Smart Work im alten Postgebäude
Den Haags denkmalgeschütztes Stationspostgebouw ist zum nachhaltigen, gesunden Arbeitsplatz geworden: KCAP und Kraaijvanger Architects haben das ehemalige Postverteilerzentrum außen und innen achtsam runderneuert und so richtig „smart“ gemacht.
Als Den Haags Stationspostgebouw 1939 vom leitenden Regierungsarchitekten G. C. Bremer entworfen wurde, waren flexible, nachhaltige Arbeitsplätze kaum ein Thema. Was einst als eines der modernsten Postverteilerzentren der Niederlande galt, bedurfte also umfassender Erneuerung, um heutigen Anforderungen gerecht zu werden. Kein leichtes Unterfangen, dieses denkmalgeschütze Wahrzeichen der Stadt Den Haag modernen Standards anzupassen. Doch es gelang: Von KCAP und Kraaijvanger Architects runderneuert, erstrahlt das Musterbeispiel des Funktionalismus in neuem Glanz. Und bietet alles, was ein zeitgemäßes, smartes „New Work“ Umfeld braucht.
Comeback als PostNL-Hauptsitz
Die architektonische Umgestaltung des 30.000 Quadratmeter großen Stationspostgebouw hat KCAP für die Bauträger LIFE und SENS Real Estate designt. Fürs neue Innenleben zeichnet das Büro Kraaijvanger verantwortlich. Und zwar im Auftrag des Unternehmens PostNL, das seine Postzüge hier schon im vorigen Jahrhundert be- und entlud und das historische Gebäude nun als Hauptsitz nützen wird.
Das imposante Stationspostgebouw befindet sich neben Den Haags Bahnhof Hollands Spoor. Seine charakteristische helle Ziegelfassade mit geschwungenen Formen und Glasbausteinfenstern zieht seit jeher sofort den Blick auf sich. Dahinter verbergen sich hohe, jedoch tiefe Geschossflächen.
Erhellende „Löcher im Bauch“
Die jüngst vollendete Erneuerung hat für ein essenzielles Plus gesorgt: Mehr Tageslicht im Inneren. Erreicht haben die Architekten dies vor allem durch das Einziehen von Öffnungen in Decken und Böden zwischen den Etagen. Natürlich nur im Rahmen der Vorgaben des Denkmalschutzes, der den gesamten Sanierungsplan entscheidend mitbestimmte.
Beispielhafte Konstruktion
Eine große Herausforderung bestand darin, den Denkmalcharakter des Gebäudes im Zuge der Sanierung zu bewahren und wiederherzustellen. Deshalb konzentrierte das Team sein Konzept auf das Haupttragwerk. Die vorhandenen Balken und Stützen mussten erhalten bleiben, weil das Stationspostgebouw als eines der weltweit ersten Beispiele für die Verwendung vorgefertigter Betonsäulen gilt.
Weil die Runderneuerung das Stationspostgebouw auch in Sachen Nachhaltigkeit zeitgemäß und zukunftsfit machen sollte, wurde nach WELL– und BREEAM-Standards umgestaltet. Mit Erfolg: Das Baudenkmal ist nun das erste nationale Monument, das in den Niederlanden mit dem höchsten erreichbaren Energielabel „A“ zertifiziert wurde.
„Zweite Haut“ fürs Stationspostgebouw
Eine gläserne „zweite Haut“ an der Innenseite des Gebäudes sorgt für eine fast unsichtbare Isolierschicht. Diese Strategie machte es möglich, die denkmalgeschützte Fassade zu erhalten, den neuen Anforderungen jedoch trotzdem gerecht zu werden. Zudem spart diese Lösung eine beträchtliche Menge an Energie und trägt zur Reduktion des Lärms durch den Straßen- und Schienenverkehr bei. Auch weitere unterstützende Energiesparmaßnahmen wurden vorgenommen und vorhandene Materialien im Sinn der Kreislaufwirtschaft möglichst wiederverwendet.
Obwohl die Glasbausteinfenster und Oberlichter des Stationspostgebouw das Gebäude ursprünglich mit genug Licht versorgten, musste nachgebessert werden. Denn für eine moderne Bürolandschaft reichte der Lichteinfall nicht aus. Um ihn auch in den unteren Stockwerken zu erhöhen, zog KCAP die erwähnten Öffnungen ein. Geschickt gestaffelt und unterschiedlich groß, schaffen diese ein lebendiges Wechselspiel einfacher und doppelt hoher Etagen. So entstand auch ein großzügiges Atrium, das das Gebäude öffnet: Das „Herz“ des neuen Büros, das den Nutzern die Möglichkeit bietet, zu sehen, was im Haus vor sich geht – und selbst gesehen zu werden.
Das Atrium kann als Metapher für die Förderbänder und Sortiermaschinen gelesen werden, die früher die Post direkt vom Bahnhof auslieferten.
Irma van Oort, KCAP Partnerin
Das Atrium wird von kaskadenförmigen Etagen umgeben und von Brücken und Treppen durchquert. Es soll, wie KCAP Partnerin Irma van Oort beschreibt, auch an die großen Maschinen erinnern, die einst den Raum beherrschten: „Es kann als Metapher für die Förderbänder und Sortiermaschinen gelesen werden, die früher die Post direkt vom Bahnhof auslieferten.“
Verbindend & kommunikativ
Die verbindenden Wege, die das Atrium durchziehen, fördern die informelle Kommunikation im Gebäude. Sie bieten viele Möglichkeiten, sich zu treffen, unterstützen Spontanität und sorgen für angenehme Atmosphäre.
Im ersten Stock des Stationspostgebouw findet sich das „Community Centre“ mit Rezeption, Café, Gemeinschaftsbereichen, Begegnungszonen und Arbeitsplätzen. Die Obergeschosse sind flexibel gestaltet. Dort stehen den Nutzern viele unterschiedliche Arbeitsräumlichkeiten zur Verfügung, die bedarfsgerecht gestaltet werden können. Effiziente Grundrisse und innovative technische Ausstattungen sichern dauerhafte Flexibilität.
Entscheidend für die Umgestaltung war die Schaffung eines Bürogebäudes für eine neue Art des Arbeitens, bei der sich die Arbeitsumgebung wie ein Wohnzimmer anfühlt: vielseitig nutzbar, aber auch sicher.
KCAP Architektin Irma van Oort
Das von Kraaijvanger Architects entworfene Innendesign entspricht Auftraggeber PostNLs Wunsch nach genau diesen „New Work“ Bedingungen. Im Fokus: Flexible Zusammenarbeit, vielseitige Nutzung und das Wohlbefinden der Mitarbeiter.
Alte Qualitäten, neu genützt
Kraaijvanger Architects Associate Partnerin Chantal Vos: „Raumaufteilung und Atmosphäre des monumentalen Gebäudes sind einzigartig: Die Fassade aus Glasblöcken, die tiefen Etagenflächen und kraftvollen strukturellen Merkmale. Zusammen mit KCAPs kühner Intervention, die Betonböden zu öffnen, haben diese Qualitäten die verschiedenen Bereiche des Innenraums bestimmt.“
Wichtige Raumaufteilung
Es galt, so viel Tageslicht wie möglich zu einzulassen und zugleich die sehr großen Etagen in kleinere, intimere Einheiten zu unterteilen. Alles mit dem Ziel, eine soziale Arbeitslandschaft zu gestalten, die sich auf Austausch und Verbindung konzentriert. Denn, so Vos: „Unsere Umgebung hat großen Einfluss darauf, wie wir lernen, arbeiten und leben, denken und fühlen. Viele Büros sind zu geschlossen und isoliert oder völlig offen und zu exponiert. Bei einem guten Arbeitsplatz geht es um Ausgewogenheit. Um eine Umgebung, in der man sich wohlfühlt.“
Deshalb setzte das Kraaijvanger Team bei der Neugestaltung im Stationspostgebouw auf die Typologie eines Hauses: Teilweise definierte Räume und vielfältige Raumgrößen, die auf verschiedene Art miteinander verbunden sind und ein unterschiedliches Maß an Privatsphäre bieten. Dieses Prinzip haben die Architekten aufs Design des erneuerten PostNL Hauptsitzes umgelegt: Das Büro bietet jetzt Räume für unterschiedlichste Aktivitäten in kleinen und größeren Gruppen.
Stationspostgebouw auf neuen Wegen
Dadurch und durch die Verknüpfung informeller und formeller, offener und geschlossener Bereiche, wurde das alte Haus in einen modernen Arbeitsort verwandelt. Neben den PostNL Bereichen stehen auch Coworking-Spaces und mietbare Räume für andere Nutzer zur Verfügung.
Um die monumentale Palette zu verstärken, suchte Kraaijvanger Architects nach einer repräsentativen Architektursprache. Weil Material und funktionales Design für sich selbst stehen, wurde beides unverdeckt und schmucklos eingesetzt. Mit einem Ergebnis, das Chantal Vos als „kraftvolles Zusammenspiel des konstruktiven Ausdrucks“ beschreibt: „Eine einzigartige Mischung, in der sich das Denkmal und sein Innenraum gegenseitig verstärken. Zusammen bilden sie eine einzigartige visuelle Sprache, die Menschen aller Altersgruppen anspricht.“
Glanzstück eines Masterplans
Das Stationspostgebouw ist das erste vollendete Projekt von Den Haags städtebaulicher Gesamtvision „HS Kwartier“, die ebenfalls aus der Feder des Büros KCAP stammt. Ein Masterplan, der das Gebiet um den Bahnhof Hollands Spoor umfasst, und seinerseits wiederum Teil der Verwandlung des ehemaligen Industrie- und Hafengebiets Laakhavens in ein attraktives Wohn- und Arbeitsgebiet ist.
Die beiden niederländischen Büros Kraaijvanger Architects und KCAP sind dafür bekannt, großen Wert auf Nachhaltigkeit und Lebensqualität zu legen. Und KCAP hat Erfahrung, was achtsame Erneuerung von Baudenkmälern und Stadterneuerung betrifft. Seine gekonnte Verwandlung des ikonischen Amsterdamer „Droogbak“-Gebäudes in ein hochmodernes Smart Office und der Masterplan für die Transformation des nördlichen Teils des Eindhovener Bahnhofsviertels sprechen für sich.
Die Runderneuerung von Den Haags Stationspostgebouw hat nicht für nur moderne „New Work“ Bedingungen im historischen Bauwerk gesorgt und diesem neuen Glanz verliehen. Sie dient auch als Beitrag zur Aufwertung des Viertels.
Impulsgeber Stationspostgebouw
„Die transparente und zugängliche Gestaltung sorgt dafür, dass das Gebäude Teil der Umgebung wird“, schildert Irma van Oort: „Damit ist das Stationspostgebouw ein wichtiger Impuls für die Lebendigkeit des HS Kwartier und sorgt für sein menschliches Maß. Genau deshalb ist die Rückkehr von PostNL als Nutzer von großem Wert für die DNA des Viertels.“
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Ossip van Duivenbode