Top-Ersatz für Trumps „Grand Hyatt“
Was manch New Yorker „anmaßend“, „finster“ und „hinderlich“ findet, wird Bekanntschaft mit der Abrissbirne machen: Donald Trumps „Grand Hyatt“ in Manhattan muss weichen. Und was an seiner Stelle wachsen soll, verspricht der Stadt tatsächlich himmelhohe Verbesserung.
Ein erhebender Anblick war das Gebäude des „Grand Hyatt New York“ Hotel nie. Architektur-Kritiker bezeichnen das in dunkles Glas gehüllte Bauwerk als „anmaßend“ und „undurchsichtig“. Auch wer den Grand Central Terminal und die extrem frequentierte U-Bahn-Station nützen muss, hat kaum Freude daran. Denn das „Grand Hyatt“– Donald Trumps erstes großes Bauprojekt in Manhattan – sitzt an und über diesem Knotenpunkt wie ein Bremsklotz: Die Hindernisse, die es mit sich bringt, reichen bis unter den Gehsteig. Sie verursachen massives Gedränge und strukturelle Probleme im Verkehrsnetz. Damit soll nun Schluss sein.
Neuer Turm, bessere Zukunft
Das „Grand Hyatt“ wird 2022 Bekanntschaft mit der Abrissbirne machen. Die Entwickler RXR Realty und TF Cornerstone haben sich zusammengetan, um den Standort neu zu gestalten. Das Joint Venture wird dort einen neuen, modernen, nachhaltigen und gemischt genutzten Turm errichten. Die Entwürfe zu diesem Multi-Milliarden-Dollar-Projekt stammen vom renommierten Architekturbüro Skidmore, Owings & Merrill (SOM). Jüngst präsentiert, versprechen sie Großes – in jeder Hinsicht.
Die Pläne für den Neubau folgen den „East Midtown Rezoning“-Richtlinien der Stadtverwaltung: Das „175 Park Avenue“ genannte Projekt wird öffentlichen Freiraum schaffen und die umliegende Verkehrsinfrastruktur erheblich verbessern. Im Jahr 2030 soll es bereit für die Eröffnung sein. Die holprige Vorgeschichte des von berühmten Sehenswürdigkeiten umgebenen Standorts soll damit ein gutes Ende finden, das diesen Teil Manhattans wirklich wieder „great“ für Stadt und Menschen macht.
Bewegte Vorgeschichte
Dass das aktuelle Projekt vor Ort enorme Aufmerksamkeit erregt, hat nicht allein mit SOMs Entwürfen zu tun. Es liegt auch an besagter Vorgeschichte. Deshalb vorab ein kleiner Rückblick.
Glorreicher Vorfahr
Ursprünglich thronte da, wo jetzt noch das „Grand Hyatt“ steht, das von Warren & Wetmore designte und 1921 eröffnete „Commodore“ Hotel der Bowman-Biltmore Gruppe. Das über Jahrzehnte erfolgreiche Haus war Teil von „Terminal City“ – einem Komplex mit dem Grand Central Terminal verbundener, prächtiger Hotels und Büros im Besitz der New York State Realty and Terminal Company (NYSRTC).
Doch in den späten 1970er Jahren ging es abwärts. Sowohl für den damaligen Hotelbetreiber New York Central Railroad (NYCRR), als auch fürs „Commodore“. Was folgte, füllt investigative Publikationen: Donald Trump wollte das alte Hotel – und bekam’s, obwohl ihm die Mittel fehlten. Mit vielen Winkelzügen und der renommierten Hyatt-Gruppe als Partner.
Verwandlung zum „Grand Hyatt“
Die Trump Organization baute das Hotel für kolportierte 100 Millionen US-Dollar um und hüllte es in eine reflektierende Glasfassade. Nur das von Stuck und neoklassizistischen Säulen gezierte Foyer des großen Ballsaals bleib erhalten. Das einstige „Commodore“ wurde 1980 als „Grand Hyatt“ wiedereröffnet.
„Schandfleck“ unter Meisterwerken
Architektur-Experte Francis Morrones Urteil im „Architectural Guidebook to New York City“ ließ keine Fragen offen: „Das Äußere des Grand Hyatt ist ein Spiegelkasten und eine unentschuldbare Schande für das Stadtbild der East 42 Street, da es zwischen zwei Meisterwerken liegt: Grand Central Terminal und Chrysler Building“. Das Ziegelgebäude des „Commodore“ sei „angemessen und respektvoll“ gewesen. Trumps Umbau indes das glatte Gegenteil: „Das Grand Hyatt erzwingt seine protzige Optik mit einem schmerzlichen Mangel an Rücksicht auf die Art und Weise, wie es sich zu einer der architektonisch bedeutendsten Straßen Amerikas verhält“.
Auch Behörden und Partner Hyatt hatten ihre liebe Not mit dem ersten New Yorker Großprojekt des späteren US-Präsidenten. Neun Jahre nach dem Neustart urgierte der Staat offene Mietzahlungen in Millionenhöhe. Eine Untersuchung ergab „ungewöhnliche“, von Trump genehmigte Buchhaltung.
1993 unterstellte Trump Hyatt-Eigentümer Jay Pritzker Erpressung und zog vor Gericht. Eine umfassende Gegenklage folgte – und 1996 das Ende der Partnerschaft: Pritzkers Unternehmen kaufte Trumps Anteile. Und Renovierungen verschafften dem „Grand Hyatt“ 2007 und 2008 den „Award of Excellence“ des Corporate and Incentive Travel Magazins ein.
Schöne Aussichten
Doch zurück zur Zukunft des skandalumwitterten Objekts, das dem neuen „175 Park Avenue“ nach dem Entwurf von Skidmore, Owings & Merrill weichen wird: Der Neubau soll mit bis zu 83 Stockwerken etwa 500 Meter in die Höhe wachsen. Der Turm mit gemischter Nutzung wird rund 195.000 Quadratmeter gewerbliche Bürofläche bieten. In Unter- und Erdgeschoss sind über 900 Quadratmeter für Einzelhandel vorgesehen. Und die international erfolgreiche Hyatt-Gruppe wird um die 42.000 Quadratmeter des Neubaus für ein Hotel mit bis zu 500 Zimmern nützen.
Das SOM-Architektenteam hat sich sehr wohl um Harmonie mit dem Umfeld bemüht: Die Achsen des Turms ergeben eine ausgewogene Beziehung zur Beaux-Arts-Symmetrie des Grand Central Terminal. Für die Fassade sind Hochleistungsglas und ein Gitter aus eleganten Säulen geplant. Das Strukturgitter bündelt sich an der Basis, um stützen-freie Glasöffnungen zu schaffen.
Verneigung vorm „Grand Central“
Auch die Bürolobby im zweiten Stock bekommt eine transparente Hülle. Diese wird neue Sichtachsen vom Straßenniveau aus eröffnen. Dadurch wird – unter anderem – der Blick auf die Ostfassade des Grand Central Terminal frei. Der steinverkleidete Kern des Hochhauses ergänzt die Materialität des Terminals und spiegelt dessen ikonisches Design durch ein Wechselspiel von festen Elementen und Hohlräumen.
Eine Krone für den Neubau
Das strukturelle Gitter unterteilt sich auch in ein Muster, das sich an den Charakteristika des Grand Central Terminals orientiert. Und der Turm wird in vier Etagen zurückgesetzt, um das Design der frühesten New Yorker Wolkenkratzer zu zitieren und das Sonnenlicht auf Straßenniveau zu maximieren. An „175 Park Avenues“ Spitze wird das Stahlgeflecht der Gitterstruktur eine leuchtende „Krone“ formen.
SOMs Entwurf beinhaltet moderne Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Dazu zählen eine hocheffiziente Gebäudehülle, bedarfsgesteuerte Lüftung und innovative Wärmerückgewinnung. Außerdem prüft das Designteam Wege, die Energieversorgung künftig so CO2-emissionsarm wie möglich zu gestalten.
Plus für U-Bahn & Co.
Wo Trumps „Grand Hyatt“ noch behindert, soll der neue Turm öffentlichen Raum und lokale Infrastruktur verbessern. Er erfüllt nicht nur das „East Midtown Rezoning“ Ziel, veralteten Bestand durch für die Post-COVID-Ära konzipierte Gebäude zu modernisieren. „175 Park Avenue“ bringt laut seiner Entwickler auch hunderte Millionen Dollar an privaten Investitionen, die das Angebot für Bahn- und U-Bahn-Nutzer verbessern.
Ersehnte Erleichterungen
Auch das Konzept, das den Verkehrsknotenpunkt entlasten soll, stammt von den erfahrenen SOM-Architekten. Das „Grand Hyatt“ liegt direkt über drei U-Bahn-Linien. Seine Stützträger verdecken deren Zwischengeschoss. Der Abriss ermöglicht ersehnte Verbesserungen. Zum Beispiel neue, optimierte Zugänge zu U-Bahn und Terminal, sowie kurze und barrierefreie Wege zwischen Zug- und U-Bahn-Stationen.
Noch müssen Metro-North-Pendler auf dem Weg zur U-Bahn vom Bahnsteig hinauf in die Grand Central Haupthalle und durch die überfüllte 42nd Street Passage. „175 Park Avenue“ wird ihnen per „Short Loop“ Zeit und Mühe sparen. Und eine neue Transithalle ist dazu gedacht, den stressigen „Menschen-Stau“ in der Passage zu beheben. Hohe Decken und Glasoberlichter werden das weitläufige Foyer freundlich gestalten.
Freiraum mit Weitblick
Obendrein sind 2.230 Quadratmeter öffentlicher Freiraum Teil des Plans. Zwei große Treppen und barrierefreie Aufzüge an der 42nd Street werden Besucher zu verbundenen Terrassen führen. Diese winden sich ums Gebäude und sollen zu erholsamen Oasen im urbanen Getümmel werden – spektakuläre Aussicht inklusive.
Mehr urbane Lebensqualität
Das spannende Projekt, das Trumps ungeliebtes „Grand Hyatt“ ersetzen soll, passt zu den Prognosen internationaler Top-Architekten: Zukunftsorientierte Verkehrskonzepte, zeitsparende Wege zur Arbeit, öffentliche Freiflächen und nachhaltige Neubauten sind ein Muss urbaner Lebensqualität. Mag sein, dass „175 Park Avenue“ nicht so spektakulär wie etwa Novitäten in Manhattans Hudson Yards erscheint. Wer im „Big Apple“ lebt oder arbeitet, wird daran allerdings – sobald die Bauarbeiten abgeschlossen sind – wohl Freude haben.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Miyis SPRL / Skidmore, Owings & Merrill, EKOO Media Inc. / Skidmore, Owings & Merrill, Gettyimages, Byron Company/wikipedia, Jhw 57/ wikimedia