Ein Museum, gut durch-dacht
Im chinesischen Wuhan entstand mit dem Qintai Art Museum ein Gebäude, das von außen betrachtet vor allem aus einem besteht: Aus einem beeindruckenden Dach.
Im Jahr 2020 erlangte Wuhan, Hauptstadt der chinesischen Provinz Hubei, traurige Berühmtheit als Ausgangspunkt der Corona-Pandemie. Mit Kunst und Architektur verbinden wohl auch heute die wenigsten Menschen die 10-Millionen-Metropole; das neu errichtete Qintai Art Museum bringt jedoch alle Voraussetzungen mit, das hinkünftig zu ändern.
Geländegängig
Zwischen dem Nordufer des Yue Hu (Mond-See) und dem Han-Fluss gelegen, soll das Museum „der natürlichen Atmosphäre des Sees auf subtile Weise begegnen“, wie das verantwortliche Architekturbüro Atelier Deshaus erklärt. „Der Entwurf gleicht in seiner Form dem sanft geschwungenen Gelände“.
Um das Volumen des Gebäudes an der Oberfläche zu reduzieren, entschied man sich, einen Teil der Ausstellungsräume unterirdisch zu platzieren. „Der Untergrund wird voll ausgenutzt“, so Atelier Deshaus, ein in Shanghai ansässiges Büro mit zwanzigjähriger Erfahrung im Entwerfen öffentlicher Gebäude.
Eine stufenförmig angelegte Terrassenstruktur überzieht das wellenförmig angelegte Dach. Für die Setzstufen der Terrassen wurde silberfarbenes Metall gewählt, die (nicht begehbaren) Trittstufen einerseits mit weißen Steinen ausgelegt, andererseits mit niedrig wachsenden Grünpflanzen besetzt. Geschwungene Stege führen über die Dachkonstruktion. „Gemeinsam bilden das Dach und der Weg eine erlebbare Landschaft“, sagt das Architekturbüro dazu.
Kunst innen & außen
Der renommierte dänische Licht- und Wasserkünstler Olafur Eliasson wurde eingeladen, für den Dach-Weg eine Lichtinstallation zu schaffen. Entstanden ist der „Acht-Farben-Weg“, auf dem sich die Farbe beim Vorbeigehen laufend ändert.
Der Weg steht Besucherinnen und Besuchern jeden Tag zur Verfügung. Bei entsprechenden Lichtverhältnissen am Morgen oder Abend können sie auf dem Dach in eine einzigartige künstlerische Atmosphäre und Landschaft eintauchen. Atelier Deshaus: „Dadurch, dass die Menschen draußen, im öffentlichen Raum, aktiv sind, wandelt sich das starre Bild des Museums, in dem sonst alles im Inneren passiert.“
Zur nördlich vor dem Museum befindlichen Straße hin soll eine vertikale Fassade die Urbanität des Gebäudes betonen. Der Eingang des Museums wiederum befindet sich auf der Westseite des Gebäudes; eine gekrümmte Fassade vermittelt das behagliche Gefühl der Umschlossenheit. Hier soll in Zukunft auch die geplante Hauptbibliothek von Wuhan ihren Standort finden.
Offen für alle
Ein Teil des Hauses ist auch nach der Schließ-Zeit des eigentlichen Museums für die Öffentlichkeit zugänglich. Offene Rampen verbinden den Platz direkt mit dem Café im zweiten Obergeschoss und der Freifläche auf dem Dach. „Dies stärkt sowohl die Offenheit des Museums als auch seine Urbanität auf operativer Ebene“, erklärt das Architekturbüro.
Die vier Ausstellungshallen des Museums (für zeitgenössische, für moderne und für antike Kunst sowie die Sonderausstellungshalle) können unabhängig voneinander oder nacheinander betreten werden, was eine hohe funktionale Flexibilität bietet.
In der Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst dominieren freistehende Wandkonstruktionen. Anstatt eines, in anderen Museen üblichen, vorgegebenen Weges durch Ausstellungen können sich Besuchende hier frei bewegen. Die Ausstellungswände dienen zudem als tragende Struktur des wellenförmigen Daches.
Das Fazit von Atelier Deshaus fällt dementsprechend aus: „Die Kombination aus Ausstellungsbereich und dem wellenförmigen Dach schafft einen einzigartigen Raum für Ausstellungen.“
Und, wer weiß: Vielleicht wird aus der „Covid-Stadt“ dereinst ja tatsächlich die „Kunstmetropole Wuhan“.
Text: Michi Reichelt
Bilder: Tiang Fang Fang