SDE4, Terrasse
#greenbuilding

Ökologie zum Anfassen

Mit dem SDE4 an der School of Design & Environment der Universität Singapur gelang es nicht nur, ein Netto-Null-Gebäude zu kreieren. Das Projekt lädt die Studierenden auch dazu ein, ihr Fachgebiet interaktiv zu erlernen.

Nachhaltigkeit ist wohl einer der meistgebrauchten Begriffe unserer Zeit. Auch in der Architektur liegt mittlerweile der Fokus insbesondere darauf, ressourcen-, umwelt und klimaschonend zu arbeiten. Natürliche Materalien wie Holz sind das Gebot der Stunde. Der CO₂-Fußabdruck soll beim Bau wie bei der Nutzung eines Gebäudes so gering wie möglich gehalten werden.

SDE4, Südfront
Das vierte Gebäude der SDE, der School of Design & Environment, kurz: SDE4. Ein „Prototyp des nachhaltigen Designs“.

In Singapur wurde ein diesbezügliches Vorzeigeobjekt errichtet. Der zuletzt fertiggestellte vierte Bauteil der School of Design & Environment, ein Institut der NUS (National University of Singapore), bezeichnen die Verantwortlichen stolz als erstes Netto-Null-Emissions-Gebäude der Metropole. Sprich: Das SDE4, so sein Kürzel, ist ein Gebäude, das keinerlei CO₂-Emissionen verursacht. Ein „Prototyp des nachhaltigen Designs“, wie die ausführenden Studios, Serie Architects mit Hauptsitz in London und Multiply Architects aus Singapur, erklären.

Designstudio
Die großflächigen Designstudios des SDE4 kann man flexibel gestalten.

„In tropischen Gebieten besteht die Herausforderung der Energieeffizienz im Wesentlichen darin, Sonneneinstrahlung durch Schatten und Belüftung zu mildern. Aus diesem Grund setzt man in den Tropen auf offene Architektur, die durch den Verzicht von massiven Wänden eine natürliche Belüftung ermöglicht“, so Serie Architects. Zudem wollte man mit dem klimaneutralen Gebäude ein Symbol schaffen, das als Vorbild für die Studierenden dient.

Kreative Nachhaltigkeit

Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem staatlichen Infrastruktur- und Stadtentwicklungsunternehmen Surbana Jurong entwickelt. Im Vordergrund stand dabei neben dem Klimaaspekt das Lernen und Forschen als kreativer und kollaborativer Prozess. Zudem sollte das klimaneutrale Projekt den Auftrag der SDE widerspiegeln: Design, Nachhaltigkeit und Bildung in Südostasien zu fördern.

Plan SDE4 von Serie Architects und Multiply Architects
8.500 Quadratmeter Fläche verteilt sich auf sechs Stockwerke.

Korridore & Treppen in der SDE4
Korridore und Treppen laden zu Interaktion und Kommunikation ein.

Auf einem Areal von rund 1.500 Quadratmetern entstand ein sechsstöckiges Gebäude aus Beton und Stahl mit 8.500 Quadratmetern Nutzfläche, in dem neben den eigentlichen Designstudios auch mehrere öffentliche Räume, Werkstätten, Forschungszentren, ein Café und eine Bibliothek Platz fanden. Das SDE4 besteht aus verschiedenen, flexibel nutzbaren Volumen und Terrassen, von den Architekturstudios als „Plattformen und Boxen“ bezeichnet. Zahlreiche Treppen und Korridore durchziehen das Gebäude, um „einen Bewegungsfluss“ zu schaffen, der Interaktion sowie Kommunikation fördert, wie Serie Architects erläutert.

Interaktives Lernen

Die großflächigen gläsernen Fassaden an der Süd- und Nordseite des SDE4 können auf allen Ebenen vollständig geöffnet werden. Sie schaffen so die erwähnte Möglichkeit der Querlüftung. Die notwendige Beschattung im tropischen Klima Singapurs übernimmt dabei das Flachdach mit seinem gewaltigen Überstand an der Südfront, den seinerseits eine Reihe von imposanten weißen Säulen stützen. 1.200 Photovoltaik-Paneele auf dem Dach versorgen die Schule mit sauberem Solarstrom.  

Singapur, SDE4 von Serie Architects und Multiply Architects
Eine imposante Säulenreihe stützt den gewaltigen Dachüberstand.

Um die Einstrahlung der tiefstehenden Morgen- und Abendsonne zu minimieren, wurden die Seitenfassaden des Gebäudes anders designt als die Nord- und Südfront. An der Ost- und Westseite entschied man sich für die Errichtung von Brise-Soleil-Elementen: Konstruktionen aus perforierten, wellenförmigen Aluminiumelementen, deren Lamellen, einer Jalousie nicht unähnlich, für effizienten Sonnenschutz sorgen. Die Elemente lassen sich öffnen und verschieben. So können die Studierenden nicht nur in den angrenzenden Forschungsräumen quasi im Freien arbeiten. Sie haben zudem die Möglichkeit, die Fassadenteile mit ihren eigenen Designs für umweltfreundliche Gebäudetechnologien auszutauschen und so deren Effizienz zu testen.

Brise Soleil
Die Brise-Soleil-Elemente können ausgetauscht werden …

Außenansicht mit Überhangdach
… und dienen, so wie die Bepflanzung, als Lehrbeispiel zum Anfassen.

Neben den Vorteilen bezüglich der klimatischen Verhältnisse sowie der vielfältigen Nutzungsmöglichkeit im Inneren soll die offene Architektur auch Interaktion mit dem Rest des Campus fördern, indem sie sowohl visuelle als auch räumliche Verbindungen mit der Außenwelt schafft. Der Grünraum unmittelbar vor dem Gebäude betont die enge Beziehung zwischen der Architektur und seiner Umgebung, so Serie Architects. „Die Gärten sind ein wichtiger Teil des ökologischen und pädagogischen Konzepts von SDE4. Die Landschaft trägt dazu bei, das abfließende Wasser aufzunehmen und zu reinigen. So bietet die Gestaltung die Möglichkeit, etwas über Wassermanagement zu lernen. Die Begrünung mit einheimischen Pflanzen kann außerdem für ökologische Studien herangezogen werden.“

Text: Michi Reichelt
Bilder: Rory Gardiner

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