Bitte einmal falten
Ein niederländischer Designer hat dem Klappsessel ein parametrisches Update verpasst. Der Rising Chair lässt sich aus einem zweidimensionalen Holzpaneel in ein skulpturales Möbel falten.
Es gibt Menschen, die mit Vorliebe ihre Möbel umstellen und in ihren vier Wänden die immerwährende Erneuerung zelebrieren. Da ist es praktisch, wenn sich das Inventar bei Bedarf flachlegt. Das Wegfallen der dritten Dimension spart nicht nur Platz, es ermöglicht auch das einfache Umplatzieren des Mobiliars. Denn Gegenstände mit nur zwei räumlichen Koordinaten lassen sich schnell mal im Aufzug oder im Umzugslaster verstauen. Dass Faltmöbel nicht nach Garten- oder Campingausstattung aussehen müssen, beweist der Rising Chair des niederländischen Designers Robert Van Embricqs.
Am Anfang war die Sitzfläche
Der Stuhl erhebt sich mit wenigen Handgriffen aus einer Fläche an parallelen Holzlatten und faltet sich in ein origamiartiges Konstrukt aus Holz. Ähnlich wie die Bilder in einem Pop-up-Buch, die sich beim Aufblättern aus den Seiten heben. Kleine Einschnitte in den Latten verraten, wo sich die Scharniere befinden, die für das Abwinkeln der Streben verantwortlich sind.
Das Ergebnis ist eine organische, gerundete Form, die auch einen gewissen Sitzkomfort verspricht. „Der Rising Chair unterstreicht die natürliche Form, die ein Objekt durch die Umwandlung seiner selbst annehmen kann. Der Rhythmus der Holzbalken gibt dem Stuhl eine organische Form“, erklärt der Designer.
Der Rhythmus der Holzbalken gibt dem Stuhl eine organische Form.
Robert Van Embricq, Designer
Ausgangspunkt des Gestaltungsprozesses war die Sitzfläche, wie Van Embricqs erläutert, sie sei das Fundament jedes Sitzmöbels. „Ausgehend von diesem Gedanken, machte ich mehrere Einschnitte in die Oberfläche und zog die unterschiedlich langen Profile daraus hervor“, so der Designer. Das Experimentieren mit den Winkeln der Latten habe ihn zum Design des Möbelstücks gebracht.
Parametrisches Design
Auf der Suche nach einer möglichen Oberflächenstruktur wurde er schließlich fündig: „Die Lösung bestand darin, jede zweite Strebe in der genau entgegengesetzten Position zu platzieren. Eine Anordnung, die den Blüten einer Blume entspricht“, erklärt der Absolvent der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam. „Dies entspricht auch der Naturverbundenheit, die ich dem Stuhl geben wollte.“
Die organische Form, die durch die abgestufte und komplementäre Anordnung der Latten entsteht, ist ein Paradebeispiel für parametrisches Design. Mithilfe von Algorithmen und der Festlegung bestimmter Parameter lassen sich Formen entwickeln, wie sie auch in der Natur vorkommen. Falls es sich beim Rising Chair um computergestütztes Design handelt, so lässt Van Embricqs dies allerdings unerwähnt.
Die Palette der Rising Furniture
Zum Rising Chair gesellten sich bald weitere Möbel, die im Flachkarton geliefert werden. Der passende Coffee Table hat eine runde Tischfläche und einen gefächerten, bogenförmigen Unterbau. „Der Rising Side Table wirkt trotz seiner robusten Konstruktion, als befände er sich in einer fortwährenden Wellenbewegung“, heißt es in der Beschreibung.
Der Rising Side Table wirkt trotz seiner robusten Konstruktion, als befände er sich in einer fortwährenden Wellenbewegung.
Robert Van Embricqs, Designer
Im Sortiment der Faltmöbel befindet sich weiters noch der Wohnzimmertisch Rising Table, der Hocker Rising Seat und der Obstkorb Rising Shell. Für seinen ersten Wurf, den Rising Chair wurde Robert Van Embricq mit dem Red Dot Design Award ausgezeichnet.
Von der Lampe zur Falt-Architektur
Demselben Prinzip, nur diesmal auf den Kopf gestellt, folgt die bewegliche Deckenlampe Rising Light Fixture. Die eingebauten LED-Leuchten sorgen für unterschiedliche Lichtstimmungen, je nachdem ob die Lampe flach an der Decke liegt oder in den Raum ausgefaltet ist.
Die Latten bestehen in diesem Fall aus laminiertem Bambus mit einer Gummischicht in der Mitte. Diese ersetzt die Scharniere in den anderen Möbeln und sorgt für das stufenlose Abwinkeln der Streben. „Aus diesem Grund konnte die Lampe aus einer einzigen Fläche gefräst werden“, so Van Embricq.
Der Designer denkt das Faltprinzip sogar noch weiter und wendet es auf die Architektur an. In diversen Studien ergründet er die Möglichkeit, faltbare Konstruktionen an öffentlichen Plätzen zu installieren. Falls er auch diese Ideen in die Wirklichkeit umsetzt, könnte sich aus dem Boden im öffentlichen Raum bald ein Marktstand oder eine Bühne erheben. Nach Gebrauch faltet man das Stadtmobiliar einfach wieder weg.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Robert Van Embricqs