Snøhettas schwarzer Erstling
Die Mischung aus Café und Lounge, die kürzlich in Tokio eröffnet hat, ist in der schönen „Farbe” dunkelbunt gehalten. Also schwarz. Der Entwurf für das „Burnside” stammt von den Edel-Architekten Snøhetta.
Die Bezeichnung dunkelbunt haben wir uns hier geliehen. Denn eigentlich ist [dunkelbunt] (Eigenschreibweise) ein deutscher freischaffender Künstler und Musiker. Und schwarz ist eigentlich nicht dunkelbunt sondern gehört streng genommen zu den unbunten Farben. Also zu solchen, die nur aus Schwarz-, Grau- und Weißtönen bestehen. Jeder unbunte Farbton entspricht einem „Farbort” irgendwo zwischen schwarz und weiß.
Das soeben in Tokio eröffnete „Burnside” jedenfalls, eine Mischung aus Café-Restaurant und Lounge-Bar, ist in elegantem Schwarz gehalten. Ganz ohne Melancholie. Falls man nicht schon ohnehin ein Nachtschwärmer ist (und zufällig in Tokio residiert), könnte man es im Burnside werden (wenn man dort zu Besuch weilt).
Zugegeben, es ist dort ein wenig „monochrom”. Wobei das Farbforscher sowie Vertreter des Design-, Grafik- und oder Druckgewerbes möglicherweise aufjaulen lässt. Denn schwarz ist genau genommen „achromatisch” – was soviel bedeutet wie „ohne Farbinformation”.
Wie dem auch sei: Alles, was monochrom ist (übrigens ist auch „monochrom” ein Künstler-Name, in dem Fall gleich eines ganzen internationalen Kunst-Technologie-Philosophie-Kollektivs – mit Büro im Wiener MuseumsQuartier), kann harmonisch wirken. Oder auch ganz schnell langweilig. Es sei denn: Das Auge bleibt erstens – mangels Farbkontrasten – an interessanten Formen, Strukturen und Linien hängen. Und es waren zweitens Gestalter am Werk, die ihr Handwerk verstehen.
Kultur und Kulinarik
Und so sind die vielen künstlerischen Verweise hier gar nicht fehl am Platz. Denn das Burnside hat etwas von einer Kunstinstallation – wurde es doch schließlich vom avantgardistischen schwedischen Architektur- und Designstudio Snøhetta in Kooperation mit dem lokalen Büro kooo Architects gestaltet. Snøhetta hat schon so manches aufsehenerregendes Restaurant gestaltet, etwas das „Under” in Norwegen.
Und das Burnside ist streng genommen nicht 100 Prozent in schwarz gehalten. Für einige wenige, dezente Farbkleckser sorgen die bernsteinfarbenen Akzente hinter der Schauküche, die Lichtinstallation sowie der Beitrag von Blumenkünstler Makoto Azuma. Sein Kunstwerk hängt hinter der Bar und heißt „Block Flowers”.
Das Burnside liegt – wie passend – im Herzen der Tokioter Straßenkultur und Kunstszene, in Harajuku. Das ist ein farbenfrohes, lebhaftes Viertel, in dem sich ausgefallene Läden mit Vintage-Kleidung und Cosplay-Geschäfte in guter Nachbarschaft mit gehobeneren Boutiquen, unzähligen kleinen Bars und trendigen Cafés befinden. Zu den kulturellen Höhepunkten zählt zudem das Watari Museum of Contemporary Art mit innovativen wechselnden Ausstellungen.
Kreuzung aus Tokio und der Bronx
Man läuft nicht Gefahr, das Burnside zu verfehlen: es ist mitten in einem FamilyMart in einer ehemaligen Boutique. Die japanische Handelskette ist nach 7-Eleven und Lawson Japans drittgrößter Convenience-Store-Betreiber. Tagsüber wird der Gaumen von Chefkoch-Speisen verwöhnt. Abends verwandelt sich das im Auftrag von En One Tokyo entworfene Burnside zu einer lässigen Bar und Lounge.
Es ist Snøhettas erstes Projekt, das in Tokio eröffnet wurde. Das Architekturbüro hat diesen Raum mit Unterstützung des im New Yorker Stadtbezirk Bronx ansässigen Food-, Design- und Kunstkollektiv Ghetto Gastro entworfen. Sein Ansatz: Eine gemeinsame, kulturelle, urbane und nachbarschaftliche Erfahrung zu schaffen. Egal, ob man in Tokio oder eben in der Bronx weilt.
Ghetto Gastro hat den kulinarischen Stil „Black Power Kitchen” entwickelt. Dies spiegelt Snøhetta in der Einrichtung wider. Die Farbe Schwarz kann so auch als (politisches) Statement verstanden werden. Involviert war zudem neben dem Blumenkünstler Makoto Azuma der Soundsystemdesigner Devon Turnbull (Ojas Speakers).
Koch-Spektakel
Aus dem begrenzten Raumangebot der ehemaligen Boutique entwickelte das Design-Team drei Bereiche: die Bar, einen langen Tisch und die Lounge. Die stylishe Küche ist U-förmig auf einem Podest gleich einer Bühne angelegt und eingerahmt von gebogenen Wänden. Das Kochen wird so zu einem Spektakel, zu einem Spiel mit Feuer und Hitze, an dem die Zuschauer teilhaben. Und soll gleichzeitig ein Maximum an Fexibilität für wechselnde Köche und eine Vielzahl an unterschiedlichen Pop-ups oder Events bieten.
Das restliche Interieur ist dominiert von maßgefertigten Tischlerarbeiten, viel Eschenholz und cleverer Beleuchtung. Das Lokal kann in Summe 30 Personen fassen. Der Speisebereich ist so konzipiert, dass sich die speziell entworfenen Familientische zusammenfügen und wegklappen lassen, um eine größtmögliche Zahl an diversen „Layouts” zu ermöglichen – einschließlich der Schaffung einer Tanzfläche für spätabendliche Veranstaltungen. Und der lange Tisch eignet sich sogar als Laufsteg.
Fließende Übergänge
Der Raum kann je nach Tageszeit und Veranstaltung in einen Tages- und Nacht-Modus wechseln: Eine Wand mit stoffbespannten Fenstern filtert untertags das Tageslicht, in der Nacht dringt ein wenig Licht von der darunter liegenden Straße herein. Die Übergänge zwischen Café/Restaurant und Bar/Lounge sind somit fließend.
Text: Linda Benkö
Fotos: Snøhetta/Keishin Horikoshi/SS