Timber*Laa, Favoriten, Nonconform, Holzbau, Kurt Hoerbst
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Favoriten auf dem Holzweg

Der Wiener Stadtteil Favoriten feiert sein 150-jähriges Bestehen. Mit seiner fortschrittlichen Energieerschließung und Vorzeigeprojekten wie dem Holzwohnbau Timber*Laa wird klar, dass der Wiener Bezirk um Häuser besser ist als sein Ruf.

Favoriten besitzt das wohl schlechteste Image aller Wiener Gemeindebezirke. Seit es vor rund drei Jahren zu Ausschreitungen und Plünderungen durch Jugendliche mit Migrationshintergrund gekommen war, wird der multikulturelle Arbeiterbezirk immer wieder als „gefährlich“ gebrandmarkt. Doch laut Kriminalstatistik ist die Wiener Innenstadt das mit Abstand unsicherste Pflaster, während sich der „Zehnte“ im oberen Mittelfeld bewegt. Favoriten ist also besser als sein Ruf, und das in vielerlei Hinsicht. Kaum jemand weiß, dass der bevölkerungsreichste Bezirk am südlichen Stadtrand Vorreiter ist bei der Erschließung erneuerbarer Energien. Hier beheizt man mit der Abwärme der Therme Oberlaa zahlreiche Haushalte, betreibt Wiens größtes Solarkraftwerk und hat de facto mehr Windräder als Vorarlberg, Tirol und Salzburg zusammen, wie es augenzwinkernd in der Broschüre anlässlich des 150-jährigen Bezirksjubiläums heißt. Die vier Favoritner Windräder zeigen nämlich exemplarisch das starke Ost-West-Gefälle bei Österreichs Windkraftanlagen.

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Die Lärchenfassade der beiden Wohnblöcke Timber*Laa machen den Baustoff Holz auch von außen sichtbar.

An seinen südlichen Rändern hat der Bezirk noch Dorfcharakter. Verschlafene Siedlungen sind von weitläufigen Ackerflächen umgeben, die im Winter aktiv bewirtschaftet und so zur grünen Lunge der Großstadt werden. Da die Stadt Wien seit Jahren wächst, steigt auch der Bedarf an leistbarem Wohnraum, während gleichzeitig mindestens 80.000 Wohnungen leerstehen, wie eine aktuelle Schätzung vermeldet. So rücken auch diese Siedlungsränder verstärkt in den Fokus von Stadtplanung und Immobilienwirtschaft, was Österreichs rekordverdächtige Bodenversiegelung weiter befeuert.

Vorzeigeprojekt Timber*Laa

Auch in Sachen klimafreundlicher Nachverdichtung kann Favoriten mit einem Vorzeigeprojekt punkten. Die Wohnhausanlage Timber*Laa, die in unmittelbarer Nähe zu den Stadtranddörfern Ober- und Unterlaa entstanden ist, wurde in bodenschonender und nachhaltiger Bauweise errichtet. 

Im Hinblick auf die in Österreich nach wie vor grassierende Bodenversiegelung haben wir bei Timber*Laa auf eine maßvolle und flächenschonende Nachverdichtung gesetzt.


Katharina Kothmiller, Gesellschafterin von nonconform

Das Wiener Architekturbüro nonconform plante für den Bauträger Die Wohnkompanie zwei Wohnhäuser mit insgesamt 38 Einheiten und schloss damit eine bereits gewidmete Baulücke. „Im Hinblick auf die in Österreich nach wie vor grassierende Bodenversiegelung haben wir bei Timber*Laa auf eine maßvolle und flächenschonende Nachverdichtung gesetzt“, wie nonconform-Gesellschafterin Katharina Kothmiller betont.

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Das Projekt Timber*Laa schließt eine bereits gewidmete Baulücke und sorgt für boddenschonende Nachverdichtung.

Dass es ein Holzbau werden sollte, habe der Bauträger ganz bewusst entschieden, und die Wahl fiel nicht zufällig auf das im Jahr 1999 von Peter Nageler und Roland Gruber in Wien gegründete Architekturbüro. Vielmehr kann nonconform auf mehrere Referenzprojekte verweisen – darunter eine Wohnanlage in der norwegischen Stadt Stavanger und ein Baugruppenprojekt im niederösterreichischen Pressbaum –, die seine Holzbaukompetenz unter Beweis stellen. 

Holz vor den Vorhang geholt

Das Arbeitsteam arbeitete auf Hochtouren, und so konnte das Bauprojekt vom Vorentwurf bis zur Einreichplanung in nur drei Monaten auf Schiene gebracht werden. Ein Auslaufen der Bauwidmung habe man dadurch verhindern können, erzählt Sonja Schweitzer, Projektleiterin bei Die Wohnkompanie und fügt hinzu: „Wir freuen uns, dass wir durch die Kombination aus ökologischer Nachhaltigkeit, detailkompetenter Planung und hoher Wohnqualität trotz Teuerungskrise den Holzbau ohne Kompromisse umsetzen konnten.“

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Die Straßenansicht fügt sich zurückhaltend und harmonisch in das bestehende Ortsbild ein.

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Der salbeigrüne Anstrich bildet mit den Holzoberflächen eine behagliche Atmosphäre im Erschließungsbereich.

Wir freuen uns, dass wir den Holzbau trotz Teuerungskrise ohne Kompromisse umsetzen konnten.

Sonja Schweitzer, Projektleiterin bei Die Wohnkompanie

Auch wenn der nachwachsende Baustoff Holz derzeit einen Boom erlebt, so fasst er in manchen Assetklassen nur sehr langsam Fuß. Für den beispielhaften Wohnbau in Favoriten ist der Einsatz von Holz in Konstruktion, Fassade und Innenausbau ein Alleinstellungsmerkmal. „Während im frei finanzierten Wohnbau der Baustoff Holz noch immer ein Nischendasein fristet, wurden die beiden Baukörper in der Klederingerstraße in Holzbauweise gefertigt“, betont das Architektenteam. 

Die Konstruktion ist eine Kombination von Holzriegelbauweise bei den Außenwänden und massiven Brettsperrholzplatten bei den Innenwänden. Zusätzlich besteht die Außenfassade aus einer Lärchenholzlattung, was den biogenen Baustoff vor den Vorhang holt und auch von außen sichtbar macht. Durch die grüne Farbe der Alufenster erhält die sonst homogene Hülle eine kontrastreiche Spannung. „Timber*Laa bricht eine Lanze für die Wohn- und Bauqualitäten des Werkstoffs Holz. Ziel unserer Planung war es, den Bewohnerinnen und Bewohnern diese Qualitäten zu vermitteln. Holz sieht einfach schön aus, hat eine angenehme Haptik, riecht gut und trägt zu einem behaglichen Wohngefühl bei“, sagt Christian Schwarzinger vom nonconform-Planungsteam. 

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Zwischen den beiden Baukörpern ist genug Platz für Rückzug, Spiel und gemeinsames Gärtnern.

Nachbarschafltiches Miteinander

Wer in einem der dreieinhalbgeschossigen Holzbauten wohnt, darf sich über einen minimalen CO2-Fußabdruck freuen. Beide Baukörper erfüllen Niedrigstenergiestandards, werden über eine zentrale Luftwärmepumpe beheizt und über eine Photovoltaikanlage am Dach mit selbst produziertem Strom versorgt. Da der Holzbau immer auch ein hohes Maß an Rückbaubarkeit mit sich bringt und sich der Werkstoff gut wiederverwertet lässt, sind auch die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft gut abgedeckt. 

Wohnungsgrößen zwischen 45 und 100 Quadratmeter sorgen dafür, dass unter den Nutzerinnen und Nutzern der beiden Wohnblöcke eine möglichst gute soziale Durchmischung gegeben ist. Um ein nachbarschafltiches Miteinander zu fördern, bieten die begrünten Außenbereiche von Timber*Laa auch die Möglichkeit, gemeinsam zu gärtnern und die Obstbäume zu pflegen. 

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Viele Sichtholzflächen machen den nachwachsenden Baustoff auch in den Innenräumen spürbar.

Auch insgesamt vergrößert Favoriten seine Grünflächen. Seit 2018 wurden insgesamt drei neue Wälder gepflanzt, wie man in der Kulturbroschüre anlässlich des diesjährigen Jubiläums nachlesen kann. Seit 150 Jahren gehört Favoriten nämlich schon zu Wien, es war der erste Wiener Bezirk außerhalb des heutigen Gürtels. Eine gute Gelegenheit, das Image des Bezirks etwas aufzupolieren.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Kurt Hoerbst

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