Das spektakuläre Bauwerk Valley steht in Amsterdam kurz vor seiner Fertigstellung. Damit bringen die Architekten von MVRDV sowohl Nachhaltigkeit als auch spektakuläre Architektur unter einen Hut.

Der vielleicht beste Beweis für die Lebendigkeit einer Stadt ist es, wenn sie eine Art Eigenleben entwickelt. Und es ist wenig verwunderlich, dass ausgerechnet Amsterdam derzeit eben damit konfrontiert ist, dass sich gewisse Stadtteile quasi verselbständigen. Rangiert Amsterdam doch in der internationalen Wahrnehmung stets unter den dynamischsten Städten Europas.

Gutes Zeugnis für Amsterdam

Erst kürzlich hat eine Studie von Savills Investment Management die Metropolen des Kontinents nach ihrer Eignung für Neuinvestitionen gereiht. Amsterdam belegte hier den fünften Platz und reiht sich damit auf der Höhe von Kalibern wie London oder Paris ein.

Eine Entwicklung, die vor allem im Zuidas-Viertel Amsterdams ihren Niederschlag findet. Der Stadtteil entwickelte sich in den vergangenen zwanzig Jahren ohne jegliche politische Initiative zum wichtigsten internationalen Geschäftszentrum der niederländischen Hauptstadt.

Ein Valley für die Welt

Doch was Unternehmer und Stadtkasse freut ist nicht immer auch für die Bevölkerung von Vorteil. Um hier nun wieder ein Gleichgewicht zu schaffen, hat sich der Immobilienentwickler EDGE Technologies der Sache angenommen. Gemäß dem Unternehmens-Slogan „Die Welt braucht sinnvollere Gebäude“ hat man sich zum Ziel gesetzt, mit einem spektakulären Bau einen Gegenpool zu bilden. Unter dem Projektnamen Valley steht dieser nun kurz vor seiner Fertigstellung.

Valley

Valley

Wie der Name Valley schon verrät, haben sich die beauftragen Architekten von MVRDV schon von Anfang an auf eine Annährung zur Natur verständigt. Und im Grunde eine Art Landschaft aus zerklüfteten Steinterrassen, Erkern und Balkonen entworfen. Aus der Ferne betrachtet wirkt das 75.000 Quadratmeter große Mischnutzungsprojekt somit wie ein riesiges aus Stein gehauenes Objekt.

Künstliche Berge im Flachland

Drei imposante Erhebungen lassen die Assoziation einer Bergkette zu, was gerade im flachen Holland einer besonderen Betonung bedarf. Ragt der höchste „Gipfel“ doch tatsächlich 100 Meter gen Himmel. Auf ihm befindet sich allerdings kein Gipfelkreuz, sondern eine Sky-Bar, die sich über die beiden obersten Stockwerke spannt.

Der Panoramablick über Amsterdam ist aber jedenfalls beeindruckend!  Und wenn man von oben nach unten Richtung „Talsohle“ blickt, erscheint demnach auch der Name Valley einleuchtend.

Valley

Das Gebäude besteht aus 200 Wohnungen, sieben Stockwerken mit Büros, einer dreistöckigen Tiefgarage mit 375 Stellplätzen und verschiedenen Einzelhandels- und Kultureinrichtungen. Vom Straßenniveau aus führt ein Fußgängerweg entlang von Einzelhandelsgeschäften, Terrassen und Dachgärten hinauf zum zentralen Talbereich, der sich über die vierte und fünfte Ebene erstreckt und den zentralen Turm umgibt.

Mann mit grünem Daumen

All das unterstützt die Valley-Assoziation, die sich in den kommenden Jahren – die Eröffnung ist für heuer geplant – jedenfalls intensiviert. Schließlich ist mit Landschaftsarchitekt Piet Oudolf ein wahrer Großmeister mit der Bepflanzung des gesamten Valleys betraut.

Das Valley soll immer grün werden

Er habe sich auf ein ganzjähriges grünes Erscheinungsbild konzentriert, heißt es. Konkret gehe es Oudolf darum, die ständig variierenden „Gesichter der einzelnen Gipfel von Glaswänden zu felsigeren Oberflächen, die aus steinverkleideten Terrassen, Erkern und Balkonen bestehen“, bestmöglich zu kaschieren.

An den zerklüfteten Rändern des Gebäudes befindet sich also in Zukunft eine besonders „grüne Schicht“, in der 13.000 Pflanzen, Bäume und Sträucher gepflanzt wurden. Automatische Bewässerungssysteme und ein Team von Gärtnern werden ihr ganzes Know-how dem Wachstum dieser künstlichen Naturlandschaft angedeihen lassen.

Valley

Valley

„Die Begrünung wird dann in den kommenden Jahren nach und nach ihr endgültiges Aussehen erreichen“, lassen die Architekten wissen. Spätestens dann soll der vertikale Park nicht nur schön sein und den CO2-Fußabdruck verringern, sondern vor allem die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bewohner fördern.

Eigenes Tool für das Valley

Apropos Nachhaltigkeit. Bei einem derartig imposanten Bau ist die Summe der Flächen gerade in Sachen Wärmeabstrahlung und Wärmespeicherung besonders relevant. Deshalb haben die Architekten bei der scheinbar willkürlich zerklüfteten Natursteinfassade keineswegs auf ihr Bauchgefühl gesetzt. Vielmehr kam ein hochmodernes parametrisches Tool zum Einsatz, das in Zusammenarbeit mit den Experten von Arup Amsterdam extra für Valley entwickelt wurde.

Valley

Dieses ermöglichte die dringend benötigte Echtzeit-Kontrolle über die Menge an Tages- und Sonnenlicht, über strukturelle Einschränkungen und die erforderliche Privatsphäre der einzelnen Fassadenelemente.

Kein Bereich gleicht dem anderen

„Die sich daraus ergebende Gesamtvariation des Gebäudevolumens von Valley bedeutet, dass keine zwei Wohnungen gleich sind, wodurch eine große Vielfalt an Wohntypen mit einzigartigen Plänen für die Bewohner entsteht“, so die Architekten. In Summe aber unterstreicht der Entwurf von MVRDV den Kontrast zwischen der Unternehmensgeschichte und der hoffentlich wieder wohnlicheren Zukunft des Zuidas-Viertels.

Kontrast aus Wohn- und Büroflächen

Die Büroräume zeichnen sich durch raumhohe Fenster, große, helle Flächen und umfassende Serviceeinrichtungen aus. Die Wohnebenen verfügen über große, sich öffnende Fenster und Schiebetüren für Außenbereiche, die in die Steinfassaden integriert sind

Ein digitaler Blick in eine bald reale Zukunft:

So soll das Valley laut MVRDV das Finanzviertel der Stadt zu einem „lebenswerteren und vollständigeren Stadtviertel“ machen. Ob allein mit diesem Bau ein Turnaround geschafft werden kann, wird sich wohl frühestens in zehn Jahren zeigen.

Zur Not kann man dann aber wieder ein paar Büro-Türme bauen. Auch dafür sind MVRDV bekanntlich prädestiniert. Siehe: hier.

Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Marcel Steinbach

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