Wenn der Stadt das Licht aufgeht
Nicht nur Gebäude werden intelligent, sondern ganze Städte! Und der erste Schritt Richtung Smart City wird wohl auf der Straße getan werden: Die Straßenbeleuchtung soll bald mehr können, als bloß zu leuchten!
Mag schon sein, dass einmal alle Wege nach Rom geführt haben. Doch morgen schon werden sie uns wohl weniger in eine antike Stadt, sondern eher in eine Smart City lotsen. Sprich: Durch das Sammeln und Auswerten von Daten werden Städte nicht mehr bloß ihre Ampeln automatisiert von Rot auf Grün schalten. Die ersten Schritte in Richtung Smart City werden heute bereits getan. Und das ausgerechnet auf unseren Straßen …
Straßenlampen werden zu smarten Ankern
Die Sache ist nämlich so: Wenn man über eine ganze Stadt Sensoren verteilen möchte, macht es Sinn, bereits vorhandene Infrastrukturen zu nutzen. So erspart man sich einerseits Kosten und andererseits eine komplexe Planung. Aus diesem Grund ist man sowohl in Deutschland als auch in Österreich aktuell dabei, die Straßenbeleuchtungen in Großstädten als Anker für clevere Sensoriksysteme zu nutzen.
In einem ersten Schritt wurden bereits in vielen Ballungszentren die Beleuchtungssysteme auf LED-Lampen umgestellt. Das spart Energie. Sonst hilft es aber wenig. Der nächste Schritt jedoch hebt die Sache auf ein neues Level: Die LED-Lampen können in Zukunft mitdenken! Als besonders helle Köpfe entpuppen sich dabei die Entwickler von Philips. Sie werden noch im Laufe dieses Jahres ein Produkt auf den Markt bringen, das mittels hochentwickelter Sensorik unterschiedliche Daten sammeln wird.
Eine Smart City kann Verbrechen verhindern
Keine Sorge, diese Straßenlampe von morgen soll keineswegs Spaziergänger ausspähen. Sie wird allerdings die Menschen auf der Straße in ihrem Tun unterstützen. Und sogar beschützen, sagen Experten. Aber was kann man sich darunter vorstellen? Die Lampen sollen Risiken im Straßenverkehr frühzeitig erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten, heißt es.
Was so sperrig klingt, bedeutet nichts anderes, als dass die Sensoren etwa Unfälle erkennen. In so einem Fall würden Einsatzkräfte automatisch alarmiert und die Lichtintensität der Lampen erhöht. Rauchentwicklung eines brennenden Fahrzeugs – oder aber auch eines Hauses in der Umgebung – kann ebenso erkannt werden.
Selbst Gewalttaten will man in Zukunft auf diese Art und Weise frühzeitig erkennen und langfristig verhindern. Wenn eine Straftat von den Lampensensoren erkannt wird, soll diese mittels Schall, Licht und Notruf unterbunden werden.
Doch es sind auch die viel weniger spektakulären Aspekte, die großflächig gedacht eine große Wirkung entfalten können. Dank der bereits erwähnten Sensorik erkennt jeder Lichtpunkt, wie die Straßenlampen im Fachjargon heißen, automatisch, ob sich ein Mensch, Radfahrer oder Auto in der Nähe aufhält.
Lampen passen sich an Situation an
Sobald Aktivität erkannt wird, schraubt die LED ihre Lichtkapazität auf das für die jeweiligen Bedingungen ideale Level. Sobald es wieder ruhig wird, geht die Lampe auf Standby. Damit kann eine Kommune langfristig richtig viel Geld sparen. Und: Die umgebenden Anrainer werden mit viel weniger Kunstlicht im Schlaf belästigt. Selbst Tiere in der Umgebung würden so profitieren.
In Linz beginnt’s
Solche Konzepte sind bereits im Einsatz. In der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz ist man bereits clever erleuchtet. Hier wird in gewissen Straßenzügen nicht nur das Licht je nach Situation reguliert. Die Sensoren messen beispielsweise die Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Feinstaubbelastung, Lärm und vieles mehr. Sie liefern kontinuierlich aktuelle Daten an ein Kontrollzentrum. Dort werden die Daten verarbeitet. Es werden also in Echtzeit Prognosen und langfristige Analysen erstellt. „Damit kann das Verkehrsmanagement um Umweltaspekte ergänzt und optimiert werden“, sagt die Stadtregierung.
Damit die so anfallenden gigantischen Datenmengen aber nicht nur gesammelt, sondern auch intelligent verarbeitet werden können, braucht es nicht bloß Sensoren. Das weiß Michael Ganser, Senior Vice President Zentraleuropa von Cisco von berufswegen. Das Unternehmen ist in Linz für die Realisierung der zukunftsweisenden Technologie verantwortlich. „Das Herzstück jeder Smart City ist ein hochverfügbares Netzwerk. Dies erlaubt Analysen von relevanten Daten in Echtzeit. So werden einerseits automatisierte Aktivitäten ausgelöst und andererseits rasche Entscheidungen getroffen. Das hebt die Sicherheit und die Effizienz der städtischen Infrastrukturen enorm.“
SAP-Modell mit Beweiskraft
Dies präzisiert sein Fachkollege Holger Brammer, Global Vice President bei SAP: „Wir können das Beleuchtungsnetz nutzen, um Informationen miteinander zu verbinden. Wir können eine intelligente Verwaltung und höhere Effizienz ermöglichen. So bieten wir den Bürgern wirtschaftliche Vorteile. Das bezieht sich auf das Energie- und Umweltmanagement, das Transportwesen, Versorgungsanlagen und die Strafverfolgung.“
Das Herzstück jeder Smart City ist ein hochverfügbares Netzwerk. Dies erlaubt Analysen von relevanten Daten in Echtzeit.
Michael Ganser, Senior Vice President Zentraleuropa von Cisco
SAP präsentierte kürzlich ein Modell, das Gemeinden beweist, wie sie mit ihren bereits errichteten Lichtmasten kosteneffizienter, nachhaltiger und sicherer agieren können. Im SAP-Beispiel können die Masten mit der digitalen Welt vernetzt werden.
Über einen angeschlossenen Knoten nutzt der Lichtmast des niederländischen Unternehmens Signify GPS-Technologie für den Empfang von Satelliten- und Mobilfunksignalen als Netzwerk. Dank einer integrierten SIM-Karte kann der Lichtmast Daten an die Cloud senden. Und die Stadt so smart machen.
Außerdem könnten Städteplaner, so Brammer weiter, auf Basis des Energieverbrauchs der genutzten Straßenleuchtung Geräteausfälle vorhersagen. Städtische Mitarbeiter können mithilfe des Glühbirnentyps und der Wattzahl potenzielle Einsparungen für Glühbirnen simulieren. „Wir bezeichnen das als eine Smart-City-Datenplattform, weil sie auf einem Netzwerk von Partnern aufgebaut ist und sämtliche Daten eines Lichtmasts kombiniert. Einschließlich Kameras, Sensoren für die Luftqualität, Muster des Verkehrsaufkommens und Versorgungsanlagen“, so Brammer.
Und was ist jetzt mit Rom?
Städte könnten so die Lebensqualität ihrer Bürger verbessern, Geld sparen und als Standort attraktiver werden. Darin sind sich Brammer, Ganser und alle anderen Branchenkollegen einig. Und nachdem Rom am 1. April dieses Jahres tatsächlich einen 200 Millionen Euro schweren „Smart City Plan“ präsentiert hat, besteht in Zukunft wenigstens die Möglichkeit, dass wieder alle Wege nach Rom führen. Wir werden ja sehen.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Getty Images