StreetXO Dubai; Restaurant; LW Design; David Muñoz Rosillo
#interior

Über dem Tellerrand gibt’s was zu sehen

Das StreetXO Dubai erinnert mehr an einen Themenpark als an ein Restaurant. Der perfekte Interior-Rahmen für die Fusionsküche von Sternekoch David Muñoz Rosillo, für den LW Design die Atmosphäre der kreativsten Orte der Welt eingefangen hat.

Er nennt sich selbst den „Rockstar-Koch mit Irokesenschnitt“ und streckt auf Fotos gern die Zunge heraus. Für seine Fans sind seine Frisur und Grimassen aber höchstens Nebensache. David Muñoz Rosillo, auch bekannt als Dabiz Muñoz, wird von ihnen für seine innovative Fusionsküche gefeiert. Dass man seeeeehr lange im Voraus ein Ticket kaufen muss, um sein mit drei Michelin-Sternen bewertetes Restaurant DiverXO in Madrid besuchen zu dürfen, das 2023 zum drittbesten Gourmettempel der Welt gekürt wurde, tut dem Kult um Muñoz keinen Abbruch. Zumal man ja so viel mehr serviert bekommt als „nur“ ein grandioses Essen.

Kulinarisches Theater

Denn dem spanischen Chef geht es stets um Überraschung, Weiterentwicklung und Grenzüberschreitung, nicht nur am Herd. Seine Kreationen kredenzt er deshalb auch in einem entsprechend fantasievollen Rahmen – auf einer Bühne, die sich weit über den Tellerrand hinaus erstreckt. Man möchte fast von einem kulinarischen Theater sprechen, mit den Menügängen als Akte und dem ausgefallenen, surrealistischen Interior als Kulisse. Im Eingangsbereich und an den Wänden des Restaurants grüßen bunte, fliegende Schweine. Sämtliche Tische sind von transluzenten Vorhängen verhüllt. Man speist wie in einem Kokon, der Privatsphäre spendet, ohne dass man sich isoliert fühlt.

StreetXO Dubai; LW Design; Eingangsbereich; Grafitti
In Dubai führt ein mit bunten Graffiti gestalteter Tunnel in die exzentrische Welt von Sterne-Koch David Muñoz Rosillo.

Seine „Das Auge isst mit“-Vision hat der Sterne-Chef 2012 auch „demokratisiert“. Mit dem StreetXO Madrid eröffnete er ein zwangloseres, zugänglicheres und vor allem erschwinglicheres Streetfood-Konzept nach dem Vorbild asiatischer Garküchen. Seit 2023 befindet es sich im 3. Stock des Corte Inglés in der Calle Serrano. Hier gibt es einen roten Tresen, an dem die Gäste direkt von den Köchen bedient werden. Umgedrehte Kisten dienen als Barhocker. Und unter schillernden Leuchtreklamen sitzend, wähnt man sich eher auf einem Wet Market in Hongkong oder in einer Food Alley in Singapur als in der spanischen Metropole.

Nächster Halt: Dubai

Dieses Rundum-Erlebnis hat der Kitchen-Punk jetzt auch in die bevölkerungsreichste Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate gebracht. Im Frühjahr 2024 eröffnete er das StreetXO Dubai. Das Restaurant, das fast schon an einen Themenpark für Feinschmecker erinnert, befindet sich im 4. Stock des One&Only One Za’abeel Hotels. Und wie sein Madrider Vorbild lädt es Gäste zu einem sensorischen Abenteuer ein.

StreetXO Dubai; Eingang und Bar; One&Only One Za'abeel Hotels
Der Graffiti-Tunnel führt zur Bar …

StreetXO Dubai; LW Design; Bar und Lounge
… und zur benachbarten kleinen Lounge.

Für LW Design war die Interior-Gestaltung des StreetXO Dubai eine spannende Herausforderung. Zwar kann das 1999 gegründete, multidisziplinäre Team mit Studios in Dubai, Hongkong, São Paulo und Aarhus auf eine illustre Kundenliste und ein Portfolio verweisen, das Hunderte von Hotels und über 200 Restaurants und Bars weltweit umfasst. Doch bislang war man eher klassisch-edel unterwegs. Der Auftrag von Dabiz Muñoz lautete jedoch, auf 1.200 Quadratmetern einen fesselnden Raum zu gestalten, der als Ventil für seine Kreativität dienen sollte.

Essenz der Kreativität

Die Vision des Küchenchefs war, ein Ambiente zu schaffen, das die Gäste dazu einlädt, das Unerwartete zu erwarten. Und dazu mussten die Planer ihre bewährten Schubladen zulassen und in ganz neue Trickkisten greifen. Was Pooja Shah-Mulani und ihr Designteam daraus hervorgezaubert haben, ist ein Interieur, das die Street-Culture-Atmosphäre der kreativsten Plätze der Welt an einem Ort vereint: „Das Design spiegelt die bunte Galerienszene SoHos wider, fängt den Underground-Vibe und das Punkrock-Flair von Camden ein und erstrahlt in den schillernden Lichtern des Tokioter Vergnügungsviertels Shinjuku“, so Pooja Shah-Mulani.

Lounge; StreetXO Dubai; Jean Paul Gaultier, Kenneth Cobonpue
In der Lounge treffen Stoffe von Jean Paul Gaultier auf Möbel und Lampen von Kenneth Cobonpue oder Jimmie Martin.

Wenn man durch die von Containern inspirierte Metalltür tritt, wird man zunächst von verspielten runden Hängesesseln begrüßt. Dahinter führt ein Zebrastreifen, der sich in zahlreichen Spiegeln widerspiegelt, durch einen Tunnel, der an eine mit Graffiti verzierte Hinterhofgasse erinnert. Durch ihn gelangt man endgültig in Muñoz‘ zirkusähnliche Welt.

Magische hängende Tische

Ihr Zentrum bildet der Barbereich, der mit Lavalampen und einem Labyrinth aus Metallrohren an ein Labor erinnert. Die Theke besteht aus glasfaserverstärktem Gips, der anmutet, als wäre der Tresen gepolstert. Drumherum gruppieren sich die Tische des Hauptspeisesaals. Nicht alle haben Beine. Einige hängen an Metallstangen von der Decke herab, und im Gestänge „turnen“ Akrobatenlampen über den Köpfen der Gäste. Der Essbereich wird von LED-Spiegelschirmen unterteilt, die die optische Illusion unendlicher Reflexionen kreieren. Am Boden unterbricht großflächiger Terrazzo den Betonbelag.

StreetXO Dubai; Jean Paul Gaultier

Selten wird man ein Restaurant finden, das so voller theatralischer Elemente und unerwarteter Erlebnisse steckt wie das StreetXO Dubai.

JW Design

In der angrenzenden Lounge findet sich eine Sammlung einzigartiger Möbelstücke und Lampen in Form von Luftballons und Totenschädeln. Die Namensliste ihrer Designer liest sich wie das Who-is-Who der Interiorszene, angefangen bei Kenneth Cobonpue und Jimmie Martin über Alex Garnett und David Pompa bis hin zu Jean Paul Gaultier, Lelievre und Pierre Frey, die die Bezugsstoffe und Tapeten beisteuerten. Das exzentrisch-spielerische Ambiente wird von einer Stoffwand mit Onyxrahmen sowie Kunstwerken und Skulpturen ergänzt, die durch die Vorhänge hindurchzukriechen scheinen.

Horizontale Ordnung, vertikales Chaos

Über dem Tellerrand gibt es im StreetXO Dubai also so viel zu sehen, dass es fast chaotisch wirkt. Doch das dynamische, künstlerische Chaos an Decken und Wänden wird durch die horizontale Ordnung des L-förmigen Layouts und die strukturierte Raumplanung gebrochen. Stimmig. Denn dieses Spiel der Gegensätze ist auch das Motto der kulinarischen Reise, auf die Muñoz seine Gäste mitnimmt: Ein wilder Ritt von Geschmacksrichtungen wird penibel angerichtet serviert. Ob Seeigel-Kroketten oder Dumplings mit Peking-Ente: Aus Muñoz‘ Küche kommen abstrakte Kunstwerke.

StreetXo Dubai: LED-Trenndwand
LED-Spiegeltrennwände unterteilen das 1.200 Quadratmeter große Restaurant.

Offene Küche; StreetXO Dubai; Dabiz Muñoz
Die offene Küche. So gehört sich das für ein Streetfood-inspiriertes Gastro-Konzept.

Apropos Küche: Für ein Streetfood-Restaurant gehört es sich natürlich, dass der Gast Einblick in das dortige Geschehen hat. Dementsprechend ist die Hauptküche auch im StreetXO Dubai als offene Bühne konzipiert. Pendelleuchten sorgen fürs rechte Rampenlicht. Und auf dem Sims über der Theke finden sich als humorvolles Motiv Skulpturen von laufenden Männern, die ständig dem Chaos nachzujagen scheinen.

Hinter den Kulissen

Auf der Terrasse – erreichbar durch Flügeltüren auf beiden Seiten des Restaurants, die für einen fließenden Übergang zwischen Innen- und Außenbereich sorgen – setzen thematische Design-Elemente die Erzählung nahtlos fort. Auch hier finden sich Akrobaten-Skulpturen und von der Straßenkultur inspirierte Kunst. Und sogar „hinter den Kulissen“, in den Waschräumen, reißt der rote Designfaden nicht ab. Graffiti an den Türen und mit Glühbirnen umrahmte Schminkspiegel vermitteln eine dynamische Backstage-Atmosphäre.

Bar und Restaurant; StreetXO Dubai; LW Design
Die Tische des Restaurants sind um die Bar gruppiert. Hinter ihr öffnet sich die Terrasse des StreetXO Dubai.

„Selten“, das versprechen die Planer, „wird man ein Restaurant finden, das so voller theatralischer Elemente und unerwarteter Erlebnisse steckt“ wie das StreetXO Dubai. Dem eigenen Anspruch, die Visionen der Kunden stets vollständig umzusetzen, ist LW Design jedenfalls gerecht geworden.

Gelungener Spielfeldwechsel

Woher Auftraggeber Muñoz seine Vision genommen hat? Das weiß nur er allein. Ein begabter Träumer scheint er jedenfalls schon als Kind gewesen zu sein. Obwohl nur 1,20 m groß, wollte er unbedingt Basketballprofi werden. Schlussendlich hat es für das sportliche Spielfeld nicht gereicht, auch wenn er durchaus noch wuchs.

Statt Drei-Punkte-Würfe gibt es jetzt Drei-Sterne-Küche. Ein Glück für die kulinarische Welt. Und im Falle des StreetXO Dubai auch für die Designszene. Denn mag das neue Muñoz-Projekt auch (noch) keinen Michelin-Stern haben wie das Haupthaus in Madrid, so strahlt es doch grell am Interior-Himmel von Dubai.

Text: Daniela Schuster
Bilder: Ingrid Rasmussen

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