The Farmer´s Arms Cold Food Store, ein Häuschen im japanischen Stil.
#architektur

Ein Stückchen Japan in Cumbria

Im englischen Lake District haben Hayatsu Architects zusammen mit Grizedale Arts den Zubau eines Pubs konzipiert, der kulturellen Austausch und japanisches Handwerk zelebriert: The Farmer’s Arms Cold Food Store.

In einer Liste der schönsten Orte Englands würde der Lake District sicherlich ganz oben stehen. Im ersten Nationalpark des Vereinigten Königreichs erstreckt sich auf etwa 2.172 Quadratkilometern eine einzigartige Landschaft, umrahmt von den Cumbrian Mountains, die bereits Dichtern und Literaten des 19. Jahrhunderts – den sogenannten Lake Poets – als Inspiration diente. Wenig verwunderlich, dass der Landstrich in der Grafschaft Cumbria im Nordwesten Englands seit dem Jahr 2017 als UNESCO-Weltkulturerbe geführt wird.

In ebendieser ländlichen Idylle steht The Farmer’s Arms. Ein alteingesessenes Pub, erstmals 1886 urkundlich erwähnt, das nun im Rahmen eines Kunstprojekts einen Zubau erhielt, wie man ihn mitten in Großbritannien so wohl nicht erwarten durfte: The Farmer’s Arms Cold Food Store, ein Häuschen im japanischen Stil.

The Farmer's Arms Cold Food Store aus seitlicher Sicht
The Farmer´s Arms Cold Food Store, ein Häuschen im japanischen Stil.

Kreative Begegnungen

Schon früher galt The Farmer’s Arms als ein Ort, an dem man Ideen ausgetauscht, gesammelt und weitergegeben hat. Dass dem heute wieder so ist, dafür sorgt – unter anderem – die lokale Kunstorganisation Grizedale Arts, die seit 2020 das Gasthaus betreibt und durch vielfältige Projekte erneut zu einem Hotspot der Kreativszene werden lässt. Im Rahmen eines jährlich stattfindenden Sieben-Tage-Workshops zum Thema „Regionales Bauen“ entstand auch in Zusammenarbeit mit dem Londoner Studio Hayatsu Architects der erwähnte Zubau.

Hintergrund der Erweiterung: Man brauchte Platz, um mit der geplanten Fermentierung von Lebensmitteln zu beginnen. Beispielsweise für die Herstellung von Kimchi und Miso. Daher sollte ein Kühlraum für die Lagerung von Gemüse entstehen, an dem eine Küche für die Zubereitung angeschlossen ist. Die Workshop-Teilnehmer aus verschiedenen Ländern planten und erbauten das Gebäude gemeinsam mit dem japanische Stuckateur Kiyoshi Fukuda und dem einheimischen Waldarbeiter Owen Jones, der sich als Spezialist für Holzarbeiten mit wertvollen praktischen Ratschlägen im Projekt einbringen konnte.

Eingangsbereich
Inmitten dieser ländlichen Idylle steht der neue Pub-Zubau und bietet einen einzigartigen Ausblick.

Zubau des alteingesessenes Gasthauses The Farmer´s Arms
Die neue Fermentierungsstube ist das Ergebnis einer japanisch-britischen Fusion.

Erinnerung an Tradition

Ein Projekt, das unscheinbar und versteckt hinter dem ausladenden weißen Gebäudekomplex des eigentlichen Gasthauses errichtet wurde. Im Gegensatz zu diesem liegt der Cold Food Store zwischen Sträuchern und einer grünen Wiese eingebettet – und scheint einem fernöstlichen Dorf entsprungen. Die japanische Flecht- und Kleckstechnik, bei der man ein Rahmengitter mit Dämm-Material auffüllt, hatte das Architektenteam ganz bewusst gewählt. Dadurch will es eine traditionelle Technik an die nachkommenden Generationen weitergeben. Insbesondere japanische Dörfer leiden unter Überalterung. Daher sei laut Grizedale Arts der kulturelle Austausch, den das Projekt ermöglicht, von so großer Bedeutung.

Der Anbau besteht aus einem Fundament aus Steinblöcken, das eine Rahmenstruktur aus Lärchenholz trägt. Er ist in zwei Bereiche aufgeteilt, die Küche und den mit einer Isolation aus Holzfasern umgebenen Kühlraum. Draußen bietet zusätzlich eine kleine, halbrunde Veranda genügend Platz, um Speisen zuzubereiten und Kochkurse zu veranstalten.

Das Holzkonstrukt des Cold Food Store
Die Holzrahmenkonstruktion des Häuschens mit einer japanischen Flecht- und Kleckstechnik mit Dämm-Material aufgefüllt.

Verputzt wurden die Wände mit Shikkui, einem ökologischen japanischen Kalkputz, der aus Sand, Kalk und Seetang von der britischen Küste besteht. Er sorgt dafür, dass die Fassade einen wirksamen Brand- und Schimmelschutz erhält und gleichzeitig atmungsaktiv bleibt. Nur ein einziges winziges Fenster in der Nähe des Eingangs lässt natürliches Licht eindringen und den sonst verschlossenen Raum ein wenig lebendiger wirken. Auffällig ist auch das Wellblechdach, das mit Steinen beschwert ist, die, ebenso wie das Holz der Konstruktion, aus Cumbria stammen.

In Harmonie mit der Historie

Das Gebäude wurde schließlich mit Stuck aus Shikkui verziert. Die dargestellten Lebensmittelmotive haben dabei ihre ganz eigene Bedeutung. Sie erinnern an die Kura, traditionelle japanische Lagerräume aus dicken Shikkui-Wänden, in denen üblicherweise Wertsachen gelagert werden. „Aufgrund ihrer Bedeutung haben die Kura den höchsten Status innerhalb des Komplexes und sind oft mit Symbolen und einem hohen Ausstattungsstandard dekoriert“, so der leitende Architekt Takeshi Hayatsu.

Die Lebensmittelmotive die auf dem The Farme's Arms Cold Food Store zu sehen sind.
The Farmer’s Arms Cold Food Store, verziert mit Stuck aus Shikkui.

The Farmer’s Arms Cold Food Store ist nicht das erste gemeinsame Projekt von Hayatsu Architects und Grizedale Arts. Im Jahr 2019 haben sie das Dream of Kiwanosato – ein Bienenhaus – in Yamaguchi, Japan, im Rahmen einer Sommerschule konzipiert. Auch dort spiegelt sich das Credo des Studios wider: „Ein positiver Einfluss auf das individuelle Leben und die Gemeinschaft“. Takeshi Hayatsu gründete sein Studio 2017 und ist seither darum bemüht, seine innovativen Kreationen in einen historischen Kontext zu setzen. Damit diese auch noch in vielen weiteren Jahren andere inspirieren können.

Text: Katarina Andraschko, Michi Reichelt
Bilder: Hayatsu Architects

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