Unterirdisch aber cool
Während die meisten Menschen große Büroflächen mit spektakulärem Ausblick bevorzugen, will ein brasilianischer Geschäftsmann genau das Gegenteil: Ein Studio unter der Erde.
Am Ende sind Büros oder Geschäftsflächen meist repräsentative Statussymbole, um potentielle Kunden zu beeindrucken. Oder um sie einzuschüchtern.
Mittel zum Zweck
Kurz gesagt: Es gibt gute Gründe, warum die Räumlichkeiten von Gastronomiebetrieben schon von vornherein so gebaut werden, dass man sie als möglichst gemütlich wahrnimmt und dementsprechend lang in ihnen verweilen möchte.
Genau so kann man sich auch überlegen, warum etwa die Besprechungsräume von Banken so aussehen, wie sie eben aussehen. Steril. Clean. Hell. Es heißt, der Kunde solle sich nicht zu sicher fühlen, damit immer klar ist, welche Seite hier das Sagen hat …
Jedenfalls aber neigen gerade Unternehmer dazu, ihre Büros möglichst groß mit möglichst viel Weitblick (am besten über den ersten Bezirk der Stadt in der sie residieren) zu bevölkern. Nicht so jener Geschäftsmann, der beim brasilianischen Architekten Igor Leal das so genannte „Versunkene Studio“ in Auftrag gegeben hat.
Versunkenes Studio
Dabei handelt es ich um ein 44 Quadratmeter großes Zimmerchen, das im Hinterhof eines Wohngebiets von Rio de Janeiro errichtet werden soll. Oder besser gesagt: Das im Untergrund eines Wohngebiets von Rio de Janeiro verbuddelt werden soll. Denn: Dieses ungewöhnliche Office ist tatsächlich als unterirdischer Raum konzipiert!
Unsichtbares Home Office
Bei der Planung des Objekt sei das Hauptziel gewesen, einen unsichtbaren Raum zu erschaffen, der weder die Fassade noch den Ausblick der bestehenden Wohnanlage beeinträchtigen würde, erklärt der Architekt selbst. Schließlich erwartete sich der Kunde ein „Home Office“ der besonderen Art. Eines, das er von zuhause in wenigen Schritten erreichen konnte, das er aber gleichzeitig von zuhause nicht sehen kann.
Eben aus diesem Grund wählte Architekt Leal den Weg in den Untergrund. Das hat freilich Vor- und Nachteile, jedenfalls aber war von vornherein klar, dass der Gartenboden samt Rasen als Dach dienen würde.
Boden als Dach
Dieser Logik folgt das Konzept dann jedoch weiter als man vermuten würde. Der Rasen erwächst nämlich zum von außen betrachtet dominierenden Bestandteil des versteckten Objekts. Das gelingt, in dem er an einer gekrümmten Seitenwand weiter bis zum Boden des Ateliers gezogen wird.
Gras zur Tarnung
Diese Maßnahme sieht nicht nur aus der Nähe gut aus, es hat auch einen architektonischen Hintergrund: Der so verlängerte Rasen sorgt vor allem dafür, dass man das versenkte Minihäuschen erst sieht, wenn man regelrecht davor steht. Der Architekt dazu: „Somit erscheint der Raum plötzlich, er kommt aus dem Nichts, wenn man sich annähert und verschwindet, sobald man sich entfernt.“
Die entstandene Fläche jedenfalls nutzt Igor Leal durch geschickte Arrangements perfekt aus.
So finden im Mini-Atelier neben einem kleinen Arbeitsraum mit einem Besprechungstisch auch noch ein Arbeitstisch für zwei Personen, eine Mikroküche samt Stauraum, eine Toilette sowie ein kleiner Aussenbereich Platz.
Die Innenwelt wird von Aluminium- und Glasrahmen umschlossen. Der Boden und die Decke sind mit Holz verkleidet, während die Wände aus groben Betonblöcken zusammengesetzt sind. Tipfelchen auf dem i: Sogar ein kleiner Öko-Kniff wurde integriert.
Ein Regenwasserauffangsystem sammelt Regenwasser und leitet es in einen Wasserspeicher, der die Toilette speist.
Lustiges Beruferaten
Bleibt eigentlich nur noch die Frage offen, welchem Beruf der Auftraggeber des „Versunkenen Studios“ wohl nachgeht. Diesen gibt Architekt Igor Leal zwar nicht preis, aber wir haben trotzdem vier Antwortmöglichkeiten auf Lager – Mini-Millionenshow, quasi:
A) Erfinder. Das Office ist unterirdisch, damit ihm keiner etwas wegschauen kann.
B) Tiefbauingenieur. Das Homeoffice sollte eben nahe dem Betätigungsfeld liegen.
C) Lichtdesigner. Es soll möglichst wenig Sonnenlicht bei der Arbeit stören.
D) Drehbuchautor. Nur in der Abgeschiedenheit kann man gute Geschichten schreiben.
Jedenfalls aber wünschen wir an dieser Stelle schon vor Baubeginn: Frohes Schaffen!
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Igor Leal