Taverny Medical Centre, Frankreich, MAAJ Architectes, Holzbau, Gesundheit
#greenbuilding

Vom Kloster inspiriert

Das Taverny Medical Centre nahe Paris ist ein neu errichtetes Gesundheitszentrum in Holzbauweise. Warum es sich in Grundriss und Raumprogrammierung an der mittelalterlichen Klostertypologie orientiert, hat gute Gründe.

Die mittelalterliche Klosterarchitektur ist ein wichtiger Beitrag zum baukulturellen Erbe, da sie einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung architektonischer Stile und Techniken leistete. Dabei hat die vorherrschende monastische Lebensform in Klöstern die architektonische Typologie stark geprägt. Schon der Begrifff Kloster verrät das Kernkonzept. Er geht auf das lateinische Wort claustrum zurück, was „verschlossener Ort“ bedeutet. Die bauliche Anlage öffnete sich meist in ihrem Inneren in Form eines Kreuzgangs mit zentral angelegtem Garten. Eine typologische Eigenart, die das Büro MAAJ Architectes ganz bewusst beim konstruktiven Holzbau für das neue Ärztezentrum Taverny Medical Centre nordöstlich von Paris einsetzte.

Taverny Medical Centre, Frankreich, MAAJ Architectes, Holzbau, Gesundheit
Die massiven Holzlisenen der Fassade verleihen dem Gesundheitszentrum einen wehrhaften Charakter.

Dies geschah allerdings aus einem Grund, der sich von der ursprünglichen Absicht unterscheidet. Während die klösterliche Öffnung nach Innen für eine Abgeschiedenheit von der Welt stand, wollte man die neue Gesundheitseinrichtung vor allem vom angrenzenden Verkehr abschirmen. Der Standort befindet sich in der französischen Stadt Taverny, eingeklammert zwischen der Autobahn auf der einen und einer hoch frequentierten Ausfallstraße auf der anderen Seite. 

Fassade mit Rhythmik

Die klösterliche Bauform mit der recht hermetischen Außenhülle und einem begrünten Freiraum im Inneren brachte die architektonische Lösung für diese exponierte Lage. Dementsprechend begrenzt ist die Anzahl der Fensteröffnungen an den straßenseitigen Fassadenflächen aus Douglasienholz. 

Taverny Medical Centre, Frankreich, MAAJ Architectes, Holzbau, Gesundheit
Im Eingangsbereich bricht die strenge Rhythmik der Fassade auf.

Die prägnante Rhythmik der Leimbinder-Lisenen lässt die Fenster bisweilen sogar ganz verschwinden. Nämlich dann, wenn man aus einem schrägen Blickwinkel auf die Außenwände blickt. „Das Gesundheitszentrum ist an eine Baumreihe angelehnt und entspricht unserem Wunsch, Einrichtungen für die Stadt zu schaffen, die der Klimaproblematik gerecht werden“, erklärt das Büro MAAJ Architectes.

Frankreich ist Vorreiter bei Dekarbonisierung

Und was eine klimagerechtere Bauwirtschaft angeht, so ist Frankreich Vorreiter in Europa. Die Verordnung RE2020 schreibt mittlerweile für alle Gebäudetypen eine verpflichtende Analyse der grauen Emissionen (Embodied Carbon) über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes vor. Das Besondere an dieser Verordnung ist, dass die Analyse dynamisch ist, und aktuelle Emissionen schwerer wiegen als künftige. 

Taverny Medical Centre, Frankreich, MAAJ Architectes, Holzbau, Gesundheit
Das Büro MAAJ Architectes ließ sich von der mittelalterlichen Klosterarchitektur inspirieren.

Das Gesundheitszentrum ist an eine Baumreihe angelehnt und entspricht unserem Wunsch, Einrichtungen für die Stadt zu schaffen, die der Klimaproblematik gerecht werden.

MAAJ Architectes

Dadurch liegt der Fokus auf der klimafreundlichen Errichtung von Bauwerken, und nicht allein auf einem umweltgerechten Betrieb, wie es in der Vergangenheit der Fall war. In der Folge werden Baustoffe wie Holz, die in der Herstellung emissionsarm sind und sogar CO2 speichern, bevorzugt. Die Obergrenzen für Embodied Carbon will man in den nächsten Jahren kontinuierlich senken, um den Bausektor immer weiter zu dekarbonisieren.

Eine wehrhafte Erscheinung

Das strenge Raster der massiven Brettschichtholz-Stützen hat etwas Monumentales und verleiht dem Gebäude ein wehrhaftes Erscheinungsbild. Im Eingangsbereich wird das Raster kurz durchbrochen, weil es dort großflächige Verglasungen gibt, die über beide Stockwerke des Gesundheitszentrums reichen. 

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Das medizinische Zentrum öffnet sich in einem begrünten Innenhof, der vom regen Treiben des Verkehrs abgeschirmt ist.

Zum wehrhaften Äußeren passen auch die vier verzinkten Pyramidendächer, die an den Gebäudeecken festungsgleich aus dem begrünten Flachdach ragen. Laut Architekturbüro reagiert man damit auch auf den urbanen Kontext: „Die über den Holzfassaden aufragenden Walmdächer setzen das Ganze in Einklang mit der umliegenden Bebauung.“

Oase der Ruhe

Das Taverny Medical Centre ist multidisziplinär und vereint mehrere zuvor getrennte Gesundheitseinrichtungen unter einem Dach. In seinem Zentrum treffen Besucherinnen und Besucher auf einen kreuzförmigen Innenhof samt Garten. Eine Oase der Ruhe, die vom starken Verkehr außerhalb des Gebäudes komplett abgeschirmt ist. „Der Garten ist ein intimer und sinnlicher Ort: Der Mix aus besonderen Düften, Texturen, Blumen und medizinisch wirksamen Pflanzen beschwört die Identität des Ortes“, so die Architekten.

Taverny Medical Centre, Frankreich, MAAJ Architectes, Holzbau, Gesundheit
Der Erschließungsbereich grenzt – einem Kreuzgang gleich – an den Innenhof an.

Taverny Medical Centre, Frankreich, MAAJ Architectes, Holzbau, Gesundheit
Das Interieur ist bewusst hell und freundlich gehalten, natürliches Licht dringt in alle Ebenen.

Durch die geschosshohen Verglasungen ergibt sich eine Aufhebung der Grenze zwischen Innen und Außen. Angrenzend an den Innenhof befinden sich auf zwei Ebenen die Gebäudeerschließung und die einzelnen Wartebereiche. Hier drängt sich ein Vergleich mit dem Kreuzgang auf, der in vielen monastischen Bauten zu finden ist. Eine weitere Analogie zur Klosterarchitektur, die das baukulturelle Erbe der Geistlichkeit in die weltliche Gegenwart bringt.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Francois-Xavier Da Cunha Leal

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