Über den Dächern von Rotterdam

Diesen Sommer wird‘s bunt über den Dächern von Rotterdam. Genauer gesagt, auf dem Dach des Het Nieuwe Instituut (HNI) Kulturzentrums im Herzen der Stadt. Denn dort wird ein neuer Aussichtspunkt eingerichtet, der zugleich als Event-Location dient: „The Podium“ – ein originelles, in auffälligem Pink gehaltenes Konstrukt in 29 Metern Höhe. Der Entwurf stammt vom niederländischen Büro MVRDV, das auch das benachbarte und jüngst eröffnete Boijmans Van Beuningen Kunstdepot designt hat.

Temporäres Highlight

Wer die Chance nützen möchte, Rotterdam aus völlig neuer Perspektive zu bestaunen, muss „The Podium“ recht bald besuchen. Die neue Location ist nämlich nur als temporäres Highlight gedacht. Nach dem Sommer wird sie wieder abgebaut. Ihre Gerüststruktur mit Bodenbelägen steht dann zur Wiederverwertung bereit. 

Der Zugang erfolgt über eine Außentreppe mit 143 Stufen. Doch, keine Sorge: Die Plattform ist auch über einen provisorischen Aufzug oder über die Ausstellung The Living Archive of a Studio erreichbar. Bei letzterer handelt es sich um eine von MVRDV und HNI gemeinsam kuratierte Ausstellung, die frühe Arbeiten des Architekturbüros zeigt und derzeit im obersten Stockwerk zu sehen ist.

Spannendes Programm

Interessant ist „The Podium“ allerdings nicht nur, weil es das gebaute Rotterdam auf außergewöhnliche Art sichtbar macht. Sowohl das Konstrukt selbst, als auch seine Nutzung haben viel zu bieten. Den Auftrag, die 600 Quadratmeter große Event-Location zu konzipieren, erhielt MVRDV immerhin vom auf Architektur und Design fokussierten Het Nieuwe Instituut selbst. Und das Programm, das geboten wird, gestalten verschiedene Rotterdamer Institutionen und Kreative.

Herzstück des Architekturmonats

„The Podium“ ermöglicht die Nutzung eines Daches, das der Öffentlichkeit noch nie zuvor zugänglich war. Es wird am 1. Juni 2022 eröffnet und bildet das Herzstück des Rotterdamer Architekturmonats. Bis zum 17. August werden zahlreiche Veranstaltungen Besucher auf die knallpinke Plattform locken. Was das MVRDV Design Team inspirierte, war vor allem das enorme Potenzial der Dächer von Rotterdam. Insbesondere jenes des von Jo Coenen entworfenen HNI-Gebäudes mit seiner markanten Pergola und seinem Panoramablick.  

Das Projekt „The Podium“ steht für das Bestreben des Het Nieuwe Instituut, der Öffentlichkeit mehr Wissen über Architektur zu vermitteln. Und es gibt MVRDV die Möglichkeit, sein Engagement für bessere Nutzung urbaner Dächer zu unterstreichen. Ein wichtiger Ansatz zur Stadtverdichtung, der nachhaltige Entwicklung ermöglicht. Und zwar inklusive Begrünung, Wassermanagement und mehr.

Treffpunkt „The Podium“

Erster Nutzer der Location ist, wie erwähnt, der Rotterdamer Architekturmonat. Im Juli und August steht „The Podium“ auch anderen Aktivitäten offen. So sollen dort etwa Sportkurse, Rooftop-Dinners und ein spezielles Kinderprogramm stattfinden. Die Installation passt gut ins Portfolio des mehrfach ausgezeichneten Büros MVRDV und zu dessen Faible für kluge Dachgestaltung. 

Erfolgreiche Treppen

Vom Rooftop-Katalog bis zur Treppe zum Kriterion, dem Aufgang aufs Dach des Groothandelsgebouw: Die niederländischen Architekten sind bekannt für entsprechende Konzepte. Und ihre Werke wecken breites Interesse: Die temporäre Stufen-Installation zum Kriterion zog 2017 immerhin mehr als 350.000 Besucher an. 

Apropos „Dächer“: Direkt vor „The Podium“ wird am 26. Mai der Rotterdam Rooftop Walk eröffnet, eine Initiative der Rotterdam Rooftop Days mit einem Entwurf von MVRDV. Diese Installation bietet einen Monat lang freien Zugang zu einer Reihe benachbarter, sonst nicht öffentlich begehbarer Dächer im Stadtzentrum. Dies soll den Besuchern erlebbar vermitteln, wie sehr die Nutzung der Dachflächen zu einer besseren Zukunft für Städte und Stadtbewohner beitragen kann. 

„Hoher“ Plan für Rotterdam

Der Rooftop Walk entspricht dem Bestreben Rotterdams, Flachdächer einer Funktion zuzuführen. Sie sollen öffentlichen Programmen, nachhaltiger Wasserspeicherung, Energieerzeugung und Begrünung dienen. Wie bei „The Podium“ wird Nachhaltigkeit auch beim Rotterdam Rooftop Walk mitgedacht: Das dafür eingesetzte Material wird nach dem Abbau wiederverwendet.

Viel Interesse an „The Podium“

Die Liste jener Institutionen, die das Projekt „The Podium“ gemeinsam ermöglicht haben, ist lang. Und sie zeugt von großem Interesse am extravaganten Kultur-Hotspot. So haben sich etwa Dura Vermeer, Dutch Steigers, Fonds 21 und die Stadt Rotterdam daran beteiligt. Ebenso, wie Rotterdam Architecture Month, Rotterdam Festivals, Rotterdam Partners, der Job Dura Fund, die Verzameling van Wijngaarden-Boot und die Volkskracht Foundation, sowie die VriendenLoterij.

Bleibt zu hoffen, dass die knallrosa Event-Location ihr Ziel erreicht, die breite Öffentlichkeit für Architektur zu begeistern. Einem anderen, temporären MVRDV-Projekt war diesbezüglich begrenzt Glück beschieden: Der 2021 in London errichtete grüne Hügel „Marble Arch Hill“ wurde vor allem rund um seinen Abbau mit Häme bedacht. Und dies nicht nur vor Ort. „Den Londonern wurde ein Hügel mit Aussicht versprochen. Bekommen haben sie einen Gerüsthaufen“, hieß es da etwa in der New York Times.

Kreative Architektur

Am hervorragenden Ruf des Erfolgsbüros rüttelt derlei freilich kaum. MVRDVs kreative und nachhaltige Konzepte ernten seit Jahren viel Applaus. Aktuell besonders spannend: Die Projekte „Sun Rock“ in Taiwan und das Hochhaus „O“ in Mannheim. Ersteres ermöglicht durch seine Form die optimale Nutzung von Sonnenkraft. Und Zweiteres „schreibt“ mit drei weiteren Neubauten das Wort „Home“ ins neue Viertel Franklin Mitte. 

Wer sich diesen Sommer den Blick von „The Podium“ über Rotterdam gönnt, kann sich an MVRDVs originellem Design des benachbarten Boijmans Van Beuningen Depots erfreuen. Denn was da wie eine riesige, begrünte Spiegelschüssel wirkt, ist ein absolut sehenswertes Stück moderner Architektur.

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: MVRDV