The Eyes of Sanxingdui, vom MAD entworfenes Museum der Shu-Kultur in China
#architektur

Architektonischer Einblick in die Shu-Kultur

Der Entwurf von MAD Architects für das Sanxingdui-Museum in der Provinz Sichuan gibt sprichwörtlich Einblicke in das geheimnisvolle Shu-Kulturerbe.

Selten hat ein Entwurf in der musealen Architektur so stark Referenz auf einzelne Exponate genommen, wie jener von MAD Architects für das Sanxingdui-Museum. Das liegt ganz offenkundig an der Faszination, die von den im westlichen Teil der Stadt Guanghan in der Provinz Sichuan ausgegrabenen Relikten, allen voran den Bronze- und Goldmasken, ausgeht. Die Fundstücke der Sanxingdui-Zivilisation in der chinesischen Chengdu-Ebene werden mitunter sogar als bedeutender als die Krieger der Terrakotta-Armee eingestuft.

Das Projekt The Eyes of Sanxingdui des Pekinger Büros von MAD Architects
Das Projekt „The Eyes of Sanxingdui” des Pekinger Büros von MAD Architects.

Diese Masken weisen ein markantes Merkmal auf: ihre Augen. Sie sind im Verhältnis zum Gesicht sehr lang und haben einen großen Durchmesser. Sie beschreiben die Gottheit der lokalen Einwohner, König Can Cong, welcher nach historischen Aufzeichnungen hervorstechende Augen hatte. Andere Forscher wiederum glauben, die Augen stehen als Symbol für Schönheit, für mandelförmige, große Augen.

Wenn in China Museen gebaut werden, wird für gewöhnlich nicht gekleckert, sondern geklotzt. Ob aufwändiges Design oder großflächige Areale oder High Tech – vor allem in Südchina finden sich spektakuläre Projekte, wie etwa auch das von 3XN geplante Naturmuseum.

Shu Maske der Sanxingdui-Kultur-Stätte
Eine der Shu-Masken mit den markanten und berühmten Augen im Sanxingdui Ancient Cultural Heritage Museum.

Mysteriöses Shu-Kulturerbe architektonisch eingefangen

Das neue Sanxingdui Ancient Cultural Heritage Museum jedenfalls sollte die Geheimnisse der alten Shu-Kultur einfangen, richtiggehend zelebrieren – dies war der Wunsch und Anspruch des Architekturbüros. Und dies ist dem Pekinger Büro von MAD Architects unter der Leitung von Ma Yansong auch gelungen: Das Projekt „The Eyes of Sanxingdui” mutet mit den sechs kuppelförmigen Holzgebäuden fast genauso geheimnisvoll wie die Funde selbst an.

Die Architektur des Sanxingdui Ancient Cultural Heritage Museum selbst ist geheimnisvoll
Das Sanxingdui-Museum ist mit seinen „Fackel-Augen”, den Öffnungen oben an den kuppelförmigen Holzstrukturen, …

das Sanxingdui-Museum mit seinen Fackel-Augen, die Öffnungen oben an den kuppelförmigen Holzstrukturen
… fast so geheimnisvoll wie die Funde der alten Shu-Kultur und die Sanxingdui-Stätte selbst.

Nach Sonnenuntergang nämlich werden die sechs Gebäude mit einer Struktur, die nach oben hin diese großen, weit geöffneten Augen nachbilden, wie „Fackelaugen” hinter den metallisch schimmernden Masken von Sanxingdui lebendig. Die kuppelförmigen Bauten vereinen die „Geister” dieser alten Zivilisation mit den neuen Formen und lassen die Besucher im Museum zwischen Geschichte und Zukunft mäandern.

Die archäologischen Funde der Gegend stammen aus der Zeit vor etwa 4.500 bis 2.800 Jahren. Sie spiegeln die alten Städte und die Traditionen der Shu-Kultur im Südwesten Chinas wider. Die Sanxingdui-Stätte hat sich gemeinsam mit der nahegelegenen Jinsha-Stätte um die Anerkennung als Weltkulturerbe durch die UNESCO beworben.

Die ausgegrabenen Artefakte bestehen hauptsächlich aus Bronzen, Figuren aus Jade, Stein, Gold, Töpferwaren, Elfenbein und Muscheln. Das Museumsgelände insgesamt umfasst eine Gesamtfläche von 90.000 Quadratmetern.

Der Entwurf von MAD Architects für das Sanxingdui Museum respektiert die umgebende Landschaft sowie …

Sanxingdui-Museum: Die sechs Holzgebäude sind in aufwändiger Kuppelbauweise ohne Säulen geplant
… die Wasserflächen des Geländes. Die Pavillons gliedern sich natürlich ein.

Immense Spannweiten der säulenfreien Innenräume

Die sechs kuppelförmigen Holzgebäude sind in Ost-West-Richtung verstreut. Ein Besucherzentrum mit einer Fläche von 5.830 Quadratmetern macht den Auftakt der Anlage. Die bebauten Fläche der Anlage in Summe beträgt 28.650 Quadratmeter.

Die Holzfassade der Objekte geht mit der naturbelassenen Park-Umgebung eine harmonische Symbiose ein. Die großen Spannweiten der Holzkonstruktion ermöglichen offene, säulenfreie Innenräume. Dadurch können die Museumsbetreiber bei der Ausstellungsgestaltung sehr flexibel agieren. Die Oberlichter sorgen für viel natürliches Licht.

Sanxingdui-Museum im Inneren
Die Oberlichter versorgen die Besucher mit viel natürlichem Licht.

Das weitläufige Sanxingdui-Museum
Ein unterirdischer Gang sowie Glaskorridore verbinden die einzelnen Museumsteile miteinander.

Vom Besucherzentrum aus gelangt man in die Ausstellungshalle, die eine Einführung in die Sanxingdui-Kultur bietet. Durch einen unterirdischen Gang wird man in die Eingangshalle des Museums im ersten Stock geführt. Von dort aus sind die einzelnen Ausstellungsräume durch einen Glaskorridor miteinander verbunden.

Verlässt man das Museum, steht einem noch der Besuch des digitalen Erlebnis-Saals sowie des Ausstellungszentrums für die Konservierung und Restaurierung plus die Studienhalle offen.

Sanxingdui-Museum von oben
Augen als Sinnbild für die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einzunehmen.
Die aufwändige Holzkonstruktion der sechs Baukörper des Sanxingdui-Museums.

Die Augen als Sinnbild für verschiedene Blickwinkel

MAD Architects ließ sich für das Sanxingdui-Museum von den unbekannten Geschichten der Masken inspirieren. Heutzutage weiß man nur wenig über die geografische Lage der antiken Stadt und der alten Shu-Kultur.

Das neue Museum von Sanxingdui sollte jedenfalls mehr sein, als nur ein Gebäude, in dem kulturelle Reliquien ausgestellt sind. Es sollte eine ganz eigene Atmosphäre schaffen und es den Besuchern ermöglichen, das Innere und die Landschaft als Gesamterlebnis, die Augen als Teil der Landschaft, zu begreifen.

Die Augen der einzelnen Baukörper sind durchaus ein Sinnbild für die Fähigkeit des Menschen, Kulturerbe, Geschichte und Gegenwart, kulturellen und öffentlichen Raum von verschiedenen Blickwinkeln aus zu erleben und zu verstehen. Zudem sind sie die architektonische Verkörperung des Einblicks in die mysteriöse Geschichte des Shu-Reichs, den das Museum gewährt.

Text: Linda Benkö
Renderings: MAD Architects

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