Der Asket, der aus dem Vollen schöpft
Shigeru Ban zählt zu den wichtigsten Vertretern einer neuen, nachhaltigen Architektur. Warum er diese Zuschreibung ablehnt und warum die Beständigkeit eines Gebäudes nicht vom Baumaterial abhängt, hat er uns bei einem ausführlichen Interview in seinem Büro in Paris erklärt.
Das Büro liegt in einem der historischen Stadthäuser von Marais, ganz in der Nähe des Centre Pompidou. Straßenseitig deutet nichts darauf hin, dass sich hier die Pariser Niederlassung eines Pritzker-Preisträgers befindet. Erst im fünften Stock, am obersten Absatz eines wahnwitzig schmalen Treppenhauses, steht in kleinen weißen Lettern an der Tür: Shigeru Ban Architects.
An repräsentativem Beiwerk ist dem Stararchitekten aus Japan nicht gelegen. Von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, betritt er den Besprechungsraum, ein kurzes Nicken zum Gruß. Dass er überhaupt Zeit für ein Gespräch findet, ist ein Wunder. Der 65-Jährige hat sich ein Leben zwischen den Zeitzonen eingerichtet, dicht getaktet zwischen Japan, Europa und den USA.
Bereits Ende der 1980er-Jahre hat Ban begonnen, mit Holz und recyceltem Karton zu bauen. Will ihm heute aber jemand den Stempel „Öko-Architekt“ aufdrücken, dann wehrt er sich dagegen. In Wirklichkeit ist er ein Asket, der mit Ressourcen und Materialien sparsam umgeht, ob es sich nun um einen prestigeträchtigen Museumsbau oder eine Notunterkunft für Flüchtlinge handelt. Am liebsten sieht er sich als einer, der die Welt mit einer neuen Art zu bauen überrascht und ihr dabei den Spiegel vorhält. Nämlich dann, wenn seine Leichtbauten aus Papier länger bestehen als so manches Gebäude aus Beton und Stahl.
Sie haben eine sehr starke Bindung zum Baustoff Holz. Stimmt es, dass diese auf Ihre frühe Kindheit zurückgeht?
Shigeru Ban: Ja, ich bin in einem Holzhaus aufgewachsen. Meine Mutter war Modedesignerin und engagierte jedes Jahr Schneiderinnen für die Produktion, weshalb meine Eltern unser Haus in ein Wohnheim umbauten. Fast jedes Jahr war ein Zimmerer im Haus, und ich mochte es, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Damals hatten sie keine elektrische Säge, alles wurde händisch gemacht. Das hat mich sehr geprägt, das Holz, der gute Geruch. Ich wollte damals Zimmerer werden.
Zum Entwurf des Centre Pompidou-Metz hat Sie ein chinesischer Hut inspiriert, den Sie in einem Shop in Paris gefunden hatten. Wie sind Sie bei der Zuordnung von Form und Funktion vorgegangen?
Im Grunde folgt die Form des Daches den räumlichen Funktionen darunter. Daher auch die organische Form. Je nach Position von Galeriebereich und anderen Funktionen wurde das Dach entsprechend angepasst. Dieses flexible System hat sich sehr gut bewährt.
Was hat es mit der Flechtstruktur auf sich?
Die gewebte Struktur des Hutes war meine eigentliche Inspiration. Holzelemente brauchen immer eine Verbindung, außer sie überlappen einander. Das Weben ist eine Baumethode, die ohne Metallverbindungen auskommt. Es gibt viele Holzkonstruktionen, aber keine, die gewebtem Bambus entspricht. Ich habe in der Vergangenheit mit Frei Otto zusammengearbeitet und war auch von seiner Holzgitterschalenkonstruktion beeinflusst.
Für diese biomorphen Formen braucht es sehr gute Ingenieure. Wie gehen Sie an die Sache heran?
Bei ihren Entwürfen sind Architekten in der Regel von Konstruktionsingenieuren abhängig, wohingegen ich die Struktur selbst entwerfe. Wenn das Design fertig ist, wähle ich je nach Art der Konstruktion die Ingenieure aus, die darauf spezialisiert sind.
Die Beständigkeit eines Gebäudes wird davon bestimmt, ob die Menschen es lieben oder nicht. Denn wenn sie es lieben, wollen sie es erhalten.
Shigeru Ban, Architekt und Pritzker-Preisträger
Beim Centre Pompidou-Metz hatten Sie zuerst ein anderes Ingenieurbüro, das Ihnen von einer Dachkonstruktion aus Holz abgeraten hat. Ist das richtig?
Woher kennen Sie diese vertrackte Geschichte? (Lacht.) In der Wettbewerbs- und Entwurfsphase hatte ich ein anderes Büro, das für Beton und Stahl eines der besten ist, aber im Holzbau nicht genug Erfahrung hatte. Der zuständige Ingenieur lehnte meine Konstruktionsidee ab und schlug eine andere Bauweise vor. Als der Kostenvoranschlag dann doppelt so hoch war wie das Budget, wollte der Bürgermeister von Metz, dass die Struktur aus Kostengründen in Stahl gebaut wird. Ich ließ mich aber nicht von meinem Plan abbringen. Als ich mich an eine der großen Holzbaufirmen in Deutschland wandte, wurde mir Hermann Blumer vorgestellt. Ich zeigte ihm meinen Originalentwurf, und er meinte, der wäre umsetzbar und zudem kostengünstiger. Nach zwei Wochen brachte er die nötigen Nachweise, und sein Kostenvoranschlag war genau im Rahmen. Es war sehr schwierig, das Ingenieurbüro, das ich selbst ausgesucht hatte, zu wechseln, aber Blumer war der Einzige, der meine Idee umsetzen konnte. Wir sind auf derselben Wellenlänge und haben unsere Zusammenarbeit danach fortgesetzt.
Das neue Swatch Headquarter in Biel hat eine organische, tierähnliche Form. Es sieht aus, als würde das Omega-Gebäude in seinem riesigen Schlund verschwinden. Was war der kreative Ausgangspunkt für dieses Projekt?
Viele meinen, es habe eine tierische Form, aber im Grunde bin ich nur der L-Form des Grundstücks gefolgt. Hinzu kam, dass es ein Wettbewerb für Swatch und Omega war, zwei Marken mit komplett unterschiedlicher Positionierung – Swatch ist bunt und verspielt, Omega dagegen eher streng. Ich wollte einen Kontrast zwischen den beiden Gebäuden herstellen. Als es fertig war, sahen die Leute im Verbindungsbereich ein großes Maul. Es war nicht meine Absicht, aber mir gefällt diese Vorstellung.
Dieses Gebäude ist eine der größten Holzfachwerkkonstruktionen der Welt und ein komplexes parametrisches Design. Entstehen Ihre Entwürfe am Computer?
Ich zeichne alles mit der Hand, aber wir hatten einen Ingenieur, der die parametrischen Pläne erstellte, auf deren Basis die Holzelemente zugeschnitten wurden.
Das ist meine Vorstellung einer idealen Architektur: ein Gebäude, das seine Außenhaut je nach Saison ändert.
Shigeru Ban, Architekt und Pritzker-Preisträger
Macht die Digitalisierung die Architektur besser?
Der Computer ist ein Werkzeug, das die Arbeit erleichtert, aber um ein Gebäude besser zu machen, muss man mehr Zeit in den Entwurf und in den Bau stecken. Wir können keine 300 Jahre alten Gebäude nachbauen, auch nicht mit neuester Technologie. Das heißt, der digitale Fortschritt macht die Architektur nicht besser.
Aber der Computer kann beispielsweise das Minimum an Material berechnen, das notwendig ist, um die Stabilität eines Gebäudes zu sichern.
Das ist für Ingenieure relevant, aber Architekten sind oft damit beschäftigt, eine außergewöhnliche Form zu kreieren. Entfernt man die Hülle, zeigt sich die große Materialverschwendung. Das Interesse, mit Formen zu spielen, ist oftmals größer als ein sparsamer Umgang mit Materialien.
Der Begriff „Papierarchitekt“ wurde ursprünglich für Architekten verwendet, deren utopische Ideen niemals umgesetzt wurden. Sie haben ihn im wörtlichen Sinn geprägt.
Mein ehemaliger Professor John Hejduk von der Cooper Union (Privatuniversität in New York; Anm.) war als ein solcher Papierarchitekt bekannt. Ich bin also in seine Fußstapfen getreten, scherze ich gerne mit meinen Studenten.
2004 haben Sie direkt am Dach des Centre Pompidou das temporäre Paper Studio gebaut. Wozu diente es?
Als ich den Wettbewerb für die Zweigstelle des Centre Pompidou in Metz gewann, war dies eine sehr große Chance für mich. Um den Bauprozess möglichst genau zu überwachen – denn es war ein sehr komplexes Gebäude –, wollte ich möglichst nah am Kunden sein. Das Centre Pompidou ist zudem eines meiner Lieblingsbauwerke. Der Grund, warum wir Papier verwendet haben, war der, dass es ein Leichtbauwerk sein musste, damit es auf dem bestehenden Gebäude genehmigt wurde. In der Folge konnte ich eine Menge Geld sparen, denn wir mussten keine Miete bezahlen. (Lacht verschmitzt.)
In Zeiten, als Individualismus und Ressourcen noch grenzenlos schienen, haben Sie sich diesem sehr bescheidenen Material zugewandt. Was war Ihre Motivation?
1985, als ich damit begann, das Bausystem aus Pappröhren zu entwickeln, war Umweltverträglichkeit kein Thema. Zwei der Architekten, die ich sehr respektiere – der Amerikaner Buckminster Fuller und Frei Otto aus Deutschland –, haben ihr eigenes Konstruktionssystem entwickelt, basierend auf Materialforschung. Das war auch mein Interesse. Anstatt mich vom modischen Stil der Zeit beeinflussen zu lassen, wollte ich mein eigenes Bausystem kreieren. Eine weitere Motivation war mein Hang, alle Dinge aufzubrauchen und nichts wegzuwerfen. Das hatte nichts mit der aktuellen Nachhaltigkeitsbewegung zu tun.
Es gibt heute einen neumodischen Begriff für das Nicht-Wegwerfen, er heißt Cradle-to-Cradle.
Ökologische Nachhaltigkeit ist sehr modern geworden. Der Begriff wird oft kommerziell verwendet, ohne dass der Sinn tatsächlich verstanden wird. Manchmal werde ich als umweltfreundlicher Architekt bezeichnet, aber das ist eigentlich nicht korrekt. Einmal hat mich ein Journalist der „New York Times“ bei einem Interview als „Umweltschützer durch Zufall“ bezeichnet, und das trifft es eigentlich ganz gut. Die Nachhaltigkeit ist mir zufällig passiert.
Einmal hat mich ein Journalist der ‚New York Times‘ bei einem Interview als ‚Umweltschützer durch Zufall‘ bezeichnet, und das trifft es eigentlich ganz gut. Die Nachhaltigkeit ist mir zufällig passiert.
Shigeru Ban, Architekt und Pritzker-Preisträger
Warum ist noch nie jemand auf die Idee gekommen, Papier als tragendes Baumaterial zu verwenden?
Der Mensch tendiert dazu, Dinge zu entwickeln, die sich in ihrer Stärke übertreffen. Aber sogar der robuste Beton kann sehr leicht zerstört werden. Die Stärke und Stabilität eines Gebäudes hängen nicht von der Stärke des Materials ab. Papier ist ein industrielles Material, das sehr stabil ist. Wir können seine Festigkeit bestimmen und es feuerfest und wasserdicht machen.
Wie bekommen Sie das Papier wasserdicht?
Die großen Kartonsäulen, mit denen ich arbeite, haben innen und außen eine wasserabweisende Schicht. Sie werden normalerweise als Schalungsformen für Betonsäulen verwendet. Damit sie den nassen Beton halten können und witterungsgeschützt sind, müssen sie wasserfest und stabil sein. Ich verwende also Technologie, die es bereits gibt.
Mit der Gründung des Voluntary Architects’ Network (VAN) schuf Ban das Architektur-Pendant zu Ärzte ohne Grenzen. Mit der Unterstützung von freiwilligen Helfern vor Ort entstanden neben Unterkünften auch temporäre Schulen und Kirchen. Besonders bekannt wurde der Takatori Paper Dome, der nach dem Erdbeben von Kobe 1995 errichtet und später in ein erdbebenzerstörtes Gebiet in Taiwan übersiedelt wurde.
Sie haben die Papierstruktur sehr erfolgreich für Ihre humanitären Projekte eingesetzt. Wie ist es dazu gekommen?
Die Papierrohre sind sehr leicht und kostengünstig und daher ideal für temporäre Strukturen. Zudem sind sie fast überall auf der Welt erhältlich. Während meiner Arbeit für die Vereinten Nationen habe ich die Flüchtlingsunterkünfte in Ruanda gebaut. Damals fand ich einen Papierproduzenten in der Hauptstadt Kigali. Und kürzlich, bei den Unterkünften für ukrainische Flüchtlinge, wurden die Papprohre von einem lokalen Hersteller gespendet.
Wie reagieren die Flüchtlinge auf dieses ungewöhnliche Baumaterial?
Als ich die Notunterkünfte nach dem großen Erdbeben 1999 in der Türkei baute, machte ich eine interessante Beobachtung. Der türkische Architekt, mit dem ich vor Ort zusammenarbeitete, war sehr hilfsbereit, aber skeptisch. Er dachte, Japaner würden sich in einem Papierhaus wohlfühlen, weil sie sonst in Holzhäusern leben. In der Türkei dagegen wohnen die Menschen in Häusern aus Beton und Ziegeln, und in Papierunterkünften würden sie sich möglicherweise nicht wohlfühlen. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Aufgrund der furchtbaren Erfahrung des Erdbebens hatten die Menschen Angst, in ihren Massivhäusern zu schlafen. In den Unterkünften aus Papier dagegen fühlten sie sich sehr wohl und sicher.
Wodurch wird die Beständigkeit eines Gebäudes bestimmt? Das temporäre Paper Studio gehört nun zum Museum in Metz. Es wurde vor fast 20 Jahren erbaut und kann nicht mehr wirklich als „temporär“ bezeichnet werden.
Viele meiner Bauten aus Papier waren ursprünglich temporär und wurden schließlich dauerhaft. Zahlreiche Betonbauten in Paris und Tokio hingegen wurden nach kurzer Zeit abgerissen, in der Regel, sobald ein neuer Developer die Immobilie gekauft hatte. Das heißt, im Grunde waren dies temporäre Bauten. Wenn der einzige Zweck eines Gebäudes ist, damit Geld zu machen, dann ist es temporär, auch wenn es aus Beton ist.
Das heißt, die Beständigkeit wird nicht durch das Material bestimmt?
Die Dauerhaftigkeit hat nichts mit der Stärke des Materials zu tun. Ein Leichtbau kann sehr langlebig sein. Holz beispielsweise kann über tausend Jahre bestehen. Ich wusste, dass sogar die Papierrohre, die weniger stabil sind als Holz, sehr lange überdauern können. In Wahrheit wird die Beständigkeit eines Gebäudes davon bestimmt, ob die Menschen es lieben oder nicht. Denn wenn sie es lieben, wollen sie es erhalten.
Braucht es im Hinblick auf den Klimawandel einen Paradigmenwechsel?
Es steht mir nicht zu, das zu bestimmen, aber für mich persönlich ist das Bauen mit Holz eine sehr gute Lösung. Wenn allerdings versucht wird, Wolkenkratzer aus Holz zu bauen, dann geht das zu weit. Das Material ist für diese Höhe nicht gemacht. Aufgrund sehr strikter Brandschutzbestimmungen in Japan hat eine Firma einen Holzwerkstoff mit Betonkern entwickelt. Das Holz bildet nur die Oberfläche, das Material ist im Grunde also ein Fake. Abgesehen davon ist es nicht möglich, Wolkenkratzer aus Holz zu bauen. Holz ist schwach, und wir müssen diese Schwäche nutzen.
In der Vergangenheit hatte ich Schwierigkeiten, den Kunden von einem Holzbau zu überzeugen, heute dagegen kommt die Vorgabe vom Kunden, möglichst viel Holz einzusetzen.
Shigeru Ban, Architekt und Pritzker-Preisträger
Wenn Sie heute Holz als Baumaterial einsetzen, denken Sie dann an die Kohlenstoffsenke und den ökologischen Nutzen?
Das war nicht der Grund, warum ich begann mit Holz zu bauen, aber wenn ich heute eine Holzkonstruktion vorschlage, erwähne ich es sehr wohl. In der Vergangenheit hatte ich Schwierigkeiten, den Kunden von einem Holzbau zu überzeugen, heute dagegen kommt die Vorgabe vom Kunden, möglichst viel Holz einzusetzen.
Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit im operativen Betrieb aus?
Aufgrund mancher sehr strenger Umweltauflagen werden eine Menge Geld und Material verschwendet. Alles in einem Bürogebäude, von der Dämmung bis zur Klimaanlage, muss für den heißesten Sommer und den kältesten Winter geplant werden. Aber in der Realität arbeitet an den heißesten Sommertagen niemand im Büro. So viel Isolierung ergibt wirklich keinen Sinn.
Was würden Sie stattdessen vorschlagen?
Mein Ideal ist es, ein Gebäude zu entwerfen, das wie ein Mensch mehrere Schichten trägt. Genauso wie wir im Winter mehr Kleidung anhaben als im Sommer. Das ist meine Vorstellung einer idealen Architektur: ein Gebäude, das seine Außenhaut je nach Saison ändert. Das ist der Grund, warum ich stets bewegliche Hüllen oder Rollläden plane.
Das Nicolas G. Hayek Center in Tokio hat eine Fassade, die sich komplett öffnen lässt. Der fließende Übergang zwischen drinnen und draußen ist ein wiederkehrendes Element in Ihrer Arbeit. Woher kommt das?
Seit meinen Anfängen als Architekt war ich immer daran interessiert, Räume zwischen drinnen und draußen zu kreieren. Ich glaube, dass der Zwischenraum für alle am komfortabelsten ist, unabhängig von Kultur oder Klima. Auch in Europa und hier in Paris sitzen die Menschen am liebsten draußen unter dem Vordach, sogar im Winter. Weil es einfach gemütlicher ist als drinnen. Mein Interesse gilt den Zwischenräumen.
Heute wird oft von einer Holzrevolution gesprochen. Gibt es die?
Die Nachhaltigkeit ist heute eine Trendbewegung und wichtig für das Investment. Aber auch wenn der Begriff kommerziell verwendet wird, so denke ich dennoch, dass es eine gute Bewegung ist. Fake-Holz herzustellen kann allerdings nicht die Lösung sein.
Egal ob ich ein Museum oder eine Notunterkunft entwerfe, ich wende immer dieselbe Energie dafür auf und empfinde dieselbe Befriedigung, wenn es fertig ist.
Shigeru Ban, Architekt und Pritzker-Preisträger
Was könnte die Lösung sein?
Wir müssen die Bauvorschriften ändern. Das Feuer hat überall dieselbe Kraft, und ich verstehe nicht, warum wir in Japan einen strengeren Brandschutz haben als in Europa. Das Tamedia-Gebäude, ein siebengeschossiger Holzbau in Zürich, könnte aus diesem Grund niemals in Japan gebaut werden.
Es ist sehr wichtig, über den Klimawandel nachzudenken, aber wir sollten eine Überregulierung bei den Nachhaltigkeitsstandards vermeiden. Stattdessen wäre es wichtig, ein Gebäude nur dann zu heizen oder zu kühlen, wenn es auch genutzt wird.
Der Stil eines Architekten wird meist über gewisse Formen und Gestaltungsmerkmale bestimmt. Ihre Arbeit hingegen lässt sich in keine formale Schublade stecken. Wie definieren Sie selbst Ihre Arbeit?
Ich schließe mich der Definition von Frei Otto an: Meine Methode ist die Formfindung. Viele Architekten sind heute auf die Formschaffung konzentriert. Ich frage mich: Welche Form eignet sich am besten? Welche Konstruktion eignet sich am besten? Welches Material eignet sich am besten? Um bei alldem so wenig Energie und Material zu verbrauchen wie nötig und gleichzeitig so viel Raum zu schaffen wie möglich.
Sie haben 2014 den renommierten Pritzker-Preis gewonnen, insbesondere für Ihr humanitäres Engagement. War das für Sie überraschend?
Ich war tatsächlich sehr überrascht. Ich bin zuvor in der Jury gesessen und kannte die Auswahlkriterien. Zuvor waren es die Stararchitekten, die prämiert wurden, und dann änderten sie erstmals die Kriterien und bezogen den sozialen Aspekt mit ein. Das war der Grund, warum die Wahl auf mich fiel. Es war gutes Timing.
Welche Projekte bringen Ihnen die größte Erfüllung?
Alle gleichermaßen, denke ich. Egal ob ich ein Museum oder eine Notunterkunft entwerfe, ich wende immer dieselbe Energie dafür auf und empfinde dieselbe Befriedigung, wenn es fertig ist. Der einzige Unterschied ist, dass ich für manche temporäre Bauten nicht bezahlt werde, aber das spielt für mich keine Rolle. Mein Interesse ist immer dasselbe.
Interview: Gertraud Gerst
Fotos: Philipp Horak