Studieren im Dom
Das Architekturbüro Alvisi Kirimoto hat mit „The Dome“ ein neues Zentrum für den Campus der LUISS Guido Carli Universität in Rom geschaffen. Manche erinnert es an ein Baumhaus. Für die Planer fördert das Design durch seine Verbindung zur Natur einen „innovativen Bildungsansatz“.
Sie gilt als eine der besten Hochschulen Italiens: die Libera Università Internazionale degli Studi Sociali Guido Carli (LUISS) in Rom. Giuseppe Conte, Ex-Ministerpräsident des Landes, oder auch Luca Maestri, seit 2014 CFO von Apple, haben an der freien Privatuni studiert. Und das hat Strahlkraft. Derzeit sind über 9.000 Studierende eingeschrieben, die die umfangreichen Aufnahmetests bestanden haben. Neben den drei Fakultäten für Jura, Wirtschaft und Politikwissenschaften gibt es eine Journalismus-Schule, eine Business School und seit Februar 2010 auch eine School of Government, die englischsprachige Masterstudiengänge für European Studies oder International Public Affairs anbietet.
Pavillon am Park
Die LUISS ist größtenteils in historischen Palästen und Villen untergebracht. Dementsprechend stößt fie Erweiterung der Lehrsäle da irgendwann an ihre Grenzen – räumlich wie denkmalschützerisch. Damit es auf dem Campus, der nordöstlich des Stadtzentrums im Quartier Parioli liegt, dennoch nicht eng wird, hat das ortsansässige Architekturbüro Alvisi Kirimoto in Zusammenarbeit mit dem Studio Gemma einen neuen Pavillon entworfen, der einem riesigen Teleskop ähnelt: „The Dome“.
In der Viale Romania 32 und angrenzend an die Villa Ada, den zweitgrößten Park der Hauptstadt, ist für rund fünf Millionen Euro ein multifunktionaler Neubau entstanden. Unter einem mit leicht geneigtem Satteldach und von V-förmigen Stützen getragen, bietet er eine Gesamtfläche von 1.500 m².
Offen für Neues
„The Dome“ besteht aus einem sichtbar zurückgesetzten Erdgeschoss und einem flächenmäßig größeren Obergeschoss. „Das Projekt beruht auf der Idee, das Volumen anzuheben, um es in direkte Verbindung mit den Baumkronen zu bringen“, erklärt Architekt Massimo Alvisi, Mitbegründer des ausführenden Büros. Das Design unterstreicht aber nicht nur die Leichtigkeit des oberen Volumens. Es gibt auch das Erdgeschoss so weit wie möglich frei. Und es schafft einen offenen, vom Obergeschoss überdachten Raum, der mit seiner markanten roten Bestuhlung für Kurse und Events im Freien genutzt werden kann. Eine Querflügeltreppe verbindet die beiden Ebenen intern über einen Raum mit doppelter Höhe. Über eine dritte Treppe gelangt man aus dem ersten Stockwerk in den Außenbereich.
Lehre und Lernen auf zwei Etagen
Im Erdgeschoss von „The Dome“ befinden sich der Eingang, ein Unterrichtsraum und die Servicebereiche. Das obere Stockwerk beherbergt zwei weitere Seminarräume und das sogenannte Amphitheater, das als Audimax dient. Die Räumlichkeiten sind technisch so ausgestattet, dass darin sowohl Präsenz- als auch hybride Unterrichtseinheiten stattfinden können. Dafür hat man den Raum mit einem audiovisuellen Konferenzsystem ausgestattet, das in die Architektur integriert ist.
Trotz seines Namens ist das Gebäude also von einer sakralen Nutzung weit entfernt. Vielmehr sollen in den sorgfältig konzipierten Innenräumen von „The Dome“ neben Lehr- und Bildungsaktivitäten auch Kulturevents, Filmvorführungen, Konferenzen und diverse gesellschaftliche Abendgalas stattfinden.
Akustik, die sich sehen lassen kann
Auf diese unterschiedliche Raumbelegung mussten die Planer nicht nur hinsichtlich der Bestuhlung reagieren. Die Raumakustik stellte sie ebenso vor Herausforderungen. Gelöst wurden sie auch optisch perfekt: mit leuchtend orangeroten Akustikpaneelen. Sie sind an der Decke des Audimax angebracht und heben sich von dem ansonsten dunkel gehaltenen Interieur deutlich ab.
Die teilweise abgerundeten Paneele, die mit ihrer organischen Silhouette den Dialog von „The Dome“ mit dem angrenzenden Hain verstärken, sind achsensymmetrisch entlang des Dachfirstes angeordnet. Während sie den Blick auf die darüberliegende Gebäudetechnik verhindern, sind die Paneele selbst schon von außen durch die Fensterfront zu sehen. Weiters kamen bei der Bestuhlung gepolsterte Sitze zum Einsatz. Sie absorbieren ebenfalls den Schall und gewährleistenauch bei kleinerem Publikum eine ausgewogene Akustik. Gehalten sind sie in demselben auffälligen Rot, das auch das übrige Mobiliar und einige Elemente der Unterrichtsräume kennzeichnet. Ein raffiniertes Detail, das dem gesamten Komplex eine visuelle Kohärenz verleiht – insbesondere, wenn das Gebäude am frühen Abend zum Leben erwacht.
Von Lamellen ummantelt
Der Name „The Dome“ mag zunächst etwas hochtrabend klingen. Tatsächlich passt er aber recht gut zu dem dunklen, von Bäumen umgebenen Baukörper. Obwohl sich das prägnante Volumen harmonisch in die Umgebung einfügt, fällt es durch seine Fassadengestaltung sofort ins Auge. Entlang der Traufseiten wurden schmale Vertikallamellen aus Naturholz angebracht. Sie fungieren einerseits als feststehender Sonnenschutz für das gläserne Obergeschoss. Andererseits stellen sie über ihre Materialität einen Bezug zum Baumbestand ringsum her. „Die Verkleidung projiziert das Gebäude in die Baumkronen“, erläutert Architekt Alvisi. „Außerdem schafft sie einen Dialog zwischen Architektur und Kontext.“
Eintauchen in die Landschaft
Eine architektonische Besonderheit macht das möglich: Die Lamellen enden nämlich nicht an der Traufe. Vielmehr ziehen sie sich über das Dach und die Unterseite des auskragenden Obergeschosses. Ein Design-Griff, der dem Bauwerk optisch Leichtigkeit und Struktur verleiht. „Die hohe Durchlässigkeit, die die Gebäudehülle kennzeichnet, erleichtert nicht nur das Eintauchen in die Landschaft und fördert den Austausch zwischen der gesamten Studentengemeinschaft. Sie ist auch eine konzeptionelle Entscheidung, die die Offenheit des Campus widerspiegelt“, so der Architekt.
Innovativer Bildungsansatz
Mit seiner durchlässigen und transparenten Hülle scheint sich das Gebäude in der Landschaft aufzulösen. Es erinnert an ein klassisches Baumhaus. Tatsächlich ist sein Umriss auch davon abgeleitet. Und die einladende, fast heimelige Dimension der Räume, die speziell für die Studierenden gestaltet wurden, verstärkt den Eindruck zusätzlich.
Kritiker:innen mögen einwerfen, dass es nicht immer ganz einfach ist, sich in „The Dome“ auf die Lehre und das Lernen zu konzentrieren. Besonders im Obergeschoss. Denn von dort aus bieten die großflächigen Verglasungen einen herrlichen Ausblick über die Wipfel der umgebenden Bäume. Doch Architekt Massimo Alvisi sieht das ganz anders. Für ihn signalisiert gerade diese untrennbare Verbindung zwischen Bauwerk und umgebendem Grün „einen innovativen Bildungsansatz“. Auch und gerade weil zur Förderung des Lernens das Wohlbefinden durch die Beziehung zur Natur in den Mittelpunkt gestellt wird.
Ausgezeichnete Architektur
Dazu tragen auch die Farben, Texturen und Materialien des Projekts bei, die mit der gleichen Sensibilität für den Nutzungszweck ausgewählt wurden. Ein Beispiel sind die Schattierungen der Metallverkleidung und des Kratzputzes, die sich mit den warmen Nuancen des Holzes in einem ausgewogenen Spiel von Bezügen und Kontrasten vermischen. So verwundert es dann auch nicht, dass das von den Prinzipien des nachhaltigen Designs inspirierte und aus natürlichen Materialien gefertigte Gebäude die prestigeträchtige LEED-Platin-Zertifizierung erhalten hat. Obendrauf kamen Auszeichnungen wie zum Beispiel „The Architecture Master Prize 2023“.
„The Dome“ wird Campus-Mittelpunkt
„The Dome“ reiht sich damit in einen Reigen beeindruckender neuer Bildungsbauten ein, die nachhaltiges Bauen und die Bedürfnisse der studentischen Nutzer:innen unter ein Dach bringen. Darunter etwa das Ralph S. O’Connor Building für Technik und Wissenschaft an der Rice University in Houston. Oder der Uni-Campus Tórshavn auf den Färöer-Inseln.
So wie sie zum Mittelpunkt des Lebens an den jeweiligen Hochschulen geworden sind, bereichert auch „The Dome“ die LUISS. Dass sich der Neubau in der Verlängerung des Hauptplatzes des Uni-Campus‘ und in der Nähe eines kleinen Waldes befindet – und damit sowohl an der zugänglichsten als auch der malerischsten Stelle des Komplexes liegt – trägt dazu sicher bei.
Text: Daniela Schuster
Bilder: Marco Cappelletti / v2com-newswire.com