu verändern. Vielmehr möchte er mit einem Beispiel beweisen, was denn alles möglich ist. Und so langfristig ein globales Umdenken erzeugen. Auf den Punkt gebracht: Der Mann will 500 Milliarden Dollar in die Hand nehmen, um in der amerikanischen Wüste eine künstliche Stadt namens Telosa hochzuziehen. Hier soll das Zusammenleben neu definiert werden. Und zwar aus gesellschaftlicher und aus nachhaltiger Sicht.

Telosa
Auf 150.000 Hektar Wüstenland soll die künstliche Stadt Telosa erwachsen.

Und das fängt schon bei der Basis, dem Grundstück auf dem Telosa errichtet werden soll, an. Marc Lores Vision zufolge, sollen im ersten Schritt 150.000 Hektar im Westen der Vereinigten Staaten erworben werden. Die sollen dann sofort in eine Gemeinschaftsstiftung eingebracht werden. Seine wohlwollende Idee dahinter: Durch die logische Weiterentwicklung der Stadt würde aus einem billigen Wüstengelände ein wertvolles Areal entstehen. Und an dieser Wertsteigerung sollen alle Bewohner beteiligt sein. Sprich: Wer sich hier ansiedelt, setzt nicht nur auf eine Vision, sondern auch auf eine Art Aktie, die er selbst mitgestalten kann.

Wüstenland als heiße Aktie

Lore beschreibt seinen Zugang auf der Telosa-Website, indem er auf bereits Geschehenes referenziert: „Es gibt nur eine begrenzte Menge an Land. Und ein Großteil dieses Landes wurde schon vor Generationen beansprucht. Gemeinden wurden gegründet. Steuergelder wurden für Investitionen in das Land verwendet. Und so stieg der Wert des Landes im Laufe der Zeit, ohne dass die Landbesitzer etwas produzierten oder ein Risiko eingehen mussten.“

Jeder soll einen Teil vom Kuchen haben

Allein, von dieser Wertsteigerung haben die Menschen dieser Städte meist nur indirekt etwas. Das soll sich mit seinem Gemeinschaftsmodell ändern. „Dieses Land könnte sich von einem öden Stück Wüste in eine moderne Stadt verwandeln, die Milliarden oder sogar Billionen wert sein wird“, fährt er also fort. „Davon soll jeder Bewohner etwas haben!“

Telosa
In 40 Jahren sollen fünf Millionen Menschen die Wüstenstadt Telosa bevölkern. Und zu einem besseren Ort machen.

Seiner Vision zufolge, soll Telosa binnen 40 Jahren auf fünf Millionen Einwohner anwachsen. Schon bis 2030 wollen die Organisatoren – Lore hat ein Komitee von 50 Experten zusammengestellt – eine Stadt für 50.000 Menschen schaffen. Und die „nachhaltigste Stadt der Welt“, wie er sagt.  „Von der globalen Erwärmung bis hin zu Wasser und Energie – ich habe mich gefragt: Wie können wir es für künftige Generationen besser machen? Und welche Technologien und andere Innovationen in Politik und Design können wir in die Stadt integrieren?“

Alles neu!

Diese Fragen seien seiner Meinung nach nicht in bestehenden Strukturen zu beantworten. „Das geht nur, wenn man ein System von Grund auf neu erschafft“, ist der erfolgreiche E-Commerce-Unternehmer überzeugt. „Stellen Sie sich vor, was mit nachhaltigen Baumaterialien, autonomen Fahrzeugen, Elektroflugzeugen und dem unterirdischen Transport von Materialien möglich ist“, sagt er. Und gibt damit zumindest ansatzweise einen Einblick in seine Überlegungen.

Star-Architekt Bjarke Ingels und der amerikanische …

… Milliardäre Marc Lore wollen die Welt verbessern.

Um diese aus seinem Kopf in die Realität zu übersetzen, hat sich Marc Lore auch schon einen kongenialen Partner geangelt: Bjarke Ingels. Jener Architekt, der aktuell wohl mit seiner BIG als erfolgreichster Mann seiner Zunft zu bezeichnen ist. Und der schon seit einiger Zeit selbst an einem Masterplan für den gesamten Planeten arbeitet. Mit diesem möchte er „beweisen, dass eine nachhaltige, menschliche Präsenz auf dem Planeten Erde mit den vorhandenen Technologien möglich ist“.

Erste Ideen für Telosa

Und Ingels hat auch schon ein paar Ideen präsentiert, wie Telosa zu dem werden kann, was sich Lore so vorstellt. So soll im Zentrum der Stadt ein großer Aussichtsturm mit dem Namen Equitism errichtet werden. „Der Equitism-Turm erhebt sich aus dem üppigen zentralen Park von Telosa und ist ein Leuchtturm für die Stadt“, sagt Ingels. Außerdem sollen über die Stadt verteilt Areale geschaffen werden, die Besucher und Bewohner zusammenbringen und leicht miteinander in Kontakt treten lassen. Photovoltaik-Dächer würden Standard sein und aeroponische Farmen würden in Kombination mit modernen Wasserspeichern selbst in der Wüste eine Form von Agrikultur ermöglichen.

Tatsächlich aber wird wohl das Thema der Wasserversorgung das größte Hindernis für die Zukunft von Telosa werden. Gerade der Westen der USA leidet schon heute unter Wassermangel. Und der Klimawandel wird die Situation im Laufe der Zeit wohl eher noch verschärfen. Lore sagt jedoch entschlossen: „Die Lösung des Wasserproblems erfordert Innovation, Geld, politische Entschlossenheit und öffentliche Unterstützung.“ Punkt.

Sind künstliche Städte zum Scheitern verurteilt?

Doch genau an solchen „Details“ drohen derartige Projekte leicht zu scheitern. Das zeigt jedenfalls die Vergangenheit. Denn die Geschichte der Tech-Utopien schreit nicht gerade nach Erfolg. Google etwa hat versucht, ein datengesteuertes Projekt namens Sidewalk in Toronto zu entwickeln.

Dieses sah die Installation von Sensoren in jedem Haus vor, um die Temperatur zu regulieren und so den Energieverbrauch zu minimieren. Zudem sollten Kameras in Kombination von künstlicher Intelligenz den Verkehr analysieren und regeln. Fazit: Der Plan wurde von der Stadt wegen Datenschutzbedenken abgelehnt.

Las Vegas als lost Place

Auch der verstorbene CEO von Zappos, Tony Hsieh, wollte 350 Millionen Dollar investieren, um die Innenstadt von Las Vegas wiederzubeleben. Sein Plan: Eine Hochburg des Co-Learnings und des Coworkings zu etablieren. Trotz des anfänglichen Hypes ist es nicht gelungen, die Innenstadt, die immer noch hauptsächlich aus Casinos und veralteten Regierungsgebäuden besteht, zu verändern.

An die Vorstellung, dass irgendjemand in der Lage ist, unsere Probleme außerhalb eines politischen Kontextes zu lösen, glaube ich nicht.

Mark Giliem, Professor für Stadtplanung an der University of Oregon

Hinzu kommt, dass sich schon seit dem 19. Jahrhundert Forscher mit utopischen Städten befassen. Sie sind bist dato stets zu dem Schluss gekommen, dass Wirtschaftsmodelle von oben nach unten nicht funktionieren. Das sagt Mark Giliem, Professor für Stadtplanung an der University of Oregon. Städte, so Giliem, entwickeln sich organisch als Reaktion auf Millionen von Faktoren.

Eine naive Idee?

Der emeritierte Professor für Soziologie am Hamilton College in Clinton, New York, hält Lores Idee für naiv. „An die Vorstellung, dass irgendjemand in der Lage ist, unsere Probleme außerhalb eines politischen Kontextes zu lösen, glaube ich nicht“, sagt er. Und weiter: „Aber Reichtum gibt den Menschen oft eine Plattform. Sie sind klug, selbstbewusst und erfolgreich. Sie glauben, dass es möglich ist, die Welt zu retten.“

Aber selbst wenn Giliem mit seiner Einschätzung richtig liegen mag, muss man eines festhalten: Marc Lore hilft uns allen dabei, den Glauben an eine bessere, gesündere Welt nicht zu verlieren. Egal, ob seine Stadt nun Realität wird, oder ein Luftschloss bleibt.

Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Bjarke Ingels Group

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