Heizen und Kühlen mit Beton
Die Masse von Gebäuden kann zur Temperaturregelung genutzt werden. Die Thermische Bauteilaktivierung (TBA) macht beispielsweise aus Beton eine Quelle für Kühlen und Heizen.
Alte Kirchen oder Steinbauten sind im Sommer kühl. Das weiß man. Deshalb suchen Touristen an heißen Tagen gerne die frische Kühle großer Gotteshäuser auf. Zur Zeit der Errichtung dieser Bauten stand zwar nicht das kühlende Element im Vordergrund. Es ging vielmehr primär darum, einen Ort für große Zusammenkünfte zu schaffen. Doch heute geht man einen Schritt weiter. In Zeiten des Klimawandels sind neue Wege nötig, um der zunehmenden Erwärmung – vor allem in den großen Ballungsräumen – zu begegnen.
Den Blick für das Gesamtsystem haben
Ein wichtiger Ausgangspunkt dazu ist die „Thermische Bauteilaktivierung“ (TBA), die von vielen Experten als ein zentraler Baustein für die Stadt der Zukunft betrachtet wird. Denn heute geht es nicht allein darum, neue Materialien zu erforschen, sondern um den Blick für das Ganze – das „System Stadt“ beispielsweise.
Unter „Thermischer Bauteilaktivierung“ versteht man Systeme, die Gebäudemassen zur Temperaturregulierung nutzen und zur alleinigen oder ergänzenden Raumheizung oder wahlweise Kühlung verwendet werden können. Basis ist der Baustoff Beton, der über eine sehr gute und große Speicherfähigkeit verfügt. Seine Beschaffenheit macht ihn zu einem „Ausgleichsmaterial“ – nicht nur thermisch, sondern auch in Bezug auf Ausdehnung oder Zusammenzug (vereinfacht gesagt) seiner selbst. Denn Beton kann gut mit thermischen Unterschieden umgehen. Er ist daher die ideale Behausung für Rohre oder Rohrsysteme. Im Rahmen einer Bauteilaktivierung werden Wände, Decken mit einem Rohrsystem versehen. Das spart übrigens auch Raum: Denn tragende Teile, die statisch ohnedies notwendig sind, werden so als Behausung für Leitungen genutzt.
Der Beton ist selbst das Speichermedium
Daraus ergeben sich zwei Vorteile: Der Beton, der von sich aus ohnedies Raumenergie aufnimmt und sie über seine gesamte Fläche als Wärme an den Raum abgibt, dient selbst als Speichermedium. Und selbst an kalten Tagen muss das im Rohrsystem zirkulierende Wasser keine wirklich hohen Temperaturen erreichen, um für angenehme Wärme im Raum zu sorgen. Der Energieeinsatz kann so deutlich reduziert werden.
Weiterer Vorteil: Es sind keine Heizköper nötig. Dadurch kommt es auch nicht zur Bildung von Kälteinseln im Haus. Die Zimmer sind immer gleichmäßig gut gewärmt. Eigentlich ist das System fast schon ein „perpetuum mobile“, denn wenn die gewünschte Wärme erreicht ist, nimmt das in den Rohren zirkulierende Wasser die Wärme wieder auf. Kühlen die Betonflächen ab, wird Wärme vom Wasser rückübertragen. Daher nennt man solche System auch „thermoaktiv“.
Verstärkter Einsatz im Wohnungsneubau
Das Konzept eignet sich sehr gut für Objektbauten, es kommt aber immer mehr auch im Wohnbau zum Einsatz. Vor allem bei der Errichtung von großen Anlagen spielt die Bauteilaktivierung eine immer stärkere Rolle. So entstand in der Mühlgrundgasse im 22. Wiener Gemeindebezirk mit Mitteln der Stadt Wien sowie grundlegender Forschungsförderung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) eine Wohnhausanlage mit 155 Wohnungen. In dieser kam die Thermische Bauteilaktivierung zum Heizen und Kühlen mit Windenergie erstmals im sozialen Wohnbau zum Einsatz.
Weil aufgrund der Bauteilaktivierung geringere Vorlauftemperaturen erforderlich sind, werden in dieser Anlage Wärmepumpen als Heizquelle verwendet. Konkret wird die Wärme für Beheizung und Warmwasser über Sole/Wasser-Wärmepumpen in Verbindung mit Erdwärme-Tiefensonden erzeugt. Im Sommer wird das Sondenfeld regeneriert. 30 Erdsonden mit je 150 Meter werden gebohrt und verbaut. Vorteil: Ab einer Tiefe von rund 10-20 Metern herrscht das ganze Jahr über eine gleichmäßige Temperatur von 10 bis 12 °C. Die entzogene Erdwärme wird also für das Heizen mit Hilfe einer Wärmepumpe auf ein höheres Temperaturniveau gebracht – und zum Kühlen wird Wärme ins Erdreich eingebracht.
Energiewende braucht neue Konzepte
Die Bauteilaktivierung ist auch ein wichtiger Schwerpunkt in der Forschung, beispielsweise im Programm „Stadt der Zukunft“. „Gerade im Hinblick auf den verstärkten Nutzen regenerativer Energien ist es wichtig, dass die Stadt der Zukunft genügend Flexibilität und Speicherpotential hat. Deswegen war es ein explizites Anliegen unserer Forschungs-Ausschreibungen, die Stadt als Energieschwamm zu thematisieren“, sagt Michael Paula, Leiter der Abteilung Energie- und Umwelttechnologien im BMVIT. Die interessanteste Idee dabei ist, so Paula, „die gesamte Masse der gebauten Stadt als Energiespeicher zu verstehen und zu verwenden.“
Fazit: Heizen geht also gut mit der Thermischen Bauteilaktivierung. Aber kann das System auch die Klimaanlage ersetzen? Durchaus, meinen Bauexperten. Denn wenn das durchgeleitete Wasser kühl ist, gibt auch die Betonwand oder –decke Kühle in den Raum ab. Wenn man also kein Fan arktischer Temperaturen im Wohnbereich ist, kommt man auf diese Weise gut durch den Sommer.
Text: Harald Hornacek
Bilder: © MA 20/A. Kromus