Snøhetta erfüllt Tiroler Büro-Traum
Der Tiroler Reiseveranstalter ASI legt größten Wert auf Nachhaltigkeit. Auch bei seinem neuen Firmensitz: Designt vom internationalen Top-Büro Snøhetta, gilt der innovative Holzbau in Natters nun als „grünes Nest“ des Unternehmens.
Langstreckenflüge für ein paar Tage Erlebnisurlaub? Derlei gibt es beim Reiseveranstalter ASI nicht. Denn das vor 57 Jahren von Bergpionier und Naturfreund Hannes Gasser gegründete Unternehmen bemüht sich, den ökologischen Fußabdruck seiner spannenden Angebote so gering wie möglich zu halten. Ganz klar, dass auch der neue Firmensitz in Natters ein Musterbeispiel gelebter Nachhaltigkeit werden sollte. Dazu bediente man sich der Expertise des renommierten Architekturstudios Snøhetta, das den Büro-Traum der Tiroler Wahrheit werden ließ.
Nachhaltige Arbeitswelt
Dass die international tätigen, norwegischen Architekten auch ein Büro in Innsbruck haben, kam dem Auftraggeber gelegen. Das erfahrene Team entwickelte ein neues Bürogebäude für ASI Reisen, das Arbeitskultur und Spezialisierung des Familienunternehmens reflektiert.
Der Entwurf setzt auf ein offenes, modernes Büro-Konzept. Gemeinsam mit den Mitarbeitern der Firma konzipierte Snøhetta einen Holzbau, der das Thema „Symbiose zwischen Natur und Mensch“ elegant umsetzt. So entstanden in Natters, südlich von Innsbruck, 65 umwelt- und menschenfreundliche Arbeitsplätze. In einem „grünen“ und flexiblen Bauwerk, das den Idealen des erfolgreichen Kunden in jedem Punkt entspricht.
Schon die Außenansicht des Neubaus hätte dem (1996 verstorbenen) Firmengründer vermutlich Freude gemacht: Mitten im Grünen und selbst mit einem „grünen Vorhang“ bestückt, fügt sich der Holzbau harmonisch in die bewaldete Umgebung ein.
Sparsamer Holzbau
Um den Materialverbrauch zu optimieren, wurde das viergeschossige Haus als Holzskelettbau mit Massivholzelementen errichtet. Keller und Gebäudekern bestehen zwar aus Stahlbeton. Doch auch für die Pfosten-Riegel-Fassade, Fenster, Böden und Akustikpaneele wurde Holz verwendet.
Bei der Holzfassade kam eine aus Japan stammende, traditionelle Methode der Konservierung zum Einsatz. Beim so genannten Yakisugi wird die Holzoberfläche leicht verkohlt und so karbonisiert. Dadurch wird die Fassade ohne weiteren Anstrich wasserdicht, haltbar und vor Insektenbefall geschützt.
Neuer Trend, altes Wissen
Dass der Trend zur Nachhaltigkeit dem Holzbau eine famose Renaissance beschert, ist bekannt. Strategien wie die alte – auch Shou Sugi Ban genannte – Technik der Karbonisierung bewahren den natürlichen Baustoff vor vorzeitigem Verfall.
Auch das Innere des neuen Büro-Traums erfüllt alle Ansprüche zeitgemäßer Arbeitswelten. Galerieräume ergeben einen großen, offenen und flexiblen Raum, der sich über mehrere Etagen erstreckt. Hier haben die Architekten von Snøhetta individuelle Arbeitsplätze, einen Empfangsbereich, Besprechungsnischen und -zimmer geschaffen.
Hell und flexibel
Die Räume können je nach Bedarf adaptiert werden. Auch ein Ruheraum, eine Cafeteria, Duschen und Umkleide-Räume sind Teil des Konzepts. Großzügige Glasflächen sorgen für viel Tageslicht und herrliche Aussicht auf die umgebenden Berge und Wälder.
Besucher werden im so genannten „Base Camp“ empfangen. In diesem über zwei Etagen reichenden Foyer prangen große Wandpaneele, die die Geschichte des Unternehmens ASI Reisen präsentieren.
Ein „Pflanzen-Regal“ unterstützt die Gliederung der Bürozonen, bietet Stauraum und Ablageflächen. Und eine Brücke verbindet den Neubau mit einem bestehenden Gebäude, in dem sich Besprechungs- und Ruheräume befinden.
Das Gebäude ist maßgeschneidert für die Bedürfnisse von ASI Reisen und spiegelt die Werte des auf nachhaltiges Reisen spezialisierten Unternehmens wider
Patrick Lüth, Partner und Geschäftsführer der Innsbrucker Snøhetta Niederlassung
Ein Metallgerüst ist der schwarzen Holzfassade vorgehängt. An der Westseite auch als Balkon genutzt, dient das Gestänge als Basis für Kletterpflanzen. Die so entstandene grüne Fassade bietet Blendschutz und beschattet die großen Glasflächen. Die 118, aus 17 verschiedenen sommer- und immergrünen Arten kombinierten Gewächse gedeihen in Trögen. Sie verändern das Erscheinungsbild des Büro-Traums je nach Saison.
Pflanzenvielfalt fürs lokale Ökosystem
Außerdem verringern diese „grüne Pufferzone“ und ihr Mikroklima den Energieaufwand der Gebäudekühlung. Das Regenwasser der Dachflächen wird in einer unterirdischen Zisterne gesammelt. Es speist das automatische Bewässerungssystem, das die Pflanzen an der Fassade und im Garten versorgt.
Gemeinsam mit 1215 rund ums Gebäude neu gesetzten Gewächsen aus 73 lokalen Arten leistet die grüne Fassade einen vielfältigen Beitrag zur Biodiversität.
Um ein optimales Energiekonzept zu erstellen, wurde eine thermisch-dynamische-Gebäudesimulation durchgeführt. Haustechnik und Gebäude wurden anhand der gewonnenen Daten aufeinander abgestimmt. Eine reversible Luft-Wasser-Wärmepumpenanlage (40 kW) heizt und kühlt den Neubau über die Bodenheizung. Raumtemperatur-, Feuchtigkeits-, CO2- und Wind-Sensor steuern die natürliche Lüftung vollautomatisch über mechanisch angetriebene Lüftungsflügel.
Durchdachte Lüftung
Die Lüftung nutzt den thermischen Auftrieb und die Winddruckverhältnisse, um das Gebäude mit Frischluft zu durchströmen. Der Öffnungsgrad der Lüftungsflügel, deren Öffnungszeit und -dauer, hängen von Umgebung und Raumklima ab. Soll- und Ist-Werte werden ständig überprüft und zur Bestimmung der optimalen Einstellung herangezogen.
Photovoltaik-Paneele auf dem Dach werden als Überschussanlage betrieben. Der dort erzeugte Strom deckt einen Teil des Eigenstromverbrauchs.
Das jüngst fertiggestellte „grüne Nest“ des Tiroler Reiseveranstalters ist ein weiteres Exempel für das Bemühen der Snøhetta Architekten, nachhaltige Neubauten in schützenswerter Natur zu schaffen. Neben Aufsehen erregenden Projekten in Norwegen und faszinierenden Entwürfen wie etwa für die Theodore Roosevelt Library in North Dakota mag das Bürohaus in Natters zwar vergleichsweise „klein“ scheinen.
Allerdings: Sowohl die ASI-Mitarbeiter, als auch Tirols Umwelt werden das Werk des innovativen Design-Teams bestimmt zu schätzen wissen. Und das schöne Gebäude darf absolut als Musterbeispiel moderner Büro-Architektur gelten, die Mensch und Natur gleichermaßen gerecht wird.
Text: Elisabeth Schneyder
Fotos: Christian Flatscher