Voisthalerhütte, Diether Wissounig Architekten, Österreichischer Alpenverein
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Alpines Architektur-Highlight

Die neue Voisthalerhütte am Hochschwab ist ein konstruktiver Holzbau mit ökologischem und architektonischem Anspruch. Die energieautarke Schutzhütte von Dietger Wissounig Architekten erhielt das Umweltgütesiegel und den BIG SEE Architecture Award 2023.

Schutzhütten gibt es in den Alpen vermutlich schon seit der Mensch Tierherden hält. Sie bieten Schutz vor Unwettern im unwegsamen Gebirge, fernab der Zivilisation. Mit der touristischen Erschließung der Berge und der Mainstreamisierung des Alpinismus Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten bewirtschafteten Schutzhütten im hochalpinen Raum. Eine davon war die Voisthalerhütte am Hochschwab. Der Österreichische Alpenverein ließ sie am 10. Juli 1898 im Hochtal der Oberen Dullwitz in der Steiermark errichten. Am Kreuzungspunkt zwischen dem Nord-Süd- und dem Ost-West-Weitwanderweg diente sie als Orientierungspunkt und weithin sichtbare Landmarke.

Voisthalerhütte, Dietger Wissounig Architekten, Österreichischer Alpenverein
Die neue Voisthalerhütte ersetzt den alten Blockbau aus dem Jahr 1898.

Der Blockbau hatte im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Zu- und Umbauten erhalten. Zunehmende Wasserknappheit und gestiegene Umweltauflagen machten in den letzten Jahren klar, dass eine grundlegende Sanierung der Hütte unausweichlich war. Da es finanziell kaum einen Unterschied machte, entschied man sich 2017 für einen Neubau. Der Alpenverein schrieb einen Architekturwettbewerb aus und startete eine Spendenaktion, um das Projekt zu finanzieren.

Ressourcenschonender Holzbau

Die neue Voisthalerhütte nach dem prämierten Entwurf von Dietger Wissounig Architekten ist ein ressourcenschonender Holzbau in schlichter, kompakter Form. „Als Orientierungspunkt zwischen Hochschwab, Wetterkogel, Karlhochkogel und Fölzsattel ersetzt sie die bestehende Hütte und tritt als einfaches, klares Volumen im hochalpinen Gelände in Erscheinung“, so die formale Beschreibung der Architekten.

Panorama, Voisthalerhütte, Dietger Wissounig Architekten, Österreichischer Alpenverein

Als Orientierungspunkt zwischen Hochschwab, Wetterkogel, Karlhochkogel und Fölzsattel tritt die Voisthalerhütte als einfaches, klares Volumen im hochalpinen Gelände in Erscheinung.

Dietger Wissounig Architekten

Aufgrund der abgeschiedenen Lage musste man Baumaterialien, Maschinen und Fachleute mit dem Hubschrauber einfliegen, eine logistische Herausforderung. Als sinnvollste Bauform entschied man sich daher für eine Holzfertigteilbauweise, bei der die einzelnen Bauelemente bereits im Werk komplett vorgefertigt werden. Auf der Baustelle auf 1654 Metern Seehöhe wurden die Teile anschließend von einem Monatageteam zusammengesetzt.

Ein respektvolles Einfügen

Die Fassade besteht aus sägerauen, naturbelassenen Lärchenholzlatten, die den Baukörper in einer unregelmäßigen Deckleistenschalung überziehen. Mit zunehmender Verwitterung und Vergrauung der Holzoberfläche wird der monolithische Bau mit seiner felsigen Kulisse ringsum eine natürliche Einheit bilden. Dazu die Architekten: „Das Gebäude schreibt sich mit den Jahren in seine Umgebung ein – als Kultur- und Identitätsträger.“

Gastraum, Voisthalerhütte, Dietger Wissounig Architekten, Österreichischer Alpenverein
Die Panoramafenster im Gastraum holen die schroffe Bergkulisse nach innen.

Das schlichte, quaderförmige Volumen mit einem nach Süden hin orientierten Pultdach ist zum einen eine baukulturelle Referenz an die ursprüngliche und einfachste Typologie der Schutzhütte. Als funktionaler Unterstand besteht sie meist aus drei Holzwänden und einer leicht zur Rückseite hin geneigten Dachfläche.

Das Gebäude schreibt sich mit den Jahren in seine Umgebung ein – als Kultur- und Identitätsträger.

Dietger Wissounig Architekten

Zum anderen ergibt sich aus der schlichten Form ein günstiges Oberflächen-Volumen-Verhältnis, das für die Energieeffizienz von Gebäuden entscheidend ist. Außerdem strahlt sie eine gewisse Bescheidenheit aus sowie die Bereitschaft, sich mit Respekt in die imposante Berglandschaft einzufügen. 

Zum Greifen nah

So wie im Äußeren dominieren auch im Inneren die naturbelassenen Holzoberflächen und schaffen eine warme, behagliche Atmosphäre. Ein großer Vorteil der Brettsperrholzkonstruktion ist, dass die Wände der Innenräume bereits über eine fertige Oberfläche verfügen. Ein Verputzen oder Verspachteln ist nicht notwendig, ganz so wie im alten Blockbau der mittlerweile abgetragenen Hütte.

Gastraum, Voisthalerhütte, Dietger Wissounig Architekten, Österreichischer Alpenverein
Durch die sichtbaren Brettsperrholzoberflächen sind die Innenräume ganz in Holz gehalten.

Schlafraum, Voisthalerhütte, Dietger Wissounig Architekten, Österreichischer Alpenverein
Auf der Voisthalerhütte übernachtet man in Mehrbettzimmern oder im Schlaflager.

Statt kleiner Fenster, wie man sie vor hundert Jahren traditionell plante, ist nun der großformatige Panoramablick in die Hütte eingezogen. Hinter fast geschosshohen Fenstern im Gastraum erstreckt sich die spröde Pracht der Hochalpenlandschaft, als wären die zerklüfteten Felswände der umliegenden Gipfel zum Greifen nah.

Energie aus Sonne und Rapsöl

Nicht nur in der Bauweise, sondern auch im Betrieb ist die dreistöckige Hütte ein Beispiel für den achtsamen Umgang mit Ressourcen. Das bivalente Energiekonzept besteht aus Solarstrom, Pufferbatterien und einem rapsbeheizten Blockheizkraftwerk für den Fall, dass bei längeren Schlechtwetterperioden zu wenig Solarstrom erzeugt wird. 

Der Rapsölkraftstoff ist schnell biologisch abbaubar und trägt somit zum Schutz von Böden, Gewässern und Lebewesen im Alpenraum bei. Dieselaggregate, wie sie auf Hütten nach wie vor im Einsatz sind, sollen so nach und nach ersetzt werden.

Abend, Voisthalerhütte, Dietger Wissounig Architekten, Österreichischer Alpenverein
Die Voisthalerhütte bringt die Funktionen einer Schutzhütte mit dem Natur- und Landschaftsschutz in Einklang.

Die Wärme im Gebäude kommt von einer Pumpenwarmwasserheizung, die die Abwärme von Stromerzeugung, Küchenherd und Rauchrohr nutzt. Die Warmwasserleitungen sind als Zirkulationssystem angelegt, während das Abwasser aus Küche und Sanitäranlagen über eine Biokläranlage gereinigt wird. Damit ist die Voisthalerhütte auf dem neuesten Stand der Technik und kann die strengen Umweltauflagen erfüllen.

2022 wurde die Voisthalerhütte mit dem Umweltgütesiegel für Alpenvereinshütten ausgezeichnet. In der Sparte Tourismus-Architektur erhielt das Schutzhaus am Hochschwab den BIG SEE Award 2023. Er wird für herausragende Leistungen in den Bereichen Architektur, Interior Design, Holz und kreativer Tourismus in der südosteuropäischen Region verliehen.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: David Schreyer

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