Wie grün kann Luxus sein?
Inwiefern kann ein Luxushotel auch nachhaltig sein? Das türkische Architektur-Studio HAADS glaubt zu wissen, wie es geht. Sein rotierendes Hotel soll jedenfalls supergrün zertifiziert werden …
In unserer von unterschiedlichsten Medien in diversesten Ausprägungen gefärbten Welt ist wenigstens eines klar: Jeder Lebensbereich oder jede Lebensidee ist in einer Schublade geparkt, die wir nur selten sehr bewusst gewählt haben. Das nennt man inzwischen sehr plakativ „Framing“. So ist etwa klar, dass CEOs von großen Unternehmen fette SUVs fahren. Auch ist für uns klar, dass E-Autos ausschließlich von „den Grünen“ gefahren werden. Und dass die gleichen Grünen überteuertes Bio-Zeugs essen; das im Idealfall sogar auf dem eigenen Dachgarten im siebten Wiener Gemeindebezirk angebaut wird.
Ebenso fix ist in dieser – zugegeben gerade sehr bewusst überframten (gibt es dieses Wort schon?) – Darstellung unserer Gesellschaft, dass Menschen, die auf Luxus abfahren, sicher keine Umweltschützer sind. Weil, so das dazugehörige Framing, Luxus immer auf Kosten unseres Planeten geht. Punkt. Ende. Aus.
Wie nachhaltig kann Luxus sein?
Nun kommt das türkische Architekturbüro Hayri Atak Architectural Design Studio (HAADS) daher und will allen Ernstes eben dieses Klischee über den Haufen werfen! Und zwar mit einem richtig exklusiven Luxushotel. Noch dazu vor der Küste des superreichen Wüstenstaats Katar. Ein aus vielerlei Hinsicht spannendes Unterfangen.
Aber versuchen wir nur für diese paar Zeilen offen zu bleiben. Für die Kombination „Luxus“ und „Nachhaltigkeit“. Die Eckpunkte des spektakulären Projekts sind oberflächlich betrachtet schnell erzählt: Ein kreisförmiges und eher niedriges Bauwerk wird am Meeresboden verankert vor der Küste Katars im Persischen Golf installiert. Es verfügt über 152 schicke Fünf-Sterne-Zimmer. Über üppige Grünflächen, glamouröse Wasserfälle, einen Spa-Bereich, ein Fitnessstudio, Pools und eine fancy Minigolfanlage. Dass mehrere Restaurants die Gäste mit Kostbarkeiten aus aller Welt verzücken werden, ist selbstredend.
Rotierendes Hotel mit grünem Designansatz
Zugegeben: Schwer vorstellbar, dass dieses Teil auch nur annähernd nachhaltig gedacht sein kann. Dennoch erklärt das Designbüro selbstbewusst, dass es jedes Details unter der grünen Lupe betrachtet, bevor es realisiert wird. Zitat: „Unser Team arbeitet und studiert mit technischen Beratern und Experten aus verschiedenen Bereichen. Das Projekt folgt dem Motto minimaler Energieverlust und Null-Abfall als Prinzip.“ Als offensichtlichen Beweis führen die Architekten den „entsprechenden und für jeden erkennbaren Designansatz“ ins Treffen.
Das tatsächlich zurecht. Konkret geht es darum, dass der Hotelkomplex aus einem einzigen Grund rund gedacht ist: Das gesamte Bauwerk dreht sich binnen 24 Stunden um die eigene Achse! So soll ein Großteil der benötigen Energie auf natürlichem Weg erzeugt werden. Ähnlich wie ein Windrad fungiert hierbei das gesamte Fundament des Hotels als in der Strömung rotierende Scheibe, die einen hochentwickelten Generator betreibt. Diese Art der grünen Energiegewinnung nennt sich übrigens „Vawtau“ (vertical axis wind turbine and umbrella).
Die Architekten dazu: „Durch seine charakteristische Bewegung erzeugt das Hotel elektrische Energie, indem es sich entsprechend der Wasserströmung um seine Position dreht.“ Dass es dabei den Gästen sich ständig wechselnde Perspektiven bietet, sei ein positiver Nebeneffekt. Die zusätzliche benötigte Energie wird zudem über zusätzliche Sonnenkollektoren, Windturbinen und ein unter dem Hotel angebrachtes Gezeiten-Energie-System generiert.
Viele Green-Building-Ideen
Diese gewisse eindrucksvollen Komponenten der nachhaltigen Energieerzeugung sind bei weitem nicht die einzigen, die auf die Green-Building-Idee einzahlen. Ein überdimensionaler „Wirbel“ im Zentrum des rotierenden Hotels etwa hat es ebenso in sich. Dieser wirkt im Zusammenspiel mit dem abgeschrägten Hoteldach wie ein überdimensionaler Trichter, der Regenwasser auffangen soll, und so die Bewässerungssysteme speist.
Während diese Aspekte technisch bereits realisiert werden – das Hotel befindet sich bereits in Bau – wird an zwei anderen Details aktuell noch gefeilt. So verfolgen die Architekten das große Ziel, wonach jeglicher Abfall, der im Hotel entsteht, auch vor Ort wiederverwertet werden soll. „Zumindest darf kein Abfall, der anfällt, die Umwelt auf irgendeine Art und Weise belasten“, so das mutige Statement. Außerdem suchen die Experten auch noch nach einer ausreichend gut funktionierenden Methode, um Abwasser und Meerwasser vollständig zur neuerlichen Nutzung aufzubereiten. Auch wenn das technisch bereits machbar ist, stellt sich im konkreten Fall vor allem die Frage, wo es passieren soll. Den Platz ist auf dem schwimmenden Luxus-Ökotempel naturgemäß Mangelware.
Wie kommt man rauf und runter?
Die gesamte Fläche beträgt übrigens rund 35.000 m². Um trotz der Rotation einen ständigen Aus- und Zugang gewährleisten zu können, verfügt das rotierende Hotel über drei verschiedene Eingänge. Dank des 140-Grad-Piers wird somit immer einer mit dem Land verbunden sein.
Was aktuell aber noch fehlt, ist die offizielle Bestätigung, wonach der schwimmende Luxustempel auch tatsächlich so grün ist, wie man uns so vehement weißmachen will. Aktuell wird eine LEED-Zertifizierung angestrebt, die international anerkannt ist. Sollte das nicht gelingen, wird wohl auch das erklärte Ziel des Reframings, der inhaltlichen Neubesetzung des bestehenden Anti-Öko-Klischees für Luxushäuser, nichts weiter als ein Versuch bleiben. Als ein gescheiteter.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: HAADS