Vom Drucker zum Teehaus
Das Architektenduo Kei Atsumi und Nickolas Préaud hat mit modernster 3D-Drucktechnologie das visionäre Tsuginote-Teehaus erschaffen – ein Projekt, das die Bauindustrie aufrütteln und neu definieren könnte.
Teetrinken bedeutet in Japan weit mehr, als nur ein wohltuendes Getränk an kalten Tagen zu genießen. Hinter dem Heißgetränk steckt eine fast tausend Jahre alte Tradition – mit vermutlich ebenso vielen verschiedenen Teesorten und Geschmacksrichtungen. Egal ob Schwarzer Tee, Jasmintee oder der berühmte Sencha, der knapp 80 Prozent der gesamten Produktion ausmacht: Teeliebhabern gehen hier die Herzen auf. Zuletzt sorgte Matcha für viel Aufsehen und hat sich zum Trendgetränk der Jugend entwickelt. Dieser leuchtend grüne Tee begegnet uns nicht nur als hippes Getränk, sondern findet sich auch in Gesichtscremen, Superfood-Rezepten und sogar in Badebomben wieder.
Wie so vieles hat sich auch die Teekultur der heutigen Zeit angepasst. Anstelle von zeitaufwändigen Ritualen und Zubereitungen werden schnelle Alternativen bevorzugt. Und trotzdem bleiben traditionelle Teezeremonien ein essenzieller Bestandteil der japanischen Kultur. Passend dazu wurde in Kanazawa auf Japans Hauptinsel Honshu das Tsuginote-Teehaus errichtet – ein Bauwerk, das als Hommage an diese uralten Traditionen verstanden werden kann. Das Architektenduo Kei Atsumi und Nickolas Préaud hat im Gegensatz zum eher traditionsbehafteten Aspekt einer Teezeremonie ein Projekt entworfen, das in seiner Aufmachung alles andere als gewöhnlich ist. Nach knapp drei Jahren Forschungsarbeit und einigen Fortschritten in der 3D-Drucktechnologie ist ein innovativer Pavillon entstanden, der neueste Technologie mit traditioneller Tischlerarbeit fusioniert – und diese vollkommen neu definiert.
Wo Tradition lebt
Das Tsuginote-Teehaus wurde als kleiner, schlichter Pavillon auf einem viereckigen Steg errichtet, versteckt unter den Zweigen der ihn umgebenden Bäume. Seine ovale Form erinnert an einen Kokon. Zwar ist er auf eine recht kleine Fläche begrenzt, bietet aber dennoch genügend Platz für den eigentlichen Zweck: das Abhalten von Teezeremonien. Der winzige Eingang des Pavillons ist ein schlichter Rundbogen; man muss sich bücken, um eintreten zu können. Der Boden ist mit hellgrünen, rechteckigen Teppichen ausgelegt, die in ihrer Schlichtheit ganz zur minimalistischen Gestaltung des Pavillons passen.
In der Mitte des Raumes befinden sich die Utensilien für die Zeremonie: ein Kama (Wasserkessel aus Gusseisen), Chawan (Teeschalen) und ein Chasen (Matchabesen aus Bambus). Der Pavillon strahlt eine beruhigende Atmosphäre aus, die vor allem durch den Ausblick auf das angrenzende Gewässer verstärkt wird. Während der Eingangsbereich klein gehalten ist, öffnet sich die Konstruktion auf der gegenüberliegenden, dem Wasser zugewandten Seite und erzeugt so ein Gefühl der Größe und der Offenheit.
Ohne Nägel, mit Vision
Der eigentliche Coup des Tsuginote-Teehauses liegt in der 3D-Technologie. Mit über 900 gedruckten Teilen, verbunden durch ein außergewöhnliches System von Steckverbindungen, haben die Architekten einen Pavillon konzipiert, der modernste Technologie mit Tradition vereint. Die Kunst des Verbindens, in Japan besser bekannt als Tsugite, ist keine ungewöhnliche Technik.
Diese Drei-Weg-Holzverbindung diente dem Architekturduo als Inspiration, um seinen Pavillon vollständig ohne Leim und Nägel zu befestigen. Das erleichtert nicht nur den Zusammenbau, sondern erspart – im Sinne der Kosteneffizienz – auch Fachkräfte für den Aufbau. Die Idee hinter dem Konzept der beiden Architekten Kei Atsumi und Nicholas Préaud basiert auf einer umweltfreundlicheren Alternative des Bauens. Eine Methode, die auch Laien problemlos umsetzen können.
Vom kleinen Pavillon zu großen Träumen
Für die Zukunft wünscht sich das Duo nicht nur innovative Designs und neue Fertigungsmethoden, sondern auch, diese für eine breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auch bei der Materialwahl spiegeln sich die Werte von Atsumi und Préaud wider: Sie verwendeten ein holzfaserbasiertes PLA (Polylactid), das sich gut verarbeiten lässt. Die Holzfasern sorgen dafür, dass das Material biologisch abbaubar ist.
Das Tsuginote-Teehaus ist wohl nicht das letzte innovative Projekt, das durch 3D-Technologie ermöglicht wird. Vielleicht bietet es sogar noch mehr: die Chance, die Bauindustrie zu revolutionieren. Diese Art der Fertigung schafft es nicht nur, umweltfreundlicher zu arbeiten. Sie reduziert auch Material- und Arbeitskosten deutlich. Kei Atsumi und Nicholas Préaud planen nach ihrem erfolgreichen Pavillon bereits die nächsten Schritte und möchten ihre Forschung auf ein neues Level bringen. Ihr Ziel: In Zukunft nicht nur kleine Teehäuser zu errichten, sondern Wohnungen.
Text: Katarina Andraschko
Bilder: Eiichi Yoshioka