Uni Chicago wächst in Paris
Das University of Chicago Center in Paris freut sich auf eine spannende Erweiterung: Designt vom renommierten Büro Studio Gang wächst an der Rive Gauche ein Neubau, der Bildung, Stadt und Umwelt gleichermaßen nützt.
Von der Skepsis, mit der die aus Chicago angereiste Titelheldin des Netflix-Hits „Emily in Paris“ in Frankreichs Metropole anfangs beäugt wird, kann bei diesem Projekt keine Rede sein: Der Launch des Neubaus fürs University of Chicago Center im 13. Arrondissement geriet zum Fest. Kein Wunder. Schließlich ist das Vorhaben Teil eines wichtigen europäischen Städtebau-Projekts. Eines, das auf die Entwicklung einstiger Industriegebiete am linken Seine-Ufer von Paris fokussiert. Und das Konzept des Chicagoer Büros Studio Gang brilliert vor allem in Sachen Nutzer- und Umweltfreundlichkeit.
Das Uni Chicago Center in Paris ist als wichtiger Knotenpunkt für anspruchsvolle Bildung gedacht. Und als Hotspot für Forschung und Zusammenarbeit in Europa, dem Nahen Osten und Afrika. Der bisherige Sitz ist der Nachfrage nach Studien und Events längst nicht mehr gewachsen.
Ab 2024 in neuer Größe
Ein Problem, das die neue, fast dreimal so große Einrichtung lösen wird. Die Tage des bestehenden, zwei Blocks entfernten Zentrums sind damit gezählt: Es wird geschlossen, sobald der Neubau bezugsfertig ist. Und laut Plan wird‘s 2024 so weit sein.
Mit Star-Architektin Jeanne Gang und ihrem Team haben sich Eigentümer und Entwickler für ein Büro entschieden, dessen markante Werke weltweit Applaus ernten. Vom extravagant geformten Projekt „Mira Tower“ oder dem Wohnturm „One Hundred“ bis zum ehemaligen Kraftwerk in Wisconsin, das Studenten als Wohnheim dient: Projekte aus dem Studio der US-Amerikanerin gehen stets bestmöglich aufs jeweilige Umfeld und Bedürfnisse der Nutzer ein. Und ihre architektonische Handschrift ist, wie Justin Davidson im New York Magazine beschreibt, „ständiger Dialog mit der Natur“.
Modern Studieren & Wohnen in Paris
So ist auch das, worauf sich das University of Chicago Center und Paris nun freuen, ein faszinierendes Konstrukt, das viele Funktionen vereint. Das 2.365 Quadratmeter große Projekt in der Rue des Grands Moulins umfasst das akademische Zentrum und ein gemischt genutztes Wohngebäude.
Unser Entwurf zelebriert die Rolle des Chicago Center in Paris als führendes Zentrum für intellektuellen und kulturellen Austausch, indem er die Beziehungen über eine Vielzahl von Ebenen hinweg stärkt.
Jeanne Gang, Architektin und Studio Gang Gründerin
Studio Gang – dessen Hauptsitz übrigens Chicago ist – hat das Zentrum zusammen mit dem französischen Entwickler Icade erarbeitet. Der vertikale Innenhof mit Gärten, Terrassen und Verbindungswegen in der Mitte des Gebäudes erinnert ein wenig an den Campus der Universität in Chicago. Die Grünflächen sollen städtische Artenvielfalt fördern und Erholungszonen bieten.
Umweltfreundlich & verbindend
Die Anlage insgesamt zielt darauf ab, die Nachbarschaft zu beleben und den Komplex perfekt ins Stadtgefüge einzubinden. Der für Wohnzwecke geplante „Michigan Gardens“-Neubau wird von Icade und Parc Architectes im selben Block entwickelt. Icade Promotion CEO Emmanuel Desmaizières: „Das Gebäude mit 89 Wohneinheiten wird neben der Universität entstehen. Es handelt sich um ein CO2-armes Projekt, das die besten Umweltlabels und -zertifikate erhalten soll“.
Auf höchste Nachhaltigkeits-Standards ist selbstredend auch der akademische Trakt ausgerichtet. Studio Gang und seine Auftraggeber SEMAPA, Icade und University of Chicago wollen hier die Vorgaben mehrerer anerkannter Zertifikate erreichen. Nämlich LEED Silver und Well Silver core & shell, sowie HQE niveau „très performant“, Label BiodiverCity and Biosourcé.
Top-Teams fürs Uni Chicago Center
Als Berater wurden französische Experten wie die Nachhaltigkeits-Spezialisten von Elioth beigezogen. Die Artelia Group wurde für MEP-Koordination und thermische Beratung ins Boot geholt. Ebenso, wie OLM Paysagistes für die Landschaftsarchitektur.
Das Projekt hat allerdings nicht nur in Sachen Umweltschonung viel zu bieten. Es beeindruckt auch in puncto Design und Lebensqualität. Die klare, vertikal gegliederte Steinfassade des akademischen Gebäudes öffnet und schließt sich selektiv. Sie ermöglicht freien Blick auf öffentliche Aktivitäten, verdichtet sich jedoch dort, wo privatere Räume für Studium und Forschung liegen.
Bildung im Studio Gang Design
Die Universitätsräume sind in einem vertikalen Campus organisiert. Einheiten für den Unterricht finden sich rund um einen zentralen, von Tageslicht gefluteten Innenraum. Dieser wiederum gipfelt in einem biodiversen Dachgarten. Auch eine kleine Bibliothek, spezielle Arbeitsbereiche für Forschungsteams und Gastwissenschaftler und flexible Räumlichkeiten für Konferenzen sind vorgesehen.
Das visuelle und materielle Zusammenspiel der Gebäude wirkt fast wie Kette und Schuss eines gekonnt gewobenen Stoffes. Die üppigen Grünflächen auf und zwischen den Gebäuden bieten Platz für soziale Kontakte, Lernen und Erholung. Obendrein schaffen sie neuen Lebensraum für die urbane Tierwelt.
Durchdacht vernetzt
Das zentrale Treppenhaus des University of Chicago Center in Paris präsentiert sich als vertikales Campus-Viereck, das die Räume physisch und visuell verbindet. Amphitheater, großer Saal, Laborbereich sowie Gärten im Erdgeschoss und auf dem Dach versprechen beste Studienbedingungen.
Weil auch Nachbarschaft und Stadt ihre Freude am neuen Bildungszentrum haben sollen, sorgt das Konzept für einladende Vernetzung des Uni Chicago Centers mit seinem Umfeld.
Für Uni-Volk & Nachbarschaft
Um lebendigen Austausch zwischen Anwohnern, Studenten und Lehrkräften zu fördern, hat Studio Gang akademische, öffentliche und Wohn-Programme strategisch zueinander positioniert. Auch bequemer Zugang zu den Grünflächen im Freien und gute Anbindung ans RER-Schnellbahnnetz Netz sind Fixpunkte des Entwurfs.
Die Stadt Paris verfolgt bekanntlich besonders ehrgeizige Ziele in Sachen Klimaschutz. Ebenso, wie Bauherr SEMAPA. Ein Umstand, der gut zum Credo der Architekten passt. In diesem Sinne minimiert Studio Gangs Entwurf den CO2-Fußabdruck und optimiert die Energieleistung.
Nachhaltiger Maßnahmen-Mix
Solarpaneele auf den Dächern und Regenwasser-Management verstehen sich von selbst. Aktive und passive Strategien werden kombiniert. Und auf lokal beschaffte, nachhaltige Materialien wird großer Wert gelegt. Alles mit dem Ziel, die oben genannten Umweltzertifikate zu erlangen.
„Unser Entwurf zelebriert die Rolle des Chicago Center in Paris als führendes Zentrum für intellektuellen und kulturellen Austausch, indem er die Beziehungen über eine Vielzahl von Ebenen hinweg stärkt“, betonte Jeanne Gang beim großen Launch-Event. Und anders als die Netflix-Serie über die Amerikanerin Emily in Paris erntet ihr Projekt von Beginn an ausgezeichnete Kritiken.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Studio Gang, Splann, Icade, Parc Architecture, Sue Rynski