Was lange währt, ist endlich gut
Gut 57 Jahre ist es her, dass die Arbeiten an Uppsalas Rathaus aus Geldmangel gestoppt wurden. Jetzt glänzt es in vollendeter Pracht: Vom Büro Henning Larsen fertiggestellt und mit Hilfe japanischer Technik perfektioniert, ist es gar Schwedens „Gebäude des Jahres“.
Es hätte die schwedischen Architekten Erik und Tore Ahlsén wohl gefreut, ihr Werk gut 57 Jahre nach finanziell bedingtem Baustopp doch vollendet zu sehen. Umso mehr, weil Uppsalas Rathaus jetzt als Schwedens „Gebäude des Jahres 2022“ ausgezeichnet wurde.
Alte Pläne, modern komplettiert
Leider weilen die Brüder Ahlsén, die es in den 1960er Jahren konzipierten, nicht mehr unter uns. Doch das dänische Erfolgs-Büro Henning Larsen hat deren ursprünglichen Plan zu Ende gebracht, erweitert und zukunftsfit gemacht. Respekt- und kunstvoll restauriert, ist Uppsalas Rathaus nun ein architektonisches Highlight von historischer Bedeutung, das alle zeitgemäßen Ansprüche erfüllt.
Der spätmodernistische Entwurf der Brüder Ahlsén sah vier fünfstöckige Gebäude vor, die sich um einen zentralen Innenhof gruppieren sollten. Weil einer der Trakte nicht mehr realisiert werden konnte, wurde eine L-Form gebildet. Der geplante Innenhof blieb undefiniert und geriet schließlich zu einem langweiligen Parkplatz. In den folgenden fünf Jahrzehnten versuchte die Stadt zwar mehrmals, den Bau fortzusetzen – allerdings ohne Erfolg.
Jahre lang unvollendet & unzureichend
Die Folge: Die gewünschte Funktion konnte nie ganz erfüllt werden. Uppsalas Rathaus konnte nie alle städtischen Abteilungen und Ämter beherbergen. Viele davon wurden im Laufe der Jahrzehnte über die ganze Stadt verstreut. Und weil kein geeigneter Saal zur Verfügung stand, mussten die gewählten Volksvertreter ihre Sitzungen und Diskussionen regelmäßig im benachbarten Konzerthaus abhalten.
In Uppsalas Rathaus haben wir neueste Lösungen eingesetzt, um ein Gebäude aus den 1960er Jahren in ein modernes, äußerst energieeffizientes Gebäude zu verwandeln.
Jacob Kurek, Global Design Director bei Henning Larsen
„Ein Rathaus ist eine physische Manifestation unserer Demokratie in dem Sinne, dass es gewählte Vertreter und Bürger zusammenbringt“, definiert Henning Larsens Global Design Director Jacob Kurek. Um dies zu reflektieren und zugleich auf die ursprüngliche Vision aufzubauen, entwarf das Architekten-Team einen Innenhof, der die Bürger direkt ins Herz des Komplexes einlädt.
Zeitgemäß verwandelt
„Wie die Architektur, hat sich auch die Technologie weiterentwickelt“, führt Kurek weiter aus. Entsprechend wurden bei Uppsalas Rathaus neueste Lösungen eingesetzt, die ein Gebäude aus den 1960er Jahren in ein modernes, äußerst energieeffizientes Gebäude verwandeln. In eines, „das für die nächsten 60 Jahre der Demokratie ausgelegt ist.“
Nur zwei der vier von Erik und Tore Ahlsén geplanten, miteinander verbundenen Gebäude waren vor 57 Jahren vollständig errichtet worden. Eines drittes hatte nur drei statt der vorgesehenen fünf Stockwerke. Doch die frühen Pläne boten eine hervorragende Basis für die aktuelle Gestaltung, wie Henning Larsens leitender Architekt Per Ebbe Hansson schildert: „Die vorbereitete Unterkonstruktion war stark genug, um den Bau in Zukunft fortzusetzen. Man wusste, dass es später schwierig werden würde, und traf Vorkehrungen. Es war einfach unglaublich, auf einer so gründlich geplanten Grundlage zu arbeiten und sie auf den heutigen Standard zu bringen. Sowohl in Bezug auf die Gesellschaft, als auch auf die Bauvorschriften.“
Mehr als ein Amtshaus
Durch die Erweiterung der bestehenden Architektur umfasst Uppsalas Rathaus nun insgesamt 25.000 Quadratmeter. Ein Durchgang, der durch das Erdgeschoss verläuft, lädt zum Besuch. Er bildet quasi das öffentliche „Herz“ des Bauwerks. Neben einem Café, einem Restaurant, Geschäften und Ausstellungsräumen werden dort auch Dienstleistungen angeboten.
Der neue, öffentlich zugängliche Komplex trägt das Erbe des alten Gebäudes in sich, verfügt allerdings über 14.000 Quadratmeter neuer Fläche. Damit kann Uppsalas Rathaus nun endlich alle Räumlichkeiten beherbergen, die die Stadtverwaltung braucht.
Treffpunkt unter der Glaskuppel
Besonders beeindruckend ist das 700 Tonnen schwere, kuppelförmige Glasdach, das einen 1.500 Quadratmeter großen Innenhof überspannt. Dieser Bereich bietet Bürgern, Beamten und Mitarbeitern des Hauses einen attraktiven Versammlungsort. Die Ratskammern und der Sitzungssaal indes sind in einem skulpturalen Gebäude im Innenhof untergebracht.
Das Projekt habe das Team vor viele essenzielle Fragen gestellt, resümiert Per Ebbe Hansson: „Wir mussten uns auf die Suche nach den kleinen Details der Konstruktion machen und versuchen herauszufinden, was der eigentliche Plan war: Welche Bedeutung hatten diese Entscheidungen? Was wollte man mit diesem Raum vor all den Jahren erreichen?“ Die Arbeiten an Uppsalas Rathaus betrachtet der Architekt nachträglich als „Entdeckungsreise, bei der ich die Vergangenheit auf unerwartete Art enträtselte“.
Japanische Kunst für Uppsalas Rathaus
Zudem erwuchs auf dieser „Reise“ eine außergewöhnliche Idee. Denn auf der Suche nach der besten Möglichkeit, das alte Gebäude mit Neuem zu verbinden, ließ sich das Henning Larsen Team vom japanischen Kintsugi inspirieren. Dabei handelt es sich um die Kunst des Reparierens von Keramik mit Gold.
Diese Idee passte gut zum Ziel, den Bestand so zu ergänzen, dass sowohl bereits bestehende, als auch neue Teile hervorgehoben werden. Also entschied man sich, die traditionelle ostasiatische Methode für Uppsalas Rathaus zu nützen – wenn auch in abgewandelter Form.
Glas statt Gold
„Wir haben einfach Glas statt Gold verwendet. Mit dem Ergebnis, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im umgestalteten Rathaus zusammenkommen“, schildert Per Ebbe Hansson. Ein Kunstgriff, der dem Gesamtprojekt deutlich zugutekommt. Und einer, der einmal mehr belegt, wie geschickt die vielfach preisgekrönten dänischen Baukünstler vorgehen, wenn Neues mit Altem harmonieren soll.
Ob mit gekonntem Mix historischer und moderner Bauten wie bei der Wiederbelebung des Brüsseler Place de Brouckére, oder jetzt bei Uppsalas Rathaus: Henning Larsens Lösungen können sich sehen lassen. Auch, was urbane Lebensqualität und Nachhaltigkeit betrifft: Attraktive Gestaltung, die neue Treffpunkte schafft, hat für die kreativen Architekten Priorität. Ebenso, wie Umweltfreundlichkeit.
Nachhaltig bereit für Morgen
So erfüllt Uppsalas Rathaus nun die strengen Vorgaben des BREEAM SE Excellence Zertifikats, also der schwedischen Adaption des international verbreitetsten Umweltgütesiegels. Obwohl das Gros des Komplexes bereits in den 1960er Jahren entstand. Ein Grund mehr, die um 57 Jahre verspätete Fertigstellung gebührend zu feiern.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Einar Aslaksen, Henning Larsen