Vertikaler Wald in Kinshasa
Die Idee der vertikalen Wälder greift weltumspannend um sich. Nun entsteht mit The Forest ein Büroturm mit einem „gestapelten Wald“ in der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, in Kinshasa.
Der Startschuss für den ersten vertikalen Wald Europas fiel 2007, als der italienische Architekt Stefano Boeri den Entwurf zum Bosco Verticale in Mailand präsentierte. Auf den Terrassen der zwei Wohntürme wurden knapp 800 speziell gezüchtete Bäume, etwa 5.000 Sträucher und Tausende von weiteren Grünpflanzen angebracht. Der Bosco Verticale entwickelte sich schnell zum Vorzeigeprojekt.
Und die Idee des sprichwörtlichen Großstadtdschungels machte sehr bald Schule. Boeri exportierte sie mittlerweile bis nach Asien. Der erste vertikale Wald in China, das Projekt Easyhome Huanggang Vertical Forest, wurde 2021 wurde bereits fertiggestellt. Noch in Bau ist derzeit The Nanjing Vertical Forest – ebenfalls bestehend aus zwei grünen Türmen.
Vertikale Wälder erobern nun Afrika
Auch Singapur verfügt bereits über einen grünen Wald: Mitten im Herzen des Finanzdistrikts steht der 280 Meter hohe Wolkenkratzer CapitaSpring. Motto: „Extrem dicht und extrem grün“.
Und nun erobern diese vertikalen, in die Höhe wachsenden urbanen Landschaften Afrika: Nach einem ersten derartigen Gebäude in Kairo hat nun das indische Architekturbüro Sanjay Puri Architects einen üppig begrünten Büroturm entworfen. Er heißt schlicht und ergreifend „The Forest“ und wird in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa stehen.
Die Inspiration für das Projekt fanden die Architekten aus Mumbai naheliegenderweise im afrikanischen Wald. Sogar die Farbgebung der Fassade erinnert an die typische rote Erde Afrikas. Dafür sorgen die in ihr vorkommenden Eisenminerale als Farbpigmente.
The Forest: Wie eine dichte Baumkrone
Die Fassade von The Forest wird aus zahllosen, dicht aneinander gefügten Balkonen bestehen, auf denen es bald blühen und gedeihen soll. „Die parabolischen Balkone bilden eine Struktur, die einer dichten Baumkrone nachempfunden ist“, präzisiert Sanjay Puri.
Gerade afrikanische Metropolen dürften von derartigen Konzepten stark profitieren. Denn die Bepflanzung der Balkone und Terrassen sorgt für schattierte und daher natürlich gekühlte Wohnungen oder Büros. Die Luft wird von der Pflanzenwelt auf natürliche Art und Weise von Staub und CO2 gereinigt. Durch die Verdunstung bleibt das Raumklima angenehm befeuchtet. Zudem dienen die Bäume und Sträucher als wirksamer Schallschutz.
In Kinshasa etwa herrschen das ganze Jahr über Durchschnittstemperaturen über 20 Grad Celsius.
Neuer Büroturm ist Blickfang in der Megacity Kinshasa
Die Megacity, die bis zum Jahr 1966 Léopoldville hieß, ist mit mehr als 16 Millionen Einwohnern noch vor Lagos, der Hauptstadt Nigerias, die größte Stadt in Afrika. Und sie ist die größte frankophone Stadt der Welt. Der Ballungsraum Kinshasa ist die Heimat von 17 Millionen Einwohnern. Wer in einem Büro wie The Forest arbeiten wird dürfen, wird sich glücklich schätzen.
Die Struktur der Balkone verfolgt dabei zweierlei Zweck: Einerseits stellt die Anordnung einen tollen Blickfang dar. Denn die Balkone überschneiden sich jeweils mit denjenigen in den darüber liegenden Etagen. So erhält jedes Büro eine Freifläche in einfacher und doppelter Höhe. Zweitens wird es damit einfacher, auch hochwachsende Pflanzen unterzubringen.
Durch die gewählte Bauweise können außerdem die geltenden, strengen Bauvorschriften eingehalten werden: Die zulässige bebaute Fläche darf das Neunfache der Grundstücksfläche nicht übersteigen. Der Mix aus offenen und geschlossenen Räumen wird durch die Form des Gebäudes und die vorspringenden Decks erreicht.
Fertigstellung für September 2025 anberaumt
Das 93 Meter hohe Objekt ist direkt am Kongo-Fluss geplant. Es ist so angelegt, dass es sich mit großzügigen Fenstern zum Wasser hin öffnet. Die Balkone sind so verteilt, dass sie strahlenförmig an die Büros anschließen. Gleichzeitig bleibt die Privatsphäre für die bestehenden 15-stöckigen Wohngebäude auf der Südseite gewährleistet.
Die Büroräume dagegen sind allesamt nach Norden und Nordwesten ausgerichtet. So werden sie nicht durch direkte Sonneneinstrahlung aufgeheizt und sind dennoch reichlich mit natürlichem, indirektem Licht versorgt.
Läuft alles nach Plan, soll Kinshasas „The Forest“ mit einer Nutzfläche von 42.107,85 Quadratmetern im September 2025 fertig gebaut sein.
Unter den 100 Besten
Sanjay Puri Architects wird von den Gründungspartnern Sanjay Puri und Nina Puri geleitet. Das Büro wurde von Archdaily in die Liste der 100 besten Architekten weltweit aufgenommen. Mit derzeit 90 Mitarbeitern konzentriert sich die Philosophie des Studios auf die Entwicklung kontextbezogener und nachhaltiger Designlösungen. Man wolle außerdem die räumliche Wahrnehmung mit neuen Designideen erkunden.
Sanjay Puri war – als erster indischer Architekt – Mitglied der Jurys des World Architecture Festival in Barcelona, Singapur, Berlin, Amsterdam und Lissabon.
Sanjay Puri Architects hat mehr als 360 Preise gewonnen, darunter an die 250 internationale Designpreise. Dazu zählen etwa der CDA Award Paris 2023 für die weltweit beste Wohnarchitektur und der Architizer A + Award, New York 2022, für das weltweit beste Wohnbauunternehmen.
Das Büro hat derzeit Architekturprojekte in Australien, Spanien, Montenegro, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Oman und den Vereinigten Staaten am Laufen – neben der Arbeit in Indien, wo Sanjay Puri an der Gestaltung von Projekten aller Typologien in 36 indischen Städten beteiligt ist.
Text: Linda Benkö
Fotos/Renderings: Sanjay Puri Architects