An der Copa Copacabana!
Das „Museum of Image and Sound” (MIS) in Rio wird nun endlich fertig. Das von Diller, Scofidio + Renfro designte Projekt gilt seit Jahren als einer der spannendsten neuen Kulturbauten der Welt. Dabei allzeit im Fokus: der traumhafte Panoramablick auf die Copacabana.
Wer schon beim Spatenstich auf baldige Eröffnung des Museum of Image and Sound an der Copacabana hoffte, hatte in der Tat auf Sand gebaut. Denn genau dieser brachte Rios 2009 gestartetes, kurz „MIS“ genanntes Projekt gehörig ins Stottern: Das Baugelände im Herzen der brasilianischen Metropole, nah am Ufer der Guanabara-Bucht, erwies sich als weitaus schwieriger als gedacht. Anders gesagt: So schön es ist, am Strand zu leben – auf selbigem zu bauen ist kein Klacks. Sandiger Untergrund hat gewaltige Tücken, wie die vielen Verzögerungen bei der Errichtung des heiß erwarteten Museums-Wunderwerks beweisen.
Geduldsprobe und Vorschusslob
Die Pläne für das neue „MIS“ stammen vom renommierten Büro Diller, Scofidio + Renfro. Und das Konzept, mit dem das New Yorker Architekten-Team vor mehr als elf Jahren den entsprechenden Wettbewerb gewann, verspricht eine grandiose Kulturdestination. Nicht umsonst taucht das Museum of Image and Sound regelmäßig in Rankings weltweit heiß erwarteter Neubauten auf. So, wie jüngst als einer der Finalisten im Rennen um den „New Culture Destination of the Year Award“ – einem Preis, der auch als „Oscar für Museen“ gilt.
Der Neubau in der Avenida Atlântica setzt elegant um, was sein Design inspirierte: Den legendären Copacabana-Strand, die markante, von Roberto Burle Marx entworfene Promenade, die Küste und die dahinter aufragenden Berge. Die Promenade wird im Konzept des „MIS“ zum Schlüsselelement. Sie ist der öffentliche Raum, in dem sich Fußgänger, Radfahrer und Straßenverkehr tummeln. Diller, Scofidio + Renfros Projekt wirkt wie eine Erweiterung dieses Boulevards, der sich vertikal in den Museumsbau hinein erstreckt.
Quirliger Kultur-Hotspot
Der „Vertical Boulevard“ verbindet, was drinnen und draußen geboten wird. Sanft und einladend durchquert er Innen- und Außenräume. So schafft er ein Netzwerk aus Galerien, Bildungsangeboten, Zonen für Freizeitgestaltung und Unterhaltung. Und das „MIS“ übernimmt quasi die DNA der lebensfrohen Promenade, obwohl sich seine öffentliche Oberfläche in Form einer festen Fassade streng nach oben richtet.
Der vertikale Kreislauf verbindet Rios legendär buntes Straßen- und Strand-Leben mit dem Programm des Museums. Das „MIS“ selbst soll, so die Architekten, wie ein Instrument empfunden werden, das es erlaubt, die Stadt auf neue Art zu betrachten. Dabei allzeit im Fokus: Der traumhafte Panoramablick auf die berühmte Copacabana, der Besucher beim Flanieren durch die Galerien begleitet.
Letzter Schliff für Rios „MIS“
Derzeit befindet sich das faszinierende Projekt in der dritten Bauphase. Was jetzt noch wachsen muss, sind Rahmen, Oberflächen und Installationen. Die erste Phase – mit Abriss bestehender Gebäude – liegt weit zurück. Sie wurde im April 2010 abgeschlossen. Rund 98 Prozent des Abbruchmaterials konnten wiederverwendet werden. Ein stolzes Ergebnis, dem allerdings einige Unbill folgte: Der Bau des Fundaments in Phase zwei wurde durch die Bodenverhältnisse und das dicht besiedelte Umfeld zur mächtigen Herausforderung. Und zwar allen vorab erstellten Studien zum Trotz.
Dass alle Konstruktionspläne deshalb angepasst und überarbeitet werden mussten, sorgte für weitere, erhebliche Verzögerungen. Ebenso, wie neue Verhandlungen mit ausführenden Bauunternehmen.
Optimistische Prognose
Jetzt, endlich, scheint die Fertigstellung des Museum of Image and Sound in greifbarer Nähe. Zwar verweist man bei Diller, Scofidio + Renfro explizit darauf, dass noch kein genauer Termin für die Eröffnung genannt werden kann. Doch die Website des Museums sieht die Dinge optimistisch: Die Arbeiten schreiten demnach gut voran. Die Entscheidung für ein Unternehmen, das das Innen-Design gestaltet, werde demnächst fallen – womit Rios ersehntes neues Highlight baldiger Finalisierung entgegensehe. Der Zeitplan dafür stehe bereits fest. Und auch die Finanzierung sei gesichert.
Das Projekt für Rios neues Museum of Image and Sound entstand auf Initiative der Regierung des Bundesstaates Rio de Janeiro. Entwickelt wurde die Idee vom Department of Culture in Zusammenarbeit mit der Roberto Marinho Foundation. Zu den Finanziers zählen TV Globo, Itaú und Natura, unter den Sponsoren finden sich Vale, IBM, Light und Ambev.
Moderne Präsentation brasilianischer Kultur
Mit der Fertigstellung soll Rios ursprüngliches, 1965 eröffnetes Museum of Image and Sound ein modernes, spektakuläres Zuhause bekommen. Das Archiv der vorwiegend als Dokumentationszentrum fungierenden Einrichtung verfügt über 30 Privatsammlungen mit Fotografien, Alben, Filmen, Videos, Instrumenten und Dokumenten. Seit 1966 wird auch eine eigene Sammlung produziert, die hauptsächlich aus Aufzeichnung von Interviews und Aussagen wichtiger Vertreter der brasilianischen Kultur besteht.
Ziel des Neubaus ist es, die bestehende, immense Sammlung modern zu präsentieren – als „Reise durch die brasilianische Kultur“, die deren Vergangenheit und Gegenwart erzählt, erlebbar macht und feiert.
Lebenslust, architektonisch umgesetzt
Im Erdgeschoss des neuen Museum of Image and Sound warten ein virtueller „News“-Kiosk, ein Shop und ein Café. Die Ausstellungen beginnen im „Carioca Spirit“-Stockwerk. Sie sind sind in drei Themenbereiche unterteilt: Humor, Rebellion und Feier. Hier soll zu jeder Jahreszeit der Geist des legendären Karnevals regieren.
Die folgende „Sweet Rhythm“-Etage ist Musik und Radio gewidmet: Dokumentarfilme erzählen Geschichte und Entwicklung des Samba von seinen traditionellen Canção-Wurzeln bis Samba-Jazz, Bossa Nova und modernen Varianten.
Die „Joyous Tropics“-Ebene verneigt sich vor „MIS“-Ikone Carmen Miranda: Sie präsentiert deren Karriere vom Carioca-Mädchen zum Hollywood-Star. Und auch ein wichtiges Exportprodukt des Landes, nämlich Brasiliens berühmte TV-Sows, steht hier im Rampenlicht.
Rios Entwicklung im Bild
Die „It’s the Salt, It’s the Sun, It’s the South“-Etage zeichnet ein authentisches Bild der Küstenmetropole: Fotografien von Augusto Malta und Guilherme Santos – Juwele der Museums-Sammlung – dokumentieren Rios Entwicklung.
Im Keller des Gebäudes können Besucher die Carioca Nights und ihre historischen Höhepunkte erkunden. Dort soll glitzerndes Leben pulsieren. Im Zentrum steht die Rolle der Musik in Rios Nachtleben. Funk-Sound soll den Raum in eine lebenspralle Carioca-Tanzparty verwandeln.
Ein Haus für alle Kunstfacetten
Neben dem Nachtclub befindet sich auf dieser Etage auch ein Auditorium für Film und Theater mit buntem Angebot. Und auf der Terrasse des neuen Museums of Image and Sound warten ein Panorama-Restaurant und eine Aussichtszone, die nachts zum Open-Air-Kino wird.
Dass das Büro Diller, Scofidio + Renfro Wert auf barrierefreie Zugänglichkeit seiner Bauten legt, ist spätestens seit seinem Design des Olympischen und Paralympischen Museums der USA in Colorado Springs weithin bekannt. Und dass die US-amerikanischen Star-Architekten famose Kulturbauten entwerfen, zeigen sowohl das Beispiel des „The Shed“ in New York, als auch die demnächst vollendete „Juilliard School“ im chinesischen Tianjin.
Keine Frage, dass diese Expertise auch beim Konzept für das Museum of Image and Sound zum Tragen kommt. Ebenso, wie die Erfüllung moderner Nachhaltigkeitsstandards: Das „MIS“-Projekt an der Copacabana erfüllt alle Anforderungen der LEED-Zertifizierung (Leadership in Energy and Environmental Design) des Green Building Council (USGBC).
Für die Ausführung des Projekts wurde das Büro des brasilianischen Architekten Luiz Eduardo Indio da Costa beigezogen. Das Landschaftsdesign übernahm das Studio Burle Marx Escritório de Paisagismo.
Was lange währt, soll rasch gut werden
Die Hoffnung, dass Rios heiß ersehntes Museum of Image and Sound noch in diesem Jahr feierlich eröffnet werden kann, ist groß. Allerdings: Gut Ding braucht in diesem Fall eben tatsächlich mächtig Weile. Und sollte doch noch mehr Sand durch die gleichnamigen Uhren rinnen müssen, ehe der Neubau endlich seiner Bestimmung übergeben werden kann, wird dies auch nicht an seiner Grandezza kratzen – auch wenn die Bauzeit dem Wort „Jahrhundert-Werk“ neue Bedeutung zu geben drohte.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Diller, Scofidio + Renfro, Okamoto, Jaime Acioli