Schule im Strohmantel
Die Sundby School spielt die Klaviatur der klimaneutralen Baustoffe. Neben dem nachwachsenden Holz besteht sie aus einem Material, das für die Bauwende entscheidend sein könnte: Stroh. Ein wertvolles Abfallprodukt aus der Landwirtschaft.
Seit der Mensch sesshaft geworden ist, deckt er seine Behausungen mit Schilf oder Stroh. Die guten isolierenden Eigenschaften der Halme und die Tatsache, dass es sich um ein kreislauffähiges Material handelt, das obendrein CO₂ speichert, führt derzeit zu einem Revival in der Architektur. Auf dem Weg zur Dekarbonisierung im Bausektor führt laut Experten kein Weg am Stroh vorbei. Es verwundert daher auch nicht, dass bei dem ökologischen Schulbauprojekt Sundskolen, auch Sundby School genannt, auf den dänischen Ostseeinseln Lolland-Falster die Strohdecker am Werk sind.
Revival eines alten Handwerks
Das 6.000 Jahre alte Handwerk setzen die Architekten des Büros Henning Larsen allerdings nicht wie üblich am Dach ein. „Es ist großartig zu sehen, wie dieses Projekt Wirklichkeit wird, und die jüngste Entwicklung ist, dass die Strohdecker endlich in Aktion getreten sind – sie arbeiten unermüdlich an der Fassade der Schule“, kündigte Architekt Jakob Strømann-Andersen kürzlich an.
Es hat sich erwiesen, dass von der Ökologie her Stroh das beste Baumaterial ist. Es hat die höchste CO₂-Bindung bei zugleich sehr guten isolierenden Eigenschaften.
Jakob Strømann-Andersen, Director of Innovation and Sustainability, Henning Larsen
Im Fall der Sundby-Schule, die sich als kreisförmige Scheibe aus der Landschaft emporhebt, besteht also die Außenhülle der Kubatur aus Stroh. Eine Materialwahl, die für den Leiter der Innovations- und Nachhaltigkeitsabteilung von Henning Larsen auf der Hand lag. Zum einen ist sie eine Antwort auf die Kulturlandschaft der Insel mit ihren bestellten Kornfeldern, zum anderen ist Stroh unschlagbar, was seine ökologische Bilanz angeht.
3 Gründe für Stroh
Um die Dekarbonisierung bei den eigenen Bauprojekten voranzutreiben, erstellte man eine Materialpyramide, die dem bekannten Prinzip der Ernährungspyramide ähnelt. An der Spitze die CO₂-intensiven Materialien, die man möglichst sparsam einsetzen sollte, am Boden die CO₂-armen Materialien, die man möglichst oft verwenden sollte. „Es hat sich erwiesen, dass von der Ökologie her Stroh das beste Baumaterial ist. Es hat die höchste CO₂-Bindung bei zugleich sehr guten isolierenden Eigenschaften“, so Strømann.
Für den Nachhaltigkeitsexperten sind es vor allem drei Gründe, die für Stroh als Baumaterial sprechen:
- Stroh ist eine nachwachsende Ressource.
Außerdem fallen die Halme bei der Getreideproduktion als Abfall an, der ansonsten verbrannt wird oder verrottet und dabei den gespeicherten Kohlenstoff in Form von CO₂ freisetzt. Verwendet man das Stroh als Baumaterial, bleibt er hingegen über lange Zeit gebunden. - Stroh ist biologisch abbaubar.
Bei seinem rückstandslosen Zerfall gibt das Stroh Nährstoffe an den Boden ab und hinterlässt keine Schadstoffe in der Umwelt. - Stroh benötigt wenig Energie.
Bei der Weiterverarbeitung von Stroh sind keine komplexen Prozesse und daher auch kaum Energie notwendig. Der Rohstoff ist zudem meist lokal verfügbar und muss nicht weit transportiert werden, was zudem die CO₂-Emissionen gering hält.
Mainfest für den Holzbau
Der zweite Baustoff, der zur Dekarbonisierung der Schule beiträgt, ist Holz. Den Innenvisualisierungen zufolge wird es neben einer aussteifenden Betonstruktur auch als Konstruktionsmaterial mit sichtbaren Oberflächen eingesetzt. Zusätzlich kommt es an der Fassade jener Struktur zum Einsatz, die auf dem begrünten Dach der runden Kubatur den Haupteingang des Gebäudes markiert.
Henning Larsen baut aus Überzeugung in Holz, da es ein Weg ist, der unsere Zukunft sichert.
Henning Larsen, Architekturbüro
Das dänische Architekturbüro Henning Larsen treibt bei seiner Strategie zur Dekarbonisierung auch den Holzbau massiv voran, da er eine Möglichkeit bietet, die Emissionen, die beim Bau eines Gebäudes entstehen, maßgeblich zu verringern. Neben aktuellen Großprojekten wie der World of Volvo in Göteborg oder Marmormolen in Kopenhagen setzt man den klimaneutralen Naturbaustoff überall dort ein, wo es Sinn macht.
In einer Art Manifest für den Holzbau heißt es: „Henning Larsen baut aus Überzeugung in Holz, da es ein Weg ist, der unsere Zukunft sichert. (…) Holz und andere organische Materialien können viele der Probleme lösen, mit denen die Bauindustrie heute konfrontiert ist, dank ihrer Fähigkeit Kohlenstoff in der Wachstumsphase zu binden.“
Schon bald werden rund 580 Schüler den innovativen Schulkomplex am Guldborgsund bevölkern. Mit der Sundby School schreibt Dänemark im Schulbau Geschichte. Erstmals wird eine Bildungseinrichtung mit dem Nordic Ecolabel ausgezeichnet, dem regionalen Nachhaltigkeitssiegel, das eine Reihe von Parameter berücksichtigt – neben der Energieeffizienz im Betrieb auch eine möglichst CO₂-neutrale Bauweise.
Text: Gertraud Gerst
Fotos und Visualisierungen: Lars Engelgaar, Henning Larsen