Spiegel unserer Zeit
Mit der Maraya Concert Hall haben die Architekten von Gio Forma den größten Spiegelbau der Welt in die arabische Wüste gesetzt. Ein Objekt, das nun auf vielen Ebenen gefeiert wird.
Es ist ein für unser Verständnis exotischer Landstrich, der Nordwesten Saudi-Arabiens. An der so genannten Weihrauchstraße liegt hier die Stadt AlUla. Eine Oase inmitten der Wüste: Ein Ort, an dem sich unsereins schnell wie ein Archäologe in einem Indiana Jones-Abenteuer fühlt.
Grabstätten von 7000 Jahre alten Zivilisationen. Atemberaubende Felsformationen und Schluchten. AlUla beherbergt archäologische Schätze, natürliche Schönheiten und prächtige Denkmäler: Viele sind über 200.000 Jahren alt.
Maraya Concert Hall als Meisterwerk
Und just hier hat das deutsch-italienische Architektur- und Design-Team von Gió Forma (bestehend aus Florian Boje, Cristiana Picco und Claudio Santucci) ein architektonisches Meisterwerk platziert: die Maraya Concert Hall.
Was diesen Bau so besonders macht, ist auf den ersten Blick sonnenklar: Er ist rundum verspiegelt! Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Die Maraya Concert Hall beeindruckt mit einer Spiegelfassade, die insgesamt 9.740 Quadratmeter umfasst. Damit ist die Konzerthalle laut Guinness World Records das größte spiegelverkleidete Gebäude der Welt.
Fenster zur Welt
Beeindruckend ist aber auch das mehr als 800 Quadratmeter große auffahrbare Fenster. Es befindet sich auf der Rückseite des 26 Meter hohen Theaters und ermöglicht einen atemberaubenden Ausblick auf die umliegende Landschaft. So kreiert es einen faszinierenden Einklang von Natur und Unterhaltung….
Ortsspezifische Objektarchitektur
Eben diese Kommunikation zwischen Architektur, Menschen und umgebender Natur ist der Grundstein für die gigantische Spiegelvision, betonen die Architekten bewusst: „Die Halle spiegelt die Schönheit der umliegenden Landschaft wider. Sie verbindet alle Eindrücke zu einer Einheit mit der Umgebung“, sagen sie. Die Maraya Conert Hall würde sich an der ortsspezifischen „Objektarchitektur“ orientieren, führen die Planer weiter aus.
Jedenfalls solle die Halle eine Erfahrung bieten, „die uns zum Nachdenken über das unvergleichliche Spektakel des geologischen Epos einlädt. Über die radikale Abstraktion der Umgebung und die einzigartigen Eingriffe des Menschen in die Landschaft.“ Der Spiegelkubus würde demnach die Umgebung hervorheben, anstatt mit der Natur zu konkurrieren.
Landschaft als Ausstellungsraum
Dazu heißt es in der Projektbeschreibung wörtlich: „Einzigartig in ihrem Genre, wird die Landschaft selbst zum Ausstellungsraum.“ Und Designer Florian Boje vom Studio Gió Forma ergänzt: „Die Reflektion der Umgebung schafft ein überwältigendes Gleichgewicht und eine tiefe Verbindung des menschlichen Erbes mit der Natur, ihre Verflechtung und die Harmonie miteinander. Sie zeigt uns die Pflicht auf, unsere Kultur zu schützen. Ein wichtiger Aspekt, da diese mit der außergewöhnlichen Natur von AlUla eng verknüpft ist.“
Abseits aller philosophischen Aspekte der Maraya Concert Hall sorgte aber auch der Bau selbst für Staunen. In kürzester Zeit wurde das gesamte Bauwerk hochgezogen. „Ein Team aus über 1.000 Handwerkern, Fachleuten und technischen Mitarbeitern hat Seite an Seite gearbeitet, um dieses einzigartige 26 Meter Hohe Gebäude in nur zehn Wochen fertigzustellen“, ist man stolz.
500 Gäste hinter der Spiegelwand
Nun beherbergt der Spiegelwürfel einen Konzertsaal, der 500 Gästen entspannt Platz bietet. Zudem ist eine eigene auf besondere akustische Anfordernisse ausgelegte Konzertbühne integriert. Ein Speisesaal mit einer einladenden Dachterrasse ebenso. Auch wurde Raum für eine Reihe von Kunstobjekten, die stets wechseln, geschaffen.
Fehlt eigentlich nur noch zu erwähnen, dass die Maraya Concert Hall inzwischen auch einen der begehrtesten Architekturpreise der Welt eingeheimst hat. Einen Architizer A+ Award. Diese Awards gehören zu den international bedeutendsten Auszeichnungen im Architektur-Sektor.
Hohe Würden
Jedes Jahr werden die Besten ihres Fachs von architizer.com prämiert. Die dazugehörige Jury setzt sich aus mehr als sieben Millionen Mitglieder einer professionellen Online-Community mit Sitz in New York zusammen. In der Kategorie „Architektur + Glas“ konnte die Maraya Concert Hall zunächst angesehene Experten aus Fachgebieten wie Design, Technologie, Immobilien und Mode überzeugen. Anschließend bekam es die meisten Stimmen bei der Publikumswahl und wurde zum 2020 Popular Choice Sieger erklärt.
Es wurde also höchst erfolgreich eine Landmark geschaffen, die weit über architektonische Grenzen hinweg Aufmerksamkeit erregt: Fast kein Reisemagazin, das nicht über die Maraya Concert Hall berichtet. Wenn man so will, kann man sagen: Der Bau spiegelt sich in allen möglichen Lebenswelten wider. Nachsatz: Das arabische Wort Maraya bedeutet zu Deutsch: Spiegel.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Giò Forma