Warteraum zum All
Richard Bransons private Raumfahrtstation ist betriebsbereit. Das Interior-Konzept für Spaceport America stammt von einem Londoner Designbüro und kommt fast gänzlich ohne Star-Trek-Attitüde aus.
Roter Boden, dürres Gestrüpp und zerklüftete Felsformationen am Horizont. Inmitten der asketischen Wüstenlandschaft von New Mexico befindet sich Spaceport America. Von dieser Raumfahrtstation will der britische Milliardär Sir Richard Branson gutbetuchte Klienten künftig in den Weltraum befördern. Das Interior-Konzept wurde von Virgin Galactics Chefdesigner Jeremy Brown in enger Zusammenarbeit mit dem Londoner Viewport Studio erarbeitet und fiel überraschend bodenständig aus. Von Raumschiff Enterprise oder anderen Weltraumfantasien ist hier nicht viel zu spüren.
Eine schwierige Mission
„Was ist der Ausgangspunkt für etwas, das noch nie zuvor entworfen wurde?“, fragten sich die Designer zu Beginn ihrer Mission. Tatsächlich ist es eine waghalsige Operation. Wie stattet man eine Raumfahrtstation aus, ohne dabei die gängigen Klischees des Weltraumzeitalters zu bedienen? Dies ist vermutlich der Grund dafür, warum sich der fertige Entwurf der Inneneinrichtung mehr an der Erde als am Weltraum orientiert.
Herzstück des neuen Gateway to Space ist die Gaia Lounge im unteren Stockwerk. Auch wenn die Einrichtung nach recht beliebigem Design-Hotel aussieht, so sind die Tische, Lampen und Sitzgelegenheiten allesamt Maßmöbel, die exklusiv für die Raumfahrtstation entworfen und gebaut wurden.
Unser Team stand am Rollfeld und starrte in die Wüste von New Mexico, die so roh und schön ist, so reich an Farbe und Textur. Diese Inspiration prägte die Design-Arbeit maßgeblich.
Viewport Studio
Inspiration für die Designer lieferten in erster Linie die örtlichen Gegebenheiten. „Unser Ausgangspunkt war der Standort des Raumfahrtzentrums und seine umgebende Landschaft. Unser Team stand am Rollfeld von Spaceport America und starrte in die Wüste von New Mexico, die so roh und schön ist, so reich an Farbe und Textur. Diese Inspiration prägte die Design-Arbeit, die folgte, maßgeblich“, erklärt Viewport Studio seinen Zugang.
Laut Entwurfskonzept stand bei der Entwicklung der Möbel der Wohlfühlfaktor im Vordergrund. Verweise zur Raumfahrt und der umgebenden Wüste wurden dezent eingesetzt. Die großen, geschwungenen Holzbänke im Essbereich scheinen über dem Boden zu schweben. Sie schaffen eine gewisse Leichtigkeit und seien als Referenz an den schwerelosen Raum gedacht. „Die Barista-Insel ist das Herz des Raumes und spiegelt die Schichten der Sandsteinformationen wider. Eine große Platte aus durchscheinendem Onyx nimmt die Idee einer Wasser-Oase in der Wüste auf“, heißt es im Designkonzept weiter.
Science-Fiction-tauglicher Walkway
Die Gaia Lounge können neben Piloten und Ingenieuren auch die künftigen Amateur-Astronauten samt Familien und Freunden nutzen. Das obere Stockwerk trägt den Namen Cirrus, wie die Wolke, und steht für Licht, Luft und Flug. Es ist das Nervenzentrum der Raumfahrtoperationen und über eine Galerie mit der Gaia Lounge verbunden. Durch die großen Glasfronten sehen die Lounge-Gäste, wie die Astronauten über den zentralen Walkway schreiten, das Raumschiff besteigen und schließlich Richtung Weltraum abheben.
Der Walkway ist der einzige Bereich, der annähernd Science-Fiction-Charakter aufweist. Er besteht zur Gänze aus interaktiven LED-Bildschirmen und sorgt beim Boarding für eine entsprechende Licht-Dramaturgie. Während des Fluges dient er als Informationsbildschirm für wartende Angehörige, Mitarbeiter und Journalisten.
Im Spaceport America ist auch der Hangar für die Raumfähren und das Trainingszentrum der Astronauten untergebracht. Das Gebäude wurde so entworfen, dass es auf einer Seite in die Landschaft eintaucht und zum Rollfeld hin eine cinematografische Glasfront bildet. Der Entwurf stammt von Norman Fosters renommiertem Architekturbüro Foster + Partners. Der britische High-Tech-Architekt, der 1999 mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde, konnte den internationalen Wettbewerb 2007 für sich entscheiden.
600 gebuchte All-Reisen
Mit Abschluss des Innenausbaus ist die weltweit erste kommerzielle Raumfahrtstation nun betriebsbereit. Einen schweren Rückschlag hatte Virgins Raumfahrt im Jahr 2014 erlitten, als das SpaceShipTwo bei einem Testflug über der Mojave-Wüste abstürzte. Ein Pilot kam dabei ums Leben, und ein zweiter überlebte mit einem Notfallschirm wie durch ein Wunder.
Die 600 Raumfahrtanwärter, die laut Virgin bereits gebucht haben, hat der technische Zwischenfall nicht abgeschreckt. Sie sind bereit, rund 250.000 US-Dollar für den 90-minütigen Flug zum äußeren Rand der Erdatmosphäre hinzulegen. Schon 2020 werden die ersten Amateur-Astronauten Richtung Schwerelosigkeit abheben.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Virgin Galactic