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Studio RHE hatte die Aufgabe, eine triste Beamtenburg aus den 1990er-Jahren in eine hippe Shared-Office-Location umzuwandeln. In Zusammenarbeit mit dem österreichischen Holzbauspezialisten Wiehag entstand The Import Building, ein preisgekröntes Holzbauprojekt in London.
Runter mit den Kohlendioxidemissionen! So lautet der unumstrittene Leitsatz auf der umweltpolitischen Agenda. Besonders im Gebäudesektor liegt ein enormes Einsparungspotenzial, da er für einen großen Teil der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich ist. Lag der Fokus bislang mehrheitlich auf der Reduzierung von Emissionen während des Gebäudebetriebs, wird jetzt immer mehr auf die sogenannten verbauten Emissionen geachtet. Hier setzt eine aktuelle Studie der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) an, die 50 zertifizierte Gebäude anhand ihres CO₂-Fußabdrucks analysiert hat.
DGNB macht für Sanierung mobil
Das Ergebnis bestätigt, dass man bei den verbauten Emissionen genauer hinschauen muss. „Gut ein Drittel aller Treibhausgasemissionen eines Gebäudes entstehen vor der tatsächlichen Nutzung – bei der Herstellung und Errichtung“, so ein zentrales Ergebnis der Studie. Möglichkeiten, diese zu reduzieren, liegen in der Bauweise, den Bauteilen mit großer Masse und der Nutzungsdauer der Baustoffe.
Aus Klimaschutzperspektive sollte deshalb vor jedem Neubau geprüft werden, ob auch ein bestehendes Gebäude in Frage kommt und auf einen klimaneutralen Betrieb hin saniert werden kann.
Dr. Anna Braune, Forschung und Entwicklung DGNB
Besonderes Augenmerk legt die DGNB in diesem Zusammenhang auch auf die Sanierung von Bestandsbauten. „Bei allen CO₂-reduzierenden Neubaumaßnahmen dürfen wir nicht vergessen, dass wir einen Gebäudebestand mit einer hohen Zahl an bereits verbauten Emissionen haben“, unterstreicht Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung der DGNB. „Aus Klimaschutzperspektive sollte deshalb vor jedem Neubau geprüft werden, ob auch ein bestehendes Gebäude in Frage kommt und auf einen klimaneutralen Betrieb hin saniert werden kann.“
Upcycling einer tristen Beamtenburg
Wie zeitgemäß sich ein in die Jahre gekommenes Bauwerk sanieren lässt, beweist das Projekt The Import Building am historischen Gelände der Londoner East India Docks. Der Büro-Komplex Republic wurde Anfang der 1990er-Jahre im postmodernen Stil erbaut und hatte mehr als zwei Jahrzehnte später das Image einer tristen Beamentenburg.
Ursprüngliche Pläne aus dem Jahr 2015, die gesamte Anlage zu schleifen und stattdessen neue Wohnhausanlagen zu errichten, wurden vom Developer Trilogy Real Estate verworfen. Er setzte lieber auf eine Neupositionierung des Komplexes als hippe Shared-Office-Location mit hoher Aufenthaltsqualität und großem Freizeitangebot.
Paradebeispiel des konstruktiven Holzbaus
Umfassende Renovierungsarbeiten begannen 2016 unter der Leitung des Londoner Architekturbüros Studio RHE. Ihr Entwurf sah eine Umgestaltung der bestehenden Atrien in Holzbauweise vor. In Zusammenarbeit mit dem österreichischen Holzbauspezialisten Wiehag passten die Architekten eine 9-stöckige Holzstruktur in den Bestand ein. „Die gewerbliche Nutzfläche konnte so vergrößert und neue räumliche Verbindungen zwischen den Stockwerken hergestellt werden“, so die Architekten.
Die neue, natürliche Materialpalette hebt sich von der Rauheit der bestehenden Betonstruktur ab.
Studio RHE, Architekturbüro
Das Ergebnis ist ein Paradebeispiel des konstruktiven Holzbaus, der durchgängig aus Kreuzlagenholz (CLT) und Brettschichtholz (Glulam) besteht. „Die neue, natürliche Materialpalette hebt sich von der Rauheit der bestehenden Betonstruktur ab“, wie es in der Projektbeschreibung heißt.
Nachhaltig und schnell
Das Holz hat zum einen den Vorteil, dass es langfristig CO₂ bindet. Zum anderen sorgt es für eine verkürzte Bauzeit. „Die maximale werkseitige Vorfertigung aller Bauteile ermöglichte eine schnelle Montage“, heißt es von der Firma Wiehag, die für Engineering, Produktion, Logistik und Montage der Holztragkonstruktion verantwortlich war.
Das klimafreundliche Upcycling-Projekt im Londoner Stadtteil Tower Hamlets wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Sructural Timber und dem AJ Architecture Award.
Der Holzbauspezialist Wiehag aus dem oberösterreichischen Altheim beliefert Architekten und Bauherren weltweit mit Knowhow zum Ingenieur-Holzbau und maßgefertigten Bauteilen. Im Interview mit dem ubm magazin sprach Geschäftsführer Erich Wiesner über die aktuelle Trendwende in der Baubranche.
Zu seinen Projekten zählen das bald höchste Holzhochhaus der Welt – der Ascent Tower in Milwaukee – ebenso wie der Timber Pioneer von UBM Development – Frankfurts erstem Bürohaus in Holz-Hybrid-Bauweise.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Dirk Lindner