Baumhaus der Superlative
Es trägt den Namen Tree House Rotterdam und sieht aus wie ein gigantisches Holzregal mit aufgesetzten Glaskobeln. Hollands neue Landmark in spe will die Nachhaltigkeit von Holz-Hochäusern auf ein neues Niveau hieven.
„Das Gebäude ist stark an seinem Ort verwurzelt, seine Blätter fangen das Sonnenlicht ein, und es nutzt das Regenwasser der Bahnhofshalle, das bei starken Regenschauern vom Dach fließt“. Der niederländische Developer Provast vergleicht das geplante Tree House Rotterdam mit dem Ökosystem eines Baumes. Auch wenn die Metaphorik zumindest optisch etwas hinkt, das ambitionierte Bauprojekt soll zum neuen grünen Aushängeschild der Hafenstadt werden.
37 Stockwerke aus Holz
Hier, zwischen dem Rotterdamer Hauptbahnhof und der Postzentrale, soll bis zum Jahr 2025 ein Holz-Hybrid-Turm in die Höhe wachsen, der zu den weltweit größten seiner Art zählen wird. Mit seinen 37 Stockwerken und einer Gesamthöhe von 140 Metern wird er jedenfalls Eindhovens Leuchtturmprojekt The Dutch Mountains und das WoHo Berlin überragen.
„Das Projekt mit dem Namen ‚Tree House‘ hat das Ziel, im Stadtzentrum eine lebendige, inspirierende und nachhaltige Umgebung für Bewohner und Besucher zu schaffen“, beschreiben die Architekten von PLP Architecture die Intention hinter dem Projekt. Es soll ein Ort werden, an dem gelebt, gearbeitet, interagiert und gefeiert wird, verspricht der Bauherr auf seiner Projektwebsite.
Ein Mehrwert für die Stadt
Bei aktuellen Mixed-Use-Projekten wie dem „Baumhaus“ geht es nicht allein darum, eine spektakuläre architektonische Landmark mit hochwertigen Büro- und Wohnräumen zu schaffen, sondern auch um einen aktiven Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Ein Trend, der die neuen gesetzlichen Anforderungen an derartige Bauprojekte widerspiegelt. Sie sollen einen gesellschaftlichen Mehrwert bieten, der Verödung von Stadtzentren entgegenwirken und den Anwohnern neuen öffentlichen Raum erschließen.
So einen öffentlichen Raum soll es auch im Tree House Rotterdam geben. Die sogenannte „Stadstribune“ ist eine Treppe, die mehr architektonische Intervention ist als funktioneller Aufgang. Hier sollen Büro-Mitarbeiter neben Taxifahrern, Bewohnern und Touristen Platz nehmen und eine kontemplative Pause einlegen. „Sie treffen sich bei einem gesunden Sandwich und einem Kaffee und schauen zu, wie die Welt an ihnen vorbeizieht, während sie dem Getöse von Straßenbahnen und Zügen lauschen“, beschwört der Entwickler zu künftige urbane Eintracht am Hauptbahnhof.
Um ein „sozial relevantes Konzept auf allen Ebenen“ zu erstellen, arbeitet das zuständige Architekten-Team mit De Dépendance zusammen, Rotterdams Plattform für Stadtkultur und öffentliche Debatte.
Ökologisch herausragend
Das Hochhaus, das mit dem Umweltsiegel BREEAM „Herausragend“ ausgezeichnet werden soll, weist laut Beschreibung eine üppige Bepflanzung im Inneren auf. Jede Menge Bäume und Sträucher wird es auch auf den öffentlichen Holztreppen und Terrassen geben. Die drei Glashäuser am Dach setzen dem ökologischen Bau auch optisch die grüne Krone auf. „Alle Pflanzen tragen zur Biodiversität bei und kühlen das Gebäude“, verheißt das Tree House Rotterdam.
Alle Pflanzen tragen zur Biodiversität bei und kühlen das Gebäude.
Provast, Developer des Tree House Rotterdam
Das ökologische Konzept umfasst neben der Holz-Hybrid-Bauweise mit entsprechender CO₂-Speicherung auch die Verwendung von recycelten Baumaterialien, die Produktion von Sonnenstrom und die Aufbereitung von Regenwasser. „Damit steht das Gebäude an der Speerspitze der architektonischen Nachhaltigkeit“, verspricht das Londoner Architekturbüro, das auch für die Entwürfe von Oakwood Timber Tower in London und The Lodge in Den Haag verantwortlich ist.
Schon 2024 soll das Tree House Rotterdam das neue Stadtbild prägen. Ob es tatsächlich gebaut wird, ist derzeit allerdings unklar. Die Bauarbeiten hätten bereits in diesem Jahr beginnen sollen, doch der Baustart wurde laut Architekten verschoben.
Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: PLP Architecture