Die Königin aller Eingangshallen
Die Sberbank ist das größte und älteste Finanzinstitut Russlands. Für den opulenten Eingangsbereich der beiden Office-Türme des neuen Hauptquartiers in Moskau wurden alle Register gezückt. Das Ergebnis ist ein märchenhaft anmutendes Design-Meisterwerk.
Die Geschichte der Sberbank beginnt bereits unter der Regentschaft von Kaiser Nikolaus I. im Jahr 1841. Der russische Zar ordnete damals mit einem Dekret die Einrichtung von Sparkassenfilialen bei den Finanzämtern in Moskau und St. Petersburg an. Damit wurde der Grundstein für eine Bank gelegt, die eng mit den Ereignissen der Geschichte Russlands verbunden ist.
Aktiv in europäischen Märkten
Heute ist das Finanzinstitut weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Ein Auslöser dafür war die Übernahme der österreichischen Volksbank International (VBI) durch die Sberbank Russland im Jahr 2012. Dieser Zweig wurde danach in Sberbank Europe AG umbenannt – mit Hauptsitz in Wien und Markt-Aktivitäten in Österreich, Deutschland, Kroatien, Slowenien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Ungarn sowie in der Tschechische Republik.
Aber reisen wir zurück nach Moskau, denn das neue Hauptquartier der größten russischen Bank spielt wahrlich alle Stücke. Als letzter Meilenstein wurde im Sommer 2021 der Eingangsbereich von zwei aneinandergrenzenden Hochhaustürmen fertiggestellt. Verantwortlich für dieses wahrliche Kunststück zeichnet das Schweizer Architekturbüro Evolution Design.
Von Hyperbeln und Parabeln
Laut Aussage der Architekten hat man „auf diesen anspruchsvollen Auftrag mit einer starken gestalterischen Aussage reagiert: eine hyperbolische Paraboloid-Form, die sich an beiden Enden erhebt und den Außenraum zwischen den Türmen umschließt.“ Für Laien versteht man darunter eine regelmäßig doppelt-gekrümmte Fläche, die sowohl Hyperbeln und Parabeln als auch Geraden enthält.
Es wurde ein riesiger, von Tageslicht durchfluteter Raum geschaffen, der alle notwendigen Funktionen beherbergt.
Tanya Ruegg, Partner & Creative Director Evolution Design
Für Evolution Design ging es vor allem um zwei wesentliche Herausforderungen: „Die eine bestand darin, ein Volumen zu schaffen, das groß genug ist, um alle erforderlichen Aufgaben unter einem Dach zu vereinen: Eingangsbereiche für die rund 10.000 Mitarbeiter, die in den beiden Türmen arbeiten; eine zentrale Rezeption; mehrere Restaurants und Cafés; ein Konferenzzentrum und ein großes Amphitheater.“
Dynamische Dachkonstruktion
Die zweite Challenge war, „dass dieses Volumen das Tageslicht in den unteren Ebenen der Türme nicht beeinträchtigen durfte.“ Gelöst wurden die beiden Herausforderungen durch eine dynamische, sattelförmige Dachkonstruktion. „Es wurde ein riesiger, von Tageslicht durchfluteter Raum geschaffen, der alle notwendigen Funktionen beherbergt und gleichzeitig die Sonnenlicht-Reflexion auf die Büros in den Türmen minimiert“, so das innovative Schweizer Architekturbüro.
An dieser Stelle muss man unbedingt erwähnen, dass die Eingangshalle eine Grundfläche von über 4.000 Quadratmetern aufweist und sich über drei Etagen erstreckt. Der gesamte verbaute Raum summiert sich auf sagenhafte 40.000 Kubikmeter. Märchenartig ist auch die Gestaltung gewählt, wie die Designer unterstreichen: „Die beiden Eingänge an den jeweiligen Enden des neuen Gebäudes werden von einer Reihe champagnerfarbener Dreieckspaneele aus rostfreiem Stahl gekrönt, die sich wie zarte Diademe über den Plätzen nach außen neigen.“
Die Stadt als Spiegelbild
Ziel war es, ein „warm-farbiges Muster aus glasperlengestrahlten und reflektierenden Verkleidungen“ zu schaffen, das optimal mit dem Fassadenmaterial der weiteren Gebäude auf dem Sberbank-Campus harmoniert. „Die verglaste Fassade und die glänzende Stahlkrone spiegeln die umgebende Stadtlandschaft und das geschäftige Treiben der Fußgänger wider, die die Türme erreichen und verlassen“, heißt es von Evolution Design.
Der Zugangsbereich der Office-Towers dient in erster Linie als überdachter Eingangs- und Begegnungsort mit zahlreichen Cafés, Restaurants und Versammlungsräumen. Auch hier soll ein unverwechselbarer Eindruck vermittelt werden: „Schon beim Betreten wird man von dem lichtdurchfluteten, stützenfreien Raum und den auskragenden Restaurantterrassen, die die Halle durchziehen, in den Bann gezogen.“
Eintreten und sich austauschen
Besondere Aufmerksamkeit wurde dem biophilen Design gewidmet, also dem Wunsch, mit der Natur in Kontakt zu treten. „Alle Bereiche wurden mit Bäumen, üppig begrünten Wänden und hängenden Gärten gestaltet, um die Räume zu beleben und den Eindruck einer Oase zu vermitteln“, erklären die Schweizer Architekten. „Eine auffällige Wasserwand verstärkt den Eindruck von Natur und erzeugt eine Atmosphäre der Ruhe.“
Das Amphitheater mit einem selbstspielenden Klavier bildet das Herzstück des Gebäudes und ist eine einladende Verbindung zum ersten Stock.
Tanya Ruegg, Partner & Creative Director Evolution Design
Das Erdgeschoß des Eingangsbereichs an der Hauptzufahrtsstraße beherbergt den Empfang und ein Besucherzentrum. Von einem stufenförmigen Amphitheater aus sieht man auf den Moskwa-Fluss und das dahinterliegende, architektonisch spektakuläre Moskauer Finanzviertel. „Das Amphitheater mit einem selbstspielenden Klavier bildet das Herzstück des Gebäudes und ist eine einladende Verbindung zum ersten Stock“, so Evolution Design. „Dieser Bereich eignet sich sowohl für große Versammlungen und Konzerte als auch für ruhigere, informelle Treffen und Kaffeepausen.“
Sberbank – Ein Amphitheater mit Ausblick
Hinter dem Amphitheater liegt das Konferenzzentrum mit mehreren Besprechungsräumen und einem Saal, der sich schnell umbauen lässt und für Veranstaltungen mit externen Besuchern und Geschäftspartnern bereitsteht. Zusätzlich sorgen Designelemente – wie große Medienbildschirme, maßgeschneiderte Lichtskulpturen, glänzende weiße Wandpaneele, geometrische Formen und die Farbpalette der Bank – für ein futuristisches Aussehen. Damit sollen auch die technologischen und digitalen Errungenschaften der Sberbank aufgezeigt werden.
Im ersten Obergeschoss befinden sich drei Restaurants. Auch auf dieser Ebene offenbart sich ein herrlicher Blick auf die Skyline von Moskau. „Als Fortsetzung des biophilen Konzepts im gesamten Gebäude wurde das geräumige Restaurant ‚Magic Garden‘ so gestaltet, dass es an ein Essen im Freien erinnert“, erläutern die eidgenössischen Designer.
Luftiger Außenbereich
Dafür wurde dieser helle, mit Tageslicht erfüllte Raum mit Sitzgelegenheiten im Schatten von Bäumen, verspielten Picknick-Nischen und üppigem Grün ausgestattet. All das vermittelt den Eindruck, sich in einem luftigen Außenbereich zu befinden.
Eine großzügige Treppe, die mit individuell gestalteten vogelförmigen Fliesen verkleidet ist, verbindet die Restaurants im ersten Stock mit der „Top Bar“ im zweiten Stock. Von hier aus hat man einen Blick über den gesamten Raum und die darunterliegenden Restaurantterrassen. Unter dem parabolischen Glasdach soll das Interieur der Bar mit seinen hängenden grünen Ranken an einen üppigen Regenwald erinnern.
Eine Bar als Höhepunkt
In diesem Areal sind die Besucher von den Menschen abgeschirmt, die sich auf den beiden unteren Ebenen bewegen. Ein bewusstes Statement, wie man bei Evolution Design hervorhebt: „Die Bar ist als Höhepunkt der Reise durch das Gebäude gedacht und ein Ort, an dem die Mitarbeiter den Tag mit ruhigem Arbeiten beginnen und ihn mit einem entspannten Abendempfang beenden können.“ Das klingt jetzt genau so, wie wir uns einen Tag im Office vorstellen.
Text: Martin Obermayr
Fotos: Peter Wuermli