Top Tower, ein „Wrack-Hochhaus“ für Prag
Er soll Tschechiens höchstes Haus werden. Mit einem gigantischen Schiffswrack aus Künstlerhand an seiner Fassade. Der Top Tower: Ein spektakuläres Projekt, das nicht allen Pragern Freude macht.
Bisher gilt der 111 Meter hohe AZ Tower in Brünn als höchstes tschechisches Gebäude. Geht es nach der Immobiliengesellschaft Trigema, soll sich dies bald ändern. Denn die Entwickler wollen ein Projekt verwirklichen, das alle Hochhäuser des Landes in den Schatten stellt: Den Top Tower. Und dieser soll mit 135 Metern nicht nur Tschechiens Wolkenkratzer Nummer eins werden, sondern auch durch sein spektakuläres Design für Aufsehen sorgen.
Künstlerisch und polarisierend
Was Kritiker der Pläne des Top Tower verstört, ist nicht unbedingt die Höhe des Gebäudes. Es ist vielmehr das gewaltige Modell eines Schiffswracks, das die Fassade ziert – und manchem ganz und gar nicht wie eine Zier erscheint. Designt von Bildhauer und Architekt David Černý und seinem Architekten-Kollegen Tomáš Císař, hat das Projekt in der Tat das Potenzial, Liebhaber der historischen Stadt Prag zu irritieren.
Vor allem Černý , neben Císař zweiter „Kopf“ des Studios Black n‘ Arch, ist für seine provokativen Skulpturen bekannt. Der mehrfach ausgezeichnete Träger des Jindřich Chalupecký Preises löste etwa auch mit seiner Installation Entropa Entrüstung aus: Anlässlich der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft 2009 verdeutlichte diese Vorurteile gegenüber verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten. Und nicht nur Bulgarien, dessen Umrisse Černý als Hocktoilette darstellte, empörte sich über das Werk des Prager Künstlers.
Design, das Klimawandel bewusst macht
Das Schiffswrack an der Hochhaus-Fassade indes soll den Klimawandel bewusst machen. Und zwar in Form einer düsteren Zukunftsvision, in der Umweltkatastrophen dazu führen, dass ein Schiff mit einem Wolkenkratzer kollidiert. So wichtig das Ansinnen auch ist: Die Umsetzung des Künstlers polarisiert.
Ambitioniertes Ziel
Als Standort für den Top Tower hat Trigema eine neue, fast einen Kilometer lange Fußgängerzone vorgesehen. Diese verläuft von der U-Bahn-Station Nové Butovice über die zentrale Station Sluneční náměstí bis zur Station Hůrka.
Der aufsehenerregende Neubau soll diesen Bereich beleben. Noch laufen die Verhandlungen mit den Behörden. Erteilte Genehmigungen vorausgesetzt, will Trigema jedoch 2021 mit den Arbeiten beginnen. Voraussichtliche Bauzeit: Drei Jahre. Geplante Kosten: Rund 78,5 Millionen Euro.
Laut Trigema-Vorstandsvorsitzendem Marcel Soural werden im Top Tower sowohl um die 250 Mietwohnungen, als auch Büroflächen und ein multifunktionales Kulturzentrum entstehen. Letzteres werde mit einem öffentlich zugänglichen Dachgarten verbunden. Erdgeschoss und zweiter Stock sollen Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe beherbergen. Auch öffentliche, rund um die Uhr verfügbare Tiefgaragenplätze sind geplant.
Wir bereiten das Projekt seit mehr als zwei Jahren vor. Vor der endgültigen Version entwickelten wir acht alternative Lösungen.
Marcel Soural , Vorstandsvorsitzender von Trigema
Als Material für die Wrack-Skulptur ist roter Stahl vorgesehen. Auch dem Trend zur Begrünung städtischer Fassaden wird Rechnung getragen: Aus dem Gerüst und um den rechteckigen Turm sollen Pflanzen wachsen. Im Eingangsbereich wollen die Planer eine riesige Propeller-Skulptur platzieren, die an einen abgebrochenen Schiffsantrieb erinnert. Als zusätzliche Attraktion soll der Top Tower eine öffentliche Aussichtsplattform am höchsten Punkt bieten, die Besucher per Aufzug erreichen können.
Die Sorge, das futuristische Bauwerk werde das historische Bild der Hauptstadt der Tschechischen Republik stören, will Trigema-Chef Soural zerstreuen: Das Grundstück liege außerhalb der denkmalgeschützten Zone. Der Top Tower entstehe fernab des Prager Stadtzentrums, das von der UNESCO als eine der 14 Welterbe-Stätten Tschechiens geführt wird. Das originell designte Hochhaus werde das Stadtbild also auch vom Zentrum aus gesehen kaum beeinträchtigen.
Top Tower wartet auf Genehmigung
„Wir bereiten das Projekt seit mehr als zwei Jahren vor. Vor der endgültigen Version entwickelten wir acht alternative Lösungen. In dieser Zeit haben wir Vorschläge von Experten, betroffenen staatlichen und lokalen Behörden und natürlich der lokalen Öffentlichkeit gesammelt – und sammeln diese noch immer“, erklärt Soural.
Umstritten, originell, energieeffizient
Investor Trigema setzt auf die Zertifizierung des Top Tower-Gebäudes mit dem LEED-Gold-Zertifikat. Der Top Tower werde ein energieeffizientes Gebäude sein. Bleibt abzuwarten, ob die ausstehenden Genehmigungen erfolgen. Und ob das „Wrack-Hochhaus“ die Prager Bevölkerung ebenso begeistern kann, wie seine Planer.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Trigema, Vyhlidka