Vancouver Art Gallery
#architektur

Auf indigenen Spuren erbaut

Das Schweizer Studio Herzog & de Meuron hat seinen endgültigen Entwurf für die Neugestaltung der Vancouver Art Gallery enthüllt. Dort soll in Zukunft nicht nur Kunst zelebriert werden, es sollen auch Erinnerungen an fast vergessene Kulturen aufblühen.

Einst war es eine rustikale Sägewerksiedlung inmitten der Wildnis. Heute glänzt die Pazifik-Metropole Vancouver am Fuß der Coastal Mountains mit Wolkenkratzern und gehört zu den ethnisch vielfältigsten Städten der Welt. Vor allem Einwanderer aus England, China, Italien, der Ukraine, Indien, Vietnam, Kambodscha und den Philippinen fanden in den letzten Jahren in der Millionenstadt ihre neue Heimat. Ein Mosaik an Kulturen, so wird Vancouver deswegen oft liebevoll genannt. Geschickt werden hier Weltoffenheit und Tradition miteinander verbunden.

So bekommen Reisende viele Möglichkeiten, Traditionen und Kultur kanadischer Ureinwohner zu entdecken – und das inmitten der pulsierenden Großstadt. Egal ob bei einer Stadtbesichtigung, geführt von indigenen Guides oder einem Besuch in einer der zahlreichen Museen und Galerien.

Spirit alter Kulturen

Der Spirit fast vergessener Kulturen ist überall zu spüren. Eben auch in der Vancouver Art Gallery. Im Jahr 1931 gegründet, beherbergt diese über 11.000 Werke – darunter unzählige indigener Künstler. Und genau die sind es, die nun bei der Neugestaltung der Gallery dem Architekturstudio Herzog & de Meuron mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Ziel ist es, die Vancouver Art Gallery fit für die Zukunft zu machen. Funktionieren soll das, indem das Konzept des Gebäudes komplett umgekrempelt wird. Erste Pläne dafür lieferte das renommierte Schweizer Architekturbüro bereits 2014. Nun, einige Jahre später, lässt das Studio jedoch mit neuen, überarbeiteten Entwürfen aufhorchen.

So wird die neue Vancouver Art Gallery

Nachhaltiger, transparenter und im Einklang mit der Umgebung und der in der Galerie ausgestellten Werke soll es sein. Die neue Vancouver Art Gallery soll schließlich auf einem Grundstück gepflanzt werden, das ursprünglich im Besitz indigener Völker war.

Indigene Inputs

Umso wichtiger sei es laut Planern, deren Vorstellungen und kreative Ideen in den Gestaltungsprozess einfließen zu lassen. Gesagt, getan. Seit März 2019 tüfteln auch die indigenen Künstler Debra Sparrow, Chep Ximiya Siyam‘ Janice George, Skwetsimeltxw Willard ‚Buddy‘ Joseph und Angela George als Kunst- und Designberater an innovativen Gestaltungsmöglichkeiten.

Das neue Design der Gallery knüpft dabei freilich an das ursprüngliche Design von Herzog & de Meuron aus dem Jahr 2014 an. Dieses sah eine gestapelte Holzkonstruktion aus mehreren öffentlichen Ebenen vor. Das Gebäude soll dabei in Massivholzbauweise errichtet werden und einer Reihe symmetrisch gestapelter Kisten unterschiedlicher Größe ähneln.

Zwei Komponenten, ein Objekt

Die neue Kunsteinrichtung soll sich laut dem Planungsbüro einer niedrigen und hohen Komponente bedienen. Sprich: Das niedrige Gebäude soll den menschlichen Maßstab und das Straßenleben ansprechen, indem es öffentliche Sichtbarkeit innerhalb der vertikal dominierten Downtown-Halbinsel bietet.

Das hohe Objekt als eine aufrechte, symmetrische Figur gedacht, die es dank cleverer Anordnung der Sonne ermöglicht, das Hofniveau zu erreichen. Das gelingt, indem die Masse unten minimiert und in der Mitte maximiert wird. Das Ergebnis: Ein lichtdurchfluteter Innenhof.

Als absoluten Hingucker wird sich aber wohl die Außenhülle des Gebäudes entpuppen. Das Architekturbüro hat sich dabei für ein kupferfarbenes Metallgeflecht entschieden, das die hölzernen Untersichten und darunter liegenden Strukturelemente auf besonders verspielte Art und Weise bedeckt.

Wie verwobene Fasern

Horizontale Bänder aus perforiertem kupferfarbenem Metall wurden zudem mit geformten vertikalen Stäben verflochten, um einen ähnlichen Effekt wie beim Weben von Fasern zu erzielen. „Sowohl Holz als auch Kupfer sind gleichermaßen präsent und sichtbar“, sagt Simon Demeuse, Partner bei Herzog & de Meuron.

Baustoffe mit Geschichte

Die Wahl dieser beiden Baustoffe ist auf die Geschichte ihrer Verwendung zurückzuführen. So ist die Bezugnahme auf Kupfer in der Gestaltung der Fassade das Ergebnis eines Dialogs mit den indigenen Künstlern. Objekte aus Kupfer, die oft kunstvoll geprägt, gebogen und gefärbt sind, haben für viele Ureinwohnern der Region eine starke Bedeutung.

Spirituelle Energie inklusive

Laut Skwetsimeltxw Willard „Buddy“ Joseph, einer von vier indigenen Künstlern und Ältester in der Vancouver Art Gallery repräsentiert die vorgeschlagene Gebäudehülle  jedenfalls „spirituelle Energie und Schutz.“

Die neue Vancouver Art Gallery soll aber nicht nur schön ausschauen, sondern vielmehr auch die erste Kunstgalerie in Nordamerika sein, die nach Passivhausstandards gebaut wurde. Es soll die Netto-CO2-Standards für Energie übertreffen und mit Solarheizung, dreifach verglasten Fenstern und Wärmepumpen ausgestattet sein.

Doppelte Fläche für besonders viel Kunst

Das insgesamt 300.000 Quadratmeter große Gebäude soll doppelt so viel Platz für die stetig weiter wachsende Sammlung der Galerie bieten, als es der derzeitige Standort der Einrichtung tut. Neben den Kunstwerken, sollen in der Art Gallery aber auch ein Kunstlager, ein Theater, eine Bibliothek, Ateliers und Klassenzimmer ihren Platz finden. Nicht zu vergessen: Der rund um für die Öffentlichkeit zugängliche Innenhof.

Am nötigen Kleingeld für die Umsetzung der Gallery wird es jedenfalls nicht scheitern. Insgesamt 400 Millionen Kanadische Dollar (CAD) – das sind ungefähr 360 Millionen Euro – soll die Neugestaltung kosten.

Große Spende

Zudem wurde erst vor kurzem bekannt, dass das Projekt eine Spende in Höhe von 100 Millionen CAD von der Audain Foundation erhalten wird. Es stellt die größte einzelne Geldspende an eine Kunstgalerie in der kanadischen Geschichte dar, behauptete zumindest die Vancouver Art Gallery.

Zuvor hatte bereits ein privater Clan eine Spende in Höhe von 40 Millionen CAD für das Projekt geleistet. Als Gegenleistung soll das Gebäude in Zukunft Chan Center for the Visual Arts genannt werden. Woher das restliche Geld für die Finanzierung kommen sollte, steht noch nicht fest – wird aber in Anbetracht der bereits aufgebrachten Summe kein großes Thema werden.

Wann die größte Kunstgalerie im Westen Kanadas umziehen wird, ist ebenso wenig klar. Es wird allerdings gemunkelt, dass schon in den nächsten Monaten mit dem Bau gestartet werden soll. Bis es soweit ist, kann man sich an den beeindruckenden Renderings erfreuen. Ist doch auch eine Art Kunst, oder?

Text: Sandra Rainer
Bilder: Herzog & de Meuron

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