Eine Frage der Perspektive
Der vom Büro Ole Scheeren entworfene MahaNakhon Tower schraubt sich in Bangkok im wahrsten Sinne des Wortes auf 314 Meter Höhe. Und erinnert dabei ein bißchen an den Computerspiel-Klassiker Tetris.
Bangkok hat eine der spektakulärsten Skylines weltweit und ist in Sachen Modernität so mancher europäischen Metropole weit voraus. Der vom Büro Ole Scheeren entworfene MahaNakhon Tower ist unter den Aufsehen erregenden Gebäuden aber vielleicht das speziellste.
Der Supertall-Wolkenkratzer – die offizielle Definition ist: jedes Gebäude, das höher als 300 Metern ist – wurde zwar bereits eröffnet. Noch immer aber lässt die Fassade die Passanten vor Staunen kurz innehalten und hochblicken.
Von oben oder von unten
Denn das Markante daran ist, dass sich die Fassade spiralig in eine Höhe von 314 Metern hochschraubt. Oder andersherum betrachtet, von oben, könnte man sagen, der Wokenkratzer fließt nach unten, zum Boden hin.
Der Wolkenkratzer verschmilzt mit der Stadt, indem er sich allmählich „auflöst”, während er nach unten fließt und auf den Boden trifft.
Büro Ole Scheeren
Großartiger Blick auf die City
Die Fassade ist von einem pixeligen Muster durchbrochen. Und die wie hineingeschnitzt wirkenden Bauteile geben Einblicke in das Innenleben des Gebäudes frei. Gleichzeitig bietet sich von dort, von den Grünflächen und Balkonen aus, eine großartige Aussicht auf die Hauptstadt.
Das Projekt begann als ein Entwurf von Ole Scheeren für den lokalen Entwickler Pace Development. Es wurde nach dem Ausscheiden Scheerens im Jahr 2010 aus der Architektur-Schmiede OMA von seiner dann eigenen Firma fertiggestellt.
Schon überflügelt
Der im Central Business District von Bangkok gelegene Turm mit 77 Stockwerken ist aber nicht mehr das höchste Gebäude Thailands. Es wurde bereits von den „Magnolias Waterfront Residences” (auch bekannt unter Icon Siam Tower 1) überholt. Die (architektonische) Höhe dieses Gebäudes liegt bei 317,95 Metern.
Aktuell zählt Bangkok 22 Gebäude, die mehr als 200 Meter hoch sind. Damit belegt die Stadt den vierten Rang der südostasiatischen Metropolen mit den meisten Wolkenkratzern. Nach der malayischen Hauptstadt Kuala Lumpur ist Thailands Hauptstadt derzeit in Südostasien das zweitgrößte Bau- und Stadterweiterungsgebiet.
Rama 9 Super Tower in der Warteschleife
Auf Eis liegt derzeit der Bau des Rama IX Super Tower. Er wäre mit einer geplanten beeindruckenden Höhe von 615 Metern fast doppelt so hoch wie MahaNakhon. Der Super Tower sollte 125 Stockwerke haben und wäre der höchste Wolkenkratzer in den ASEAN-Staaten beziehungsweise auf Platz 7 der Weltrangliste. Der bislang höchste Skyscraper ist immer noch der fast 830 Meter hohe Burj Khalifa in Dubai.
Rekordjahr für Superhochhäuser
2019 war laut dem Council on Tall buildings and Urban Habitat (CTBUH) ein Rekordjahr für Superhochhäuser. Im Vorjahr wurden rekordverdächtige 26 Türme mit über 300 Metern Höhe fertiggestellt (2018: 18 Supertürme). Unter den Neuen ist das 530 Meter hohe Tianjin CTF-Finanzzentrum von SOM der höchste „Supertall”. Es ist der siebthöchste Wolkenkratzer der Welt, zusammen mit seinem Schwestergebäude, dem Guangzhou CTF-Finanzzentrum.
Das zweithöchste 2019 fertiggestellte Gebäude ist das von RMJM entworfene Lakhta-Zentrum in St. Petersburg in Russland. Mit seinen 462 Metern Höhe ist es gleichzeitig das höchste Gebäude in Europa. Das Land, in dem im Vorjahr die meisten Wolkenkratzer mit mehr als 200 Metern Höhe gebaut wurden, ist China – das fünfte Jahr in Folge.
Text: Linda Benkö
Fotos/Renderings: Hufton + Crow, Ole Scheerer, Architects 49 Ltd.