Bildung im liegenden Wolkenkratzer
Im armenischen Jerewan haben MVRDV Architects ihren Entwurf für ein neues MINT-Bildungszentrum präsentiert: Das EU TUMO Convergence Center wird als liegender Wolkenkratzer ein sich selbst tragendes Ökosystem sein.
Willkommen in Jerewan, der Hauptstadt Armenies. Als einzige Millionenmetropole das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes am Kaukasus, gilt Jerewan zudem als eine der ältesten Städte der Welt. Mit einer ersten Erwähnung im Jahr 607 vor Christus ist sie älter als Rom – und alle anderen noch existierenden Städte Europas.
Neues Zentrum, neues Kapitel
Nun erhält die vielfältige Geschichte der armenischen Hauptstadt ein neues Kapitel: Das niederländische Architekturbüro MVRDV entwarf mit dem EU TUMO Convergence Center for Engineering and Applied Science ein MINT-Zentrum, das dem neuen Geist Jerewans entsprechen soll: Jung, modern, innovativ. Das Gebäude wird Teil des TUMO Center for Creative Technologies auf dessen Campus im Tumanyan Park von Jerewan.
TUMO ist ein armenisches Bildungsprojekt, in dem Jugendliche eigenverantwortlich ein kostenloses Lernprogramm absolvieren können. Im Mittelpunkt des Konzepts stehen Technologie und Design. Das nun geplante EU TUMO Convergence Center ist das fünfte Zentrum innerhalb Armeniens. Insgesamt nehmen aktuell mehr als 14.000 armenische Jugendliche an dem Programm teil. Internationale Zentren wurden unter anderem in Paris, Berlin, Moskau, Tirana und Beirut errichtet.
Einzigartiges Ökosystem
Das neue Zentrum in Jerewan wird auf einem Hügel mit Blick auf die Schlucht des Hrasdan-Flusses entstehen. Es wird neben den Bildungseinrichtungen auch Büroräume für Technologie- und Designfirmen, Konferenzeinrichtungen, Geschäfte und Unterkünfte für Besucher:innen beherbergen. Zudem wird es Platz Platz für Cafés, Restaurants und sogar Fitnessstudios geben.
MVRDV entwarf das Center als „horizontalen Wolkenkratzer“. Ein freitragendes Gebäude mit langem, hangarähnlichem Innenraum mit 300 modularen Räumen, die „ein einzigartiges Innenökosystem schaffen“, wie die Designer erklären.
Flexibel & modular
Das Convergence Center umfasst sechs Stockwerke, erstreckt sich über 200 Meter und nimmt eine Fläche von 17.000 Quadratmetern ein. „Mit seinem flexiblen, modularen Design kann das multifunktionale Gebäude kontinuierlich an zukünftige Bedürfnisse angepasst werden. Es wird TUMO dabei helfen, seine Mission, Teenagern kostenlose Bildung zu bieten, vorantreiben. So wird die Lücke zwischen Hochschulbildung und Technologiebranche geschlossen“, heißt es seitens des Architekturbüros.
Große Fenster an beiden Enden bieten einen direkten Blick auf den Fluss im Norden sowie den Berg Ararat im Süden. Eine durchscheinende Polycarbonatfassade lässt natürliches Licht ins Innere des Gebäudes „und verleiht dem Gebäude nachts einen sanften Glanz“, so die Verantwortlichen.
Der neue Anbau auf dem TUMO-Hauptcampus soll Studierende mit jungen Berufstätigen zusammenbringen. Ihnen soll so sowohl die Möglichkeit zur Bildung als auch zur Forschung geboten werden, um Start-ups zu unterstützen und das Anknüpfen von Studierenden an die Industrie zu fördern.
Nach einem Designwettbewerb, an dem 67 Architekturbüros aus 24 Ländern teilnahmen, war MVRDV als Gewinner ausgewählt worden. Laut der Jury entschied sich TUMO für den Entwurf des Büros mit Hauptsitz in Rotterdam, „weil es eine Drehscheibe für die Zusammenarbeit geschaffen und neben dem städtischen Kontext, in dem sich der Standort befindet, auch ein tiefes Verständnis für die Programme und die Vision des Zentrums bewiesen hat“.
„Lücke schließen“
„Ziel des Convergence-Center-Projekts ist die Verwirklichung eines sich selbst tragenden Ökosystems. Dieses wird das Wachstum von Hightech, Ingenieurwesen und angewandten Wissenschaften in Armenien beschleunigen“, sagt Pegor Papazian, Chief Development Officer am TUMO Center for Creative Technologies.
„Wir müssen die Lücke zwischen Wissenschaft und Industrie schließen. Und wir müssen Studenten und jungen Berufstätigen Zugang zu einer praktischen Ausbildung ermöglichen, die sie in die Lage versetzt, neue Unternehmungen zu starten, bestehende zu beleben und sie auf den nächsten Level zu bringen.“
Baubeginn des von der Europäischen Union mitfinanzierten Zentrums soll noch im Jahr 2023 sein. Das aktuelle Projekt ist Teil eines größeren Ausbauplans, der das angrenzende TUMO-Gebäude, einige der führenden multinationalen Unternehmen und Start-ups Armeniens sowie den Standort der kommenden U-Bahn-Station Halabyan umfassen wird.
Text: Michi Reichelt
Bilder: MVRDVR